Beiträge von Fuchs im Thema „Istanbul: eine etwas andere Spielekritik“

    Ich finde das mangelnde Wissen bzw. die unvollständige Recherche durchaus relevant. Der Autor macht die Spielmechanik ja zu einem Teil seiner Argumentation. Istanbul ist des Orientalismus verdächtig, weil es gegenständlich ist. Es gibt Handkarren, den Sultan, Moscheen und der Spieler übernimmt eine Rolle, die des Händlers. Das Spiel Uluru macht es in den Augen des Autors besser, da es sich um ein abstrakteres Spiel handelt. Es gehe nicht um "tatsächliche oder angebliche Lebensweisen der australischen Ureinwohner".


    Es bleibt aber ungeklärt, wie viele Spieler Istanbul überhaupt als thematisches Spiel wahrnehmen. Es ist jetzt nicht das trockenste Euro, aber die Immersion bleibt ja gering. Auch die These Uluru würde irgendetwas besser machen, finde ich haltlos. Soweit ich weiß handelt es sich bei dem Uluru um einen heiligen Berg und wahrscheinlich gibt es australische Ureinwohner, die es gar nicht lustig finden, dass er zum Mittelpunkt eines trivialen Spiels gemacht wird.


    Im Grunde macht der Autor doch nichts anderes, als der "Orientalismus" den er dem Spiel vorwirft. Er vereinfacht das Thema und bedient sich Stereotypen. Er geht davon aus, dass eine Flüchtlingsfamilie, das Thema des Spiels nicht als westliche Vorstellungswelt des Orients begreifen kann und sich daher angegriffen fühlt. Die gesamte Argumentationsbasis bleibt die Vorstellung, Istanbul könne missverstanden werden. Wie gesagt, interessant wird es ja erst, wenn tatsächlich z.B. jemand mit türkischen Wurzeln mal seine Gedanken zum Spiel äußern würde.

    Ich finde den Diskussionsansatz des Autors an sich gar nicht so abwegig. "Nur ein Spiel? Mitnichten! Die Welt muss zusammenwachsen, wenn sie fortbestehen will. Was kann eine Gesellschaft dazu Konstruktives beitragen, die den Anderen veralbert und auf das Niveau eines leicht manipulierbaren Gegenstandes herabbanalisiert?"


    Auch in diesem Forum wurde ja, soweit ich mich erinnere, schon ein paar Mal über das Spiel als Kulturgut diskutiert. Wenn Spielepreise vergeben werden berücksichtigt man oft auch pädagogische Aspekte. Daher kann man meiner Meinung nach nicht immer sagen "es ist doch nur ein Spiel" um Kritik an der dargestellten Spielwelt abzutun. Vor allem wenn es sich an eine an die Realität angelehnte Spielwelt handelt.


    Leider wird in diesem Artikel die Chance vertan isch wirklich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Im Kern schlecht recherchiert, wählt der Autor ein Beispiel, bei dem die meisten Spieler sagen würden, es handele sich um ein völlig austauschbares Thema und nicht um ein "Narrativ". Interessant wäre es gewesen, wenn er sich die Zeit genommen hätte wirklich mit einer Migrantenfamilie Instanbul zu spielen.