Generisches "wandle Ressourcen untereinander und am Ende irgendwie in Siegpunkt"-Eurospiel mit schrägem Thema (immer im Uhrzeigersinn durch ein kreisrundes Haus rennen? Häh?!), dessen einzige Besonderheit ist, dass es aus Taiwan statt Deutschland kommt und in China statt in der Toskana spielt. Ähem, lass mich überlegen... nö, danke.
Gut, dass ich am Freitagabend in entspannter Dreierrunde die Chance hatte, das Spiel in der Taiwan-Version auf englisch spielen zu können. Nach den ganzen Vorurteilen hier war ich eher skeptisch und habe die hier geäusserten Kritikpunkte vor der Partie auch erwähnt - schräges Thema mit dem runden Haus, generisches Eurogame, keine Besonderheit. Allerdings wurde mir schnell klar, dass wenn man keine Ahnung hat und nur nachplappert, man mal lieber (frei nach Nuhr) die Fresse halten sollte. Alle Kritikpunkte sind aus der Luft gegriffen. Ich habe mich bestens unterhalten gefühlt, eine packende Partie mit vielen Freiheiten erlebt, unterschiedlichste Wege eine eigene Siegpunktmaschine aufzubauen, viele funktionierende spielerische Besonderheiten inklusive. Welche Bedeutung dieses "Roundhouse" in China haben und dass dieses Thema mit seinen vielen Aspekten gut als Ressourcen-Management-Spiel umgesetzt wurde, war mir dann ebenso klar und klar gemacht worden.
Aber zurück zum Spiel selbst: Vom Material ist es gutes Eurogames-Niveau. Auffällig sind die extrem dicken Pappteile, aus denen das Roundhouse zusammengesetzt wird. Da es mehr davon gibt, als am Spiel teilnehmen, ist somit jede Partie in den Aktionsmöglichkeiten und Aktionsfolgen zufällig anders. So entsteht eine Art 3D-Landschaft, die auch optisch die unterschiedlichen Etagen des Rundkurses gut darstellt. Einzig die taiwanesischen (oder chinesischen) Schriftzeichen, die auf einigen Karten die Katgorie für ein Erweiterungsmodul darstellen, die für mich dann einfach unterschiedliche Symbole waren, sowie die doppelseitigen Spielhilfen auf taiwanesisch und englisch haben die Herkunft des Spiels verraten. Ansonsten hätte es auch gut und gerne eine europäische Produktion sein können. Nix wirklich zu meckern, höchstens dass die "Betbrücke" (sorry, ich erinnere nicht alle Originalformulierungen, zumal wir danach noch zwei weitere Neuheiten gespielt haben bis tief in die Nacht) als Begrenzung des Rundkurses hoch aufragt und aus meiner Sitzposition das Aktionsfeld direkt dahinter halb verdeckte. Zudem war der Karren aus der selben dicken Pappe wie das Roundhouse und wirkte damit zu wuchtig - ein kleiner Karren aus Pappteilen zusammengesetzt wäre da optisch schöner gewesen.
Spielerisch bewegen wir uns zwischen den uns eineigenden Freiheitsgraden Geld - Warenarten - Personen. Alles davon ist knapp, alles davon hätten wir gerne mehr zur Verfügung. Am Ende gewinnt derjenige mit den meisten Siegpunkten, die man teils während des Spiels erhält und in der Schlusswertung. Allerdings werden Ressourcen nicht platt in Siegpunkte gewandelt, sondern man beschafft sich Aufträge, heuert Experten an und bewegt seine zwei Arbeiterpöppel getrennt um den Rundkurs. Erfüllte Aufträge werden zu Siegpunkten am Ende des Spiels und Boni während der laufenden Partie. So konnte ich ein Gold abgeben, um dafür dauerhaft immer ein Geld mehr zu bekommen, immer dann, wenn ich in meiner Aktion mindestens ein Geld einnahm. Einen neuen Auftrag bekommt man aber nicht einfach so, sondern muss Siegpunktschwellenwerte überschreiten. Nur um Siegpunkte machen zu können, muss man bestimmte Aktionen auf dem Rundkurs ausführen, die selbst wieder Vorbedingungen wie Personen, Geld oder Warenarten benötigen.
So kann man über Aktionen ausliegende Experten anheuern, die später meist einmalige Boni bringen. Sozusagen verzögerte Aktionen, die man als Nebenaktion zu seiner Hauptaktion auf dem Spielplan ausführen kann mit selbstbestimmten Timing. Ebenso kann man Personen, sofern man die vorab ausgebildet hat (was wieder eine andere Aktion ist), auf "Stühle" zu Aktionen setzen und diese verdoppeln nachher einmalig diese Aktion - sofern man mit seinem Arbeiterpöppel dort ankommt. Über die "Andachtshalle" kann man auch später im Spiel dauerhaft einen solchen "Stuhl" besetzten. Auf diese Art und Weise baut man sich seine Siegpunktmaschine selbst zusammen, optmiert Aktionsfolgen, muss aber aufpassen, vor lauter Optimiererei das eigentliche Spielziel der Siegpunktgewinnung nicht aus dem Blick zu verlieren.
Ebenso gut gefallen hat mir, dass man immer zwischen zwei seiner Arbeiterpöppel wählen kann und muss - maximal drei Schritte weitergehen, auf dem in sich verzweigten Aktionsrundkurs. Wobei besetzte Felder übersprungen werden, was zwar bedeutet, dass man die nicht betreten kann, aber dafür weiter und schneller um den Rundkurs kommt - sofern man das will. Denn am Ende des Rundkurses muss man auf der "Betbrücke" anhalten. Dort kann man entweder eine Tempelaktion einmalig nutzen oder mit seinen in die umliegenden Dörfer per Karren vorab verteilten Arbeitern die "Andachtshalle" aufsuchen. Je mehr Arbeiter man hat, desto weiter kommt man in der "Andachthalle" voran und desto mehr Siegpunkte und bessere Waren-Geld-Amulett-Kombinationen kann man bekommen. Damit rückt man aber dem Spielende aktiv näher, weil zu dritt kann insgesamt acht mal diese "Andachthalle" aufgesucht worden, bevor das Spielende eingeläutet wird. Somit bestimmt man selbst, welchen Zeitdruck man für die lieben Mitspieler aufbaut, wenn die eher auf langfristige Siegpunktmaschinerien gesetzt haben. So ein Kontrollelement über die Länge des Spiels hat mir schon bei Pantheon oder Ships bestens gefallen und hier ist es ebenso gut umgesetzt, um zusätzlich die Spannung hoch zu halten, denn unendlich viel Zeit kann man sich schlicht nicht lassen. Wer erst endlos lange Arbeiter in den Dörfern sammelt, um dann geballt, aber arg spät in die "Andachthalle" zu gehen, der kommt eventuell zu spät und die Mitspielern einem selbst zu oft zuvor.
An diesen Stellen wird das Spielgeschehen schön interaktiv. Zwar immer indirekt interaktiv, genauso wie über die Blockade von selbst genutzten Aktionsfeldern, die man ewig nicht freiräumt, weil man nur mit seinem zweiten Arbeiterpöppel zieht, aber dann doch notgedrungen wegziehen muss, um sich selbst Aktionsvorlagen zu ermöglich. Direkt konfrontativ ist es nicht, zerstörerisch ebenso nicht. Eben Eurogame-Niveau und kein Amitrash. Dafür aber vielfältig in den Möglichkeiten, agieren zu können.
Wir haben direkt mit zwei Erweiterungen gespielt. Einmal mit Experten, die man sammeln konnte, anstatt diese zu nutzen während der Partie, um dafür am Ende dann je nach noch verhandener Kategorien-Anzahl im Ablagestapel ein paar Sondersiegpunkte zu bekommen. Dadurch entsteht das Dilemma, dass man seine Experten-Kategorie gerne wertvoller machen möchte, das aber nur geht, wenn die abgeworfen wird und auf dem Ablagestapel landet. Nur dann hat man die nicht mehr selbst in seiner Auslage. Passte als weiteres Element gut ins Gesamtkonzept. Die zweite Erweiterung betraf das Geld. Wer fünf Geld bekommt, konnte direkt entscheiden, das Geld zu nehmen, oder es stattdessen umzudrehen und den dauerhaften Boni stattdessen zu nutzen. So konnte ich mit meiner Geldvermehrungsstrategie einen passenden Bonus erzocken, der mein Restvermögen am Ende des Spiels wertvoller machte vom Umrechungskurs - nicht mehr 3:1 in Siegpunkte, sondern 1:1. Klingt mächtig und ebenso zufällig, aber da man vorab weiss, welche Boni in welcher Verteilung vorhanden sind und welche man ziehen könnte, kann man eben darauf zocken. Fand ich gut, weil man konnte ja ebenso lieber die sicheren 5 Geld stattdessen nehmen.
Als Fazit nach nur einer Erstpartie mit wohl so knapp 2 Stunden Spielzeit bleibt für mich stehen, dass Roundhouse ein wirklich spielenswertes Eurogame ist. Vom Regelwerk sehr gradlinig und eher einfach. Vom Spielablauf aber sehr vielfältig mit vielen Freiheiten, sein Spiel gestalten zu können. Dazu bis auf die Anleitung und den Ablaufübersichten, die man nach kurzer Zeit eh nicht mehr braucht, absolut sprachneutral. Warum also auf eine eingedeutschte Version warten? Ich würde es sofort wieder spielen wollen, es reizt eben dazu, diverse Strategien auszuprobieren und zu optimieren. Die ideale Spielerzahl sehe ich bei 3 oder 4 - zu zweit geht es auch, aber nur mit einer neutralen Dummyfarbe als Aktionsblockierer und zu fünft in Vollbesetzung hat jeder nur einen Arbeiterpöppel, was damit dem Spiel ein Aspekt nimmt, der mir besonders gut gefallen hat. Also lieber zu dritt oder viert gespielt.
Ein "generisches wandle Ressourcen untereinander und am Ende irgendwie in Siegpunkt Eurospiel mit schrägem Thema"? Könnt Ihr gerne meinen, ich weiss es für mich (!) aber besser und kann Euch deshalb nur ans Spielerherz legen, es erst einmal Probe zu spielen, bevor man es vorverurteilt oder gar vorschnell abschreibt. Für mich im Nachzug der SPIEL 2016 eines der besten Eurogames, die ich seit dem gespielt habe. Im Direktvergleich war mir Great Western Trail zu regellastige Arbeit und Ein Fest für Odin zu solitär langweilig. Roundhouse ist für meinen aktuellen Spielegeschmack besser. Wie es mit der Langzeitmotivation aussieht? Keine Ahnung, bisher besitze ich es nicht und konnte es nur einmal mitspielen - diese Partie hat mich aber gepackt und begeistert.
Cu / Ralf