Vorhin die letzten Stunden eine Erstpartie First Martians in entspannter Dreierrunde gespielt. Der Spieleinstieg war nicht ganz einfach, trotz vorheriger Regel- und Lets-Play-Videos und Regellektüre. Die Schwierigkeit steckte in den vielen Details, die es zu beachten galt und die sich dann im Fliesstext versteckten bzw. nur in der App aufgelistet waren. Somit kann ich nur empfehlen, entweder viel Zeit für so eine Erstpartie mitzubringen und in Kauf nehmen, dass man am Spielende nicht sicher sein kann, alles richtig gespielt zu haben, oder eben vorab das Spiel solo erarbeiten, um es dann in eigenen Worten regelfest sowie kurz und knackig erklären zu können. So oder so, optimal ist die Spielregel leider nicht.
Die App an sich ist leider auch nicht fehlerfrei, denn es sind Schaltflächen missverständlich falsch beschriftet und die Abfolge der Teilaktionen ist in anderer Reihenfolge als auf dem Spielbrett aufgelistet. Die Clean-Up-Phase fehlt leider völlig als eigener Schritt, wenn die App schon durch den Spielzug führen soll. Zudem ist die App generell grafisch sehr spartanisch aufgebaut. Es gab in unserem Einstiegsszenario bis auf den Start und das Ende keinerlei grafische Abbildungen der Szenerie oder von Events, einfach nur die wiederkehrenden Bilder der Charaktere und Text. Potential verschenkt. Vorgelesen wird leider auch nichts. Das kann selbst ein Spiel wie London Dread besser und schafft, mit einfachsten Mitteln eines semiprofessionellen Sprechers mehr Atmosphäre aufzubauen. Den Direktvergleich mit Villen des Wahnsinns 2nd Edition möchte ich erst gar nicht ziehen, denn das ist ein Klassenunterschied. Hat sich Portal Games hier schlicht übernommen mit allerbesten Absichten oder ist nur das Einführungsszenario so mässig umgesetzt?
Die Partie war durchaus interessant, aber packende Spielatmosphäre kam leider nur selten auf. Die meisten Zeit war es eher ein Kampf, die Spielabfolge und die Detailregeln zu beachten. Klar, das wird sich legen, wenn man das Spiel komplett verinnerlicht hat. Das Einführungsszenario nahm uns dabei arg an die Hand durch die zu erfüllende Missionsziele. Somit war recht klar, was wir in welcher Reihenfolge erforschen, bauen und reparieren sollten. Wirklich schwierig war es dann auch nicht, die Partie eine Runde vor Ende zu gewinnen. Entweder haben wir etwas übersehen, hatten Glück oder es sollte schlicht kaum Druck auf der Schwierigkeitsstufe "mittel" aufgebaut werden. Ich hoffe mal für das Spiel, dass die kommenden Szenarien abwechslungsreicher sind und mehr Freiheiten bieten und zudem mehr Story erzählen. Zumindest gibt es ein Buch mit Storykapiteln, das ich noch nicht einordnen konnte, wann das zum Einsatz kommen wird. Und dann sind da ja auch noch die Kampagnen, um entdeckt zu werden.
Neben der fehlenden Atmosphäre, weil das Spielgeschehen auf dem Brett eher abstrakt umgesetzt ist in seinen Aktionen, schafft es die App leider auch nicht, diese atmosphärische Lücke zu schliessen, obwohl das Potential der audiovisuellen Möglichkeiten einer App durchaus gegeben wäre. Somit bietet die App für mich wie erlebt keinen echten Mehrwert, eher ein seufzendes Kopfschütteln bei mir, weil die vorhanden Fehler und Unzulänglichkeiten eigentlich mit einer ordentlichen Qualitätssicherung hätten auffallen müssen. Wer das so auf den Markt bringt, weiss es nicht besser oder kann es nicht besser. Beides ist arg schade, weil von einem "Living Boardgame" sind wir hier technisch und vom gebotenen Inhalt noch weit entfernt. Gibt es echt niemanden, der schon während der Entwicklung da Klartext sprechen und warnen kann?
Spielerisch war die Partie auch durch die Gradlinigkeit anfällig für das typische Thinktank-Verhalten von kooperativen Spielen. Ein jeder beteiligt sich so intensiv oder zurücklehnend wie er mag, aber am Ende der Diskussion ist völlig egal, wer den Aktionsplan für die aktuelle Runde ausgetüftelt hat. Der Faktor des Einzelnen ist zu gering, so dass immer die Gefahr besteht, sich ganz aus dem Spiel zu ziehen oder von Meinungsführern gespielt zu werden. Auch hier kann ich nur hoffen, dass es an der Erst- und Einführungspartie lag und sich die Individualität der Einzelnen spätestens in den Kampagnen intensiviert. Ansonsten lieber alleine oder in Zweierrunde auf taktischer Augenhöhe spielen.
Was bleibt in Summe für ein subjektives Erstfazit: Potential hat First Martians durchaus. Nur konnte mir das Spiel dieses bisher nicht zeigen. Die App schreit nach Optimierungen. Die Spielregel ebenso. Zudem gingen uns die Klötzchenfarben aus, was schlicht nicht vorkommen sollte im Erstkontakt. Ich möchte es gerne nochmals spielen und mögen, wenn dann alle Regelunklarheiten beseitigt sind, auch um mich zu überzeugen, was andere Szenarien besser machen. Selbst besitzen brauche ich es aktuell aber nicht. Da hat es mir mehr stattdessen mehr Vorfreude gemacht, nochmals Robinson Crueso auszupacken und deren Szenarien weiter zu spielen.
Cu / Ralf