Beiträge von ravn im Thema „06.03.-12.03.2017“

    Ich konnte in den letzten Tagen am Samstag und Sonntag in unterschiedlichen Runden zweimal Anachrony mitspielen:


    Mir gefällt das Spiel. Allerdings findet das Thema Zeitreise eher in den Köpfen der Spieler statt und auch die sonstige Hintergrundstory, die perfekt illustriert im beiliegenden Artbook erzählt wird, dringt im erlebten Spielablauf kaum durch die Ebene der Mechaniken. So ist die Reise in die Vergangenheit eher ein recht einfaches zurückrücken auf Zeitstrahl-Plättchen, um dort dann so genannte Warpmarker zu entfernen, die ich in der Vergangenheit, die damals noch die Gegenwart war, platziert habe, um Ressourcen zu bekommen. Im Grunde ist das nichts anderes als ein Kredit, den man in späteren Runden zurückzahlen sollte, um nicht Gefahr zu laufen, jede Runde Zinsstrafen zu kassieren. Hier heissen die Zinsstrafen eben Paradoxien, die man ansammelt, um dann bei zu vielen Paradoxien dann Minuspunkte zu kassieren, die man aber wieder über die Ausgabe von Aktionen-Rohstoffen-Personen loswerden kann.


    Der spielerische Kern ist ein grundsolides Workerplacement auf sehr umkämpfte, weil eben begrenzte Einsetzfelder. Somit wird die Spielreihenfolge wichtig und auch ausreichend Ressourcen, Personal und Wasser parat zu haben, um die Aktionen durchzuführen, bevor die von den Mitspieler-Arbeitern besetzt werden. Am Ende einer Spielrunde gut für die nächste Spielrunde aufgestellt zu sein, anstatt erst zu Beginn der Spielrunde Ressourcen, Personal und Wasser erst einsammeln zu müssen, scheint mir der Schlüssel zum Sieg zu sein. Somit werden die eigenen Gebäude umso wichtiger, weil die kann man ungestört alleine nutzen.


    Siegpunkte kann man in dem Spiel in den verschiedensten Bereichen sammeln, alles wird man aber sowieso nie machen können. Also baut man sein Personal aus, baut Produktionsgebäude und dauerhafte Bonusgebäude und steht im Wettstreit um den Bau von Superprojekten, die mehr Siegpunkte bringen und noch mehr und bessere Boni. Schade finde ich dabei allerdings, dass die Baukosten auf den Superprojekten und Detailsymbole auf den Gebäuden eher klein gedruckt sind, der Spielplan aber umso wuchtiger in der Spielmitte liegt und aussen herum irgendwo die Superprojekte und Gebäudestapel untergebracht werden wollen und das so, dass man von der anderen Tischseite alles noch erkennen kann. Nicht einfach, auch für Spieler ohne Sehschwäche. Dabei hätte man den Spielplan locker schrumpfen können. Der ist nur so gross, um die überdemensionalen und wirklich sehenswerten Strahlenschutz-Miniaturen aufnehmen zu können, dabei bieten die nur optischen Augenschmauss, aber keinen spielerischen Mehrwert im Gegensatz zu den normalen Pappmarkern.


    Spielerisch gibt es zudem eine gemeine Falle, die einen übel das Spiel vermiesen kann. Nach dem Einschlag hat man auf der Anfängerseite seiner persönlichen Spielerablage nur begrenzten, weil eingeschränkten Platz für seine Strahlenschutzanzüge. Die braucht man aber für Aktionen auf dem gemeinsamen Spielbrett ("das Draussen"). Will man dort mehr als nur eine Aktion machen (vorab konnte man immerhin drei Aktionen dort machen, was ok war), muss man Energie abgeben. Hat man zu dem Zeitpunkt keine Energie und auch kein Gebäude, das Energie auf der eigenen Spielablage herstellen kann, sieht das in der Schlussphase des Spiels (1 bis 3 weitere Runden vor Endabrechnung, nachdem vorab schon 4 Runden gespielt wurden) arg übel aus. Vor dieser Frustfalle sollte man Erstspieler unbedingt warnen, weil aus dieser Sackgasse kommt man schlicht nicht mehr heraus, was schlicht kein guter Abschluss eines ansonsten insgesamt guten Spieles ist.


    Ob die diversen Erweiterungsmodule das Spiel thematisch dichter machen, kann ich nicht sagen. Ich habe bisher nur einmal mit der Anfänger-Spielerablage-Seite A gespielt und einmal mit der B-Seite, auf der jede Fraktion unterschiedliche Eigenschaften und Siegpunktschwerpunkte hat. Ebenso ist die Energiefalle nach dem Einschlag am Ende von Spielrunde 4 abgemildert, weil man eben auch alternativ mit Ressourcen die vormals kostenlosen Extraplätze besetzen kann.


    Mitspielen weiterhin gerne, selbst besitzen brauche ich es aber dann doch nicht, weil ich mindestens zwei Spielrunden kenne, in denen es sicher noch öfters auf den Tisch kommen wird. In Summe ein gutes Spiel, aber mit Verbesserungspotential in Details der Umsetzung. Man merkt dem Spiel ein wenig an, dass die Autoren eventuell ein wenig zu verliebt in ihr Spiel waren und eine erfahrene Redaktion noch für mehr Feinschliff hätte sorgen können was Übersichtlichkeit und Materialnutzen angeht.


    Cu / Ralf