Nach einem eher spieleärmeren Februar, bei dem sich vorher nicht die passsende Gelegenheit ergab, dann gestern die erste Partie Ponzi Scheme in entspannter Viererrunde: Kurz gesagt, das Spiel gefällt, spaltet aber auch in den Meinungen, zumindest bei dreiviertel der Runde ist es gut angekommen. Wenn im Nachhinein noch angeregt über den Spielablauf diskutiert wird, hat es Ponzi Scheme zumindest geschafft, Reaktionen zu erzeugen.
Ich kann aber auch gut verstehen, wenn einem das Spiel nicht zusagt, denn es spielt sich eher auf einer abstrakten-theoretischen-mathematischen Ebene ab und die Optik des Spielmaterials ist nicht mehr als funktional. Teilweise im Handling sogar umständlich, wenn man gefühlt dauernd eine Auslage aus neun Karten nach Wertigkeiten sortiert und hinter seinem doch irgendwie zu kleinem Sichtschirm mit Papiergeld hantiert und versucht, für sich die Übersicht zu behalten. Dazu dann noch Übersichtskarten, die schlecht lesbar bedruckt sind und uns nicht beim Spielablauf halfen, weil wesentliche Infos dort fehlen, wie eine Phase läuft und nicht nur, dass sie gespielt wird. Im Regelwerk fehlt zudem die Info, dass es in der ersten Runde keine Übernahmeangebote gibt. Muss man sich vorab aus anderen Quellen wie BGG anlesen, sonst funktioniert das Spiel nicht richtig. Für eine Neuauflage hat sich TMG da nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Abseits davon aber eine durchaus packende Spielpartie, die sich in Ponzi Scheme entfaltet. Dabei ist allen Mitspielern vorab klar, dass wir geradewegs auf den Bankrott zusteuern und den nicht aufhalten, sondern höchstens herauszögern können. Niemand will der Erste sein, der zahlungsunfähig ist, weil der spielt in der Endwertung keine Rolle mehr. Allerdings will auch niemand zu zögerlich "investieren", dann wer zu niedrige Kapitaldeals abschliesst, braucht zwar tendenziell weniger in x Runden an Zinsenserträge an seine Kapitalgeber zu zahlen, hat aber auch weniger Geld für Übernahmen von gegnerischen Firmen übrig und weniger Geld, um andere Kapitalgeber zu bedienen, die vorab Ihre Zinserträge haben wollen.
Dabei ist das alle eine totale Luftnummer. Wir starten ohne Kapital und ohne Unternehmen und wir werden das ganze Spiel über nie etwas in unseren Unternehmen produzieren, nie neue Werte erschaffen, sondern einzig über neue Schulden alte Schulden bezahlen und das eingesammelte Kapitel zwischen uns umverteilen. Das ist eine Kapitalblase, die platzen muss. Das fühlt sich anfangs noch locker an, dann dämmert langsam die Erkenntnis, dass man sich leicht übernommen hat. Zwischenzeitlich kann man wieder Luft schnappen, aber nur, weil der grosse Hammer später noch umso kräftiger zuschlagen wird. Das sorgt für ein mulmiges bis ungutes Bauchgefühl - eben noch im scheinbaren Reichtum geschwommen, jetzt sieht man den D-Zug auf einen zurasen und es ist klar, dass der einen überfahren wird. Einzige Chance ist, dass es einen Mitspieler vorher erwischt und man zu diesem Zeitpunkt möglichst gross ausgebaute Firmen besitzt. Nach mir die Sintflut. Fast schon erschreckend realistisch.
Spielerisch ist das ein sehr interaktives Geschehen. Seine Firmen kann man nur über den Schwellenwert von drei ausbauen, wenn man gegnerische Firmen übernimmt. Je grösser die Firma, desto mehr Punkte ist die wert und desto wertvoller ist jeder neue Ausbau für einen selbst. Wie viel soll man also für so eine Übernahme dem Mitspieler bieten? Weil das Geld hat man dann selbst nicht mehr und auch wenn man die nächste Zinsauszahlungsrunde noch überleben kann, ein paar Runden später braucht man so viel Geld mehr, dass man es sich eigentlich nicht leisten könnte, jetzt noch Geld auszugeben. Ist das Übernahmeangebot aber zu niedrig, dann wird man selbst übernommen und bekommt sein eigenes Kleckerangebot verdoppelt - also zurück plus den selben Betrag vom Mitspieler dazu. Demzufolge mehr bieten, aber das könnte zu viel sein, zu teuer gekauft, weil man dann zu wenig Geld hat, um sich vor den Übernahmen der Mitspieler zu schützen.
Wirklich ausrechnen kann man bei Ponzi Scheme nichts. Dazu weiss man schlicht nicht, wie sich das Geld zwischen den Spielern verteilt. Weil das passiert in den Summen geheim. Eher entwickelt sich aus dem Bauchgefühl ein Erfahrungswert im Laufe der Partie, wie hoch Übernahmeangebote für bestimmte Spieler zu einem bestimmten Zeitraum sein sollten. Was hat funktioniert und was eben nicht. Das bedingt allerdings auch, dass man den Spielverlauf verfolgt, Reaktionen auf Mitspielerangebote beobachtet, Tendenzen erkennt und auf Fälligkeiten schaut. Nicht so einfach, wenn man zeitgleich sein Geld zählt und versucht, für sich selber den Überblick zu behalten. Kann zu üblen Fehleinschätzen führen, weil man Mitspieler für liquider hält, als die eigentlich sind. Ponzi Scheme spielt sich daher als ständige Überschlagsrechnung. Man muss den Kontrollverlust zulassen können.
Allerdings gibt es über die Firmengrössen und dadurch bedingte Zugriffsmöglichkeiten auf neue Geldgeber (ok, die wollen in Zukunft alle x Runden ihre Zinserträge sehen, aber das blenden wir mal aus in der Gegenwart, wäre auch zu belastend) gute Möglichkeiten, das Spiel zu steuern oder sich eben selbst in scheinbar noch ausweglosere Situationen zu manövrieren. Eben wenn man plötzlich keinen Zugriff mehr auf die grossen Geldgeber hat, weil die eigenen Firmen zu klein oder zu gross oder nicht mehr vorhanden sind, weil man Übernahmeangebote nicht kontern konnte oder selbst zu gierig war.
Am Ende unserer Partie waren wir alle zur selben Zeit zahlungsunfähig, ein Marktcrash hatte das beschleunigt, bei denen dann plötzlich zwei Zinsauszahlungen fällig wurden. Während ich meine Verbindlichkeiten von 12 Geld locker hätte bezahlen können, wusste ich aber schon, dass die Verbindlichkeiten danach von über 190 Geld schlicht nicht schaffbar waren. Meine einzige Hoffnung bestand also darin, dass jemand schon in der aktuellen Runde bankrott gehen würde. Wäre sogar so gekommen, auch wenn ich das weder ahnte noch wusste. Aber dann kam es zum absichtlich von einem Mitspieler herbeigeführten Marktcrash, den man durchaus legitim als Mittel einsetzen kann, um die Mitspieler unter Zahlungsdruck zu setzen und grosse Firmen zu stutzen. So hatten wir dann aber alle verloren.
Offen blieb in unserer Spielrunde, wie damit umzugehen ist, solche Kamikaze zu fahren, wenn man damit einen fremden Sieg verhinden kann, den man sonst eine Runde später nicht abwenden könnte, weil man selbst bankrott geht. Oder muss man sich, so lange wie eben möglich, am (finanziellen) Überleben halten, auch wenn man stattdessen, in eigener hoffnungsloser Situation, alle verlieren lassen kann? Ist es also besser, wenn alle nicht gewinnen, wenn man selbst nicht gewinnt? Also kein Königsmacher, sondern eher ein Totengräber für alle - auch einen selbst. Habt Ihr dazu eine Antwort?
Das Spiel wäre aber eine Runde zuvor fast schon vorzeitig zu Ende gewesen, weil ich selbst nicht zahlungskräftig war und darauf angewiesen, dass jemand mein Übernahmeangebot kontert und meine Firma stattdessen übernimmt. Das sind dann besondere Momente, wenn man den Kunstlederumschlag überreicht und nur hoffen kann, dass man nicht zu viel verlangt hat oder die eigene Geldnot nicht erahnt wird und es in Folge doch noch zur erhofften Gegenübernahme kommt, die einen kurzfristig zahlungsfähig macht.
Ponzi Scheme ist anders, erinnert ein wenig an Container mit der freien Preisfindung und an Machtspiele von Eggert mit den geheimen Angeboten, ist dann aber doch ganz anders und reduzierter auf seinen Kernmechanismus, die Luftnummer möglichst lange zu überleben und dabei möglichst viel fremdes Kapital in eigene Scheinfirmen umgesetzt zu haben. Wird sicher nicht in jeder Runde gut ankommen können, eben weil es keine bekannten und beliebten Spielelemente aufgreift, stattdessen was ganz anderes wagt. Und genau deshalb gefällt es mir.
Cu / Ralf