Beiträge von Gernial im Thema „31.10.-06.11.2016“

    Ich sehe da keinen Widerspruch zu dem von mir geschriebenen Text, der nach dem Zitierten folgt: "Es geht mir mitnichten darum, dich von dem Spiel zu "überzeugen"
    und: "...der persönliche Spieleindruck ist selbstredend immer entscheidend, egal ob bei einem Buch oder einem Spiel. Und natürlich kann man ein Buch auch nach der Lektüre weniger Seiten beiseite legen, wenn es einen nicht "gepackt" hat"


    Downtime ist für mich die gefühlte Länge der Zeit, bis ich wieder am Zug bin. Bin ich beschäftigt oder kann ich an interessanten Zügen anderer partizipieren, ist diese Zeit kein Problem, erst wenn sie zur Wartezeit wird. Die von dir aufgeschlüsselten Ursachemöglichkeiten sind eine hilfreiche Kategorisierung, die ich mir bisher noch nie so genau durchdachte hatte. Vielen Dank dafür :)

    Das Gefühl einer langen Downtime stellt sich freilich dann eher ein, wenn einen das Puzzeloptimieren nicht interessiert. Keine Frage. Mir wurde bisher bei keiner Partie langweilig. Ganz im Gegenteil ist es eher das Gefühl, "Huch, ich bin ja schon wieder dran". Es geht mir mitnichten darum, dich von dem Spiel zu "überzeugen", sondern einige Aspekte klarzustellen, damit diejenigen, die das Spiel noch nicht kennen, besser mitdenken können. Letztlich kommt es aber darauf an ein Spiel zu "erleben". Und der persönliche Spieleindruck ist selbstredend immer entscheidend, egal ob bei einem Buch oder einem Spiel. Und natürlich kann man ein Buch auch nach der Lektüre weniger Seiten beiseite legen, wenn es einen nicht "gepackt" hat :)
    Zur Jagd sei erwähnt, dass es auch das "Möglichst-hoch-Würfeln" gibt (Plündern/Überfall) und der Misserfolg derart abgemildert wurde, dass man zwar kein Glück hatte, aber eben auch kein Pech. Sowas finde ich in einem Strategiespiel wichtig. Da soll nicht der Würfel ein ganzes Spiel entscheiden. Ich persönlich spiele "Glücksspiele" eher nur mal so zwischendurch. Die haben für mich, überspitzt gesagt, den Charakter von Wirtshausspielen, wie: "Wer die nächste Sechs würfelt, zahlt die nächste Runde" ;)
    Was das Thema betrifft, ging es mir mehr um das Ambiente und die Stimmigkeit vieler Teilaspekte. Einen Kernmechanismus thematisch stimmig zu machen, ist mMn. nur selten möglich, soll er doch gleich einer eierlegenden Wollmilchsau, alles mögliche beinhalten. Ich finde es sehr intuitiv, mit einem Boot auf Walfang zu gehen und dabei ggf. Speere zu nutzen und als "Beute" Walfleisch, Haut & Knochen, sowie Tran/Öl zu erhalten. Ich kenne nicht viele Spiele, die so Elemente in der Fülle bieten. Zumal die Themen doch meist eher nachträglich aufgesetzt sind und nicht bei der Entwicklung weitestmöglich mit einflossen. Manche thematischen Aspekte erschließen sich einem eventuell auch erst mit der Lektüre des zwanzigseitigen Almanachs zum Spiel. Das kleine Nachschlagewerk zu allen Stichworten im Spiel erläutert den historischen Hintergrund und erwähnt viele vermutlich interessante Dinge, die einem zuvor eher nicht bekannt gewesen sein könnten. Es ist letztlich wie bei einer Stadtbesichtigung: Wer den geschichtlichen Hintergrund nicht kennt, sieht nur (langweilige) Steine bzw. Häuser. Um mal beim Walfangbeispiel zu bleiben, jagen die Bewohner der Insel Färöer (man kann die Insel im Spiel übrigens auch "entdecken" bzw. besiedeln) bis heute (Nar-) Wale in kleinen Booten in die Bucht (nordisch "Vik" => viking"= Reise zu einer (entfernteren) Bucht) - in Kettenreihe mit Seilen und daran befestigten Steinen, um sie dort mit einem Speer schnell zu erlegen. Alle machen ihre Kühltruhen voll und im Jahr darauf wiederholt man dieses "Fest": Ein Brauch, den man sicher nicht mögen muss, aber dessen Aufzeichnungen über 700 Jahre zurück reichen und der für die "Wikinger" bzw. deren Nachfahren bis heute eine Festtradition ist (grob vergleichbar unseren "Schlachtfesten"). Der Mechanismus des "Aufwertens" eines Warenplättchens spiegelt übrigens eine nachbarschaftliche Tauschtradition wieder, die in Deutschland noch bis in die Nachkriegszeit zwischen Bauernhöfen üblich war. Der Nordmann geht mit seinem überzähligen Obst zum Nachbarn und tauscht es gegen dessen überzähliges Walfleisch ein (oder fragt halt beim nächsten Nachbar weiter an). Märkte entwickelten sich in dieser dünn besiedelten Region erst sehr spät bzw. nur spärlich. Alle waren weitgehend auf Selbstversorgung eingerichtet. Auch Städte, gab es wenige, anfangs gar keine. Die nördliche "Handelsmetropole" Haithabu etwa hatte gerade mal so 1.000-2.000 Einwohner :P

    Ravn: "Was ich bei Odin nicht verstehe, warum der Spielplan so klein geraten ist und man seine Figuren auf die Aktionen setzt und damit diese verdeckt."
    Den Spielplan größer zu machen war auch mein Wunsch (hier tut sich bei der geplanten Erweiterung sicher was). Andererseits, je größer ein Plan, desto mehr Gesamtspielfläche ist nötig und die Box ist 25% größer (höher) als die von Arler Erde und es gab Gewichtsgrenzen. Auch das "Nachschauen" ist freilich als Anfänger suboptimal, legt sich jedoch nach wenigen Partien.
    Es wird ausdrücklich empfohlen das 7-Runden-Spiel zum Einstieg zu spielen. Man sollte die Kennlernhürde nicht ignorieren, auch wenn das bei Vielspielern gängige Praxis ist ;)
    Der verschäfte Version mit 6 Runden setzt schon gewisse Erfahrung voraus, allemal bei der Tiervermehrung, die zwei Runden benötig (Schwangerschaft+Geburt). In sieben Runden baut man deutlich mehr auf an Bonuseinkommen, Inseln, Gebäuden, Schiffen, Auswanderungen oder/und Tieren. Es ist wie Agricola und andere Spiele ein Optimierungsspiel. Sowas sollte man mögen, keine Frage :)
    Die Interaktion ist indirekter/subtiler, aber größer als man auf den ersten Blick denken mag. Hat man sich mit den Möglichekiten etwas vertrauter gemacht, die einem in einer ersten Partie durchaus erst mal überfordern können, stellt sich dann doch irgendwann ein Wettbewerb um Inseln, 2er Auswanderungsfeld, Walfang, Doppelaufwertung usw ein. Auch kann man eben Vorlagen geben bei den Bergstreifen bzw. die von anderen nutzen. Die strategischen und taktischen Möglichkeiten sind enorm. Nimmt man noch die 200 Ausbildungskarten, die es bereits im Grundspiel gibt, hinzu, hat man mMn. eine Spieltiefe, wie sie bisher noch keines von Uwes Spielen hatte. Besonders gelungen finde ich den Spannungsbogen bei Jagd und Plünderung und die geringe "downtime". Denn immer dann, wenn man nicht dran ist, überlegt man doch seine nächsten Optionen und kann bei der tetrisartigen Mini-Puzzelei immer noch eine kleine Optimierung finden, wenn man mag. Wer weder Patchwork noch Cottage Garden mag, wird an dem Spielelement sicher auch wenig Spaß haben. Das ist klar. In meinen Augen ist Odin ein toller Mix aus Agricola, Arler Erde, Patchwork (letztlich irgendwo allen bisherigen Spielen von Uwe) und vielen neuen kleinen ideen und das in stimmiger thematischer Atmosphäre.

    Am letzten Samstag beim ersten Spieletreff in Gernsheim in Südhessen (ab jetzt jeden letzten Samstag im Monat) spielte ich das Kartendeck-Spiel Aventuria. Es ist gut abgeschmeckt und jede Partie spannend, allemal bei 2 gegen 2. Wer Magic mag, wird auch dabei auf seine Kosten kommen, halt am Anfang mit konstruierten Decks. Ansonsten spielte ich noch Tichu und "Ein Fest für Odin" zu Viert. Da Schachspieler eine schnelle Auffassungsgabe haben, wurde ich da richtig herausgefordert, obwohl ich das Spiel als Testspieler bereits rauf und runter gespielt habe - und immer noch nicht genug davon bekommen :) Gestern im Solo Kombo aus Island und Baffin-Island in zwei Varianten getestet mit 150 und 158 Punkten.