Beiträge von MetalPirate im Thema „[Umfrage] Aufbau einer schriftlichen Rezension“

    @SpaceTrucker: Ich glaube, so weit sind wir da gar nicht auseinander (alle drei: Peter, du, ich). ;)


    Ich meine mit "objektiv" kein krampfhaft-relativierendes "könnte auch Gruppe XY gefallen", wie man es oft bei schlechten Rezensionen findet, die keinem weh tun wollen. Sondern eher, dass man als Rezensent z.B. das Spiel in seiner Gesamtheit zur Kenntnis nehmen sollte, anstatt es ausschließlich aus der persönlichen Sicht zu bewerten. Eine Rezension schreibt man nicht für sich, sondern für die Leser, und deshalb muss sie auch den Gesamtblick auf das Spiel enthalten. Trotz aller erlaubter und erwünschter persönlicher Färbung.


    Beispiel: Ich kann sagen, dass ich das Spiel überwiegend zu zweit gespielt habe (-> positiv, hilft beim Einordnen, insbesondere denen, die auch oft zu zweit spielen) und trotzdem darauf hinweisen, dass das Spiel auch bis 5 Spieler unterstützt (-> hilfreiche Information für alle Leser). Wenn ich dann noch Erfahrungen aus einer 4er- oder 5er-Partie von Spieletreff beisteuern und etwas zur Skalierung auf unterschiedliche Spielerzahlen schreiben kann, umso besser.


    Die Kunst beim Rezensionenschreiben besteht für mich auch in der Balance zwischen "eigener, gut begründeter, subjektiver Meinung" und "alle Leser können sich in der Rezension wiederfinden und einen persönlichen Nutzen herausziehen". Dafür muss man die eigene Meinung manchmal etwas zurücknehmen. BTW: Genau das macht aus meiner Sicht Rahdos Videos so beliebt: er ist sehr eingeschränkt (nur 2er-Spiele und schon das allerkleinste bisschen Aggression ist ihm zu viel), aber seine Videos sind auch interessant, wenn man diese Einschränkungen nicht teilt, weil er seine Meinung als eine (nämlich: SEINE) unter vielen möglichen gleichwertigen (!) Ansichten präsentiert. In diesem Sinne sollte ein Reviewer "objektiv" sein.

    Preview = englischer Begriff für einen Vorabbericht über einen noch nicht veröffentlichten Titel. Oft von zweifelhafter Objektivität, weil die Macher den Autor oder Verlag kennen bzw. von letzten oft sogar für das Preview bezahlt werden (bei bekannten "Youtubern").


    Review = englischer Begriff irgendwo zwischen Rezension und Besprechung, dabei mit etwas geringerem Qualitätsanspruch als die "Rezension" im deutschsprachigen Bereich. Im englischsprachigen Raum können Hobbyschreiber in Blogs und bezahlte Profi-Schreiber in Magazinen ihre Werke gleichermaßen "Review" nennen, ohne dass man beim Blogger viel Spielerfahrung erwarten würde oder etwa eine fehlende Einordnung des Spiels in den Kontext (ähnliche Spiele, frühere Werke des Autors, etc.) für einen Mangel halten könnte.

    @Njoltis:


    Test: Heißt eigentlich Messung und Bewertung bezüglich physikalisch messbarer Größen. Zum Beispiel eine Überprüfung, ob irgendwelche Normen eingehalten werden. Kommt eigentlich aus einer anderen Welt und ist für subjektive Geschmackseindrücke (wie bei der Bewertung von Spielen) nur bedingt brauchbar. Ein Test dient zum Finden von Fehlern, die vielfach vorher bekannt und daher in einem abzuarbeitenden Testprotokoll definiert sind. Im Brettspielbereich ist der Begriff am ehesten benutzbar für Prototypen, die gezielt z.B. daraufhin getestet werden, ob z.B. die Spielzeit nicht zu lang ist oder ein Mechanismus auch wirklich so funktioniert, wie der Autor sich das gedacht hat.


    Rezension: Kommt eigentlich aus der Kunstwelt (Theater, Bücher, etc.) und ist schon eher für Brettspiele anwendbar, weil es sowohl die Bewertung objektivierbarer, handwerklicher Dinge wie auch Geschmacksfragen umfasst. Allerdings stellt sich der Autor mit dem Begriff in die Tradtion einer rund 200 Jahre alten Literaturgattung, d.h. er muss sich daran messen lassen. Eine Rezension hat gehobenere Qualitätsansprüche. Von dem Autor erwartet man, dass er das fachliche Umfeld der besprochenen Sache kennt und die Sache selbst auch gründlich analysiert hat, so dass die Bewertung auch in den eigentlich subjektiven Fragen so neutral und objektiv wie möglich erfolgt. Für Brettspiele heißt das eigentlich zwingend: man muss es mehrfach gespielt haben. Rezension ist das, was man von bezahlten Schreibern, die damit ihr Geld verdienen, etwa in Spielemagazinen erwarten muss. Was natürlich im Umkehrschluss dann auch heißt: Rezension ist Arbeit, die bezahlt werden will. (Bei richtig miesen Spielen heißt Rezension dann eben auch, dass man sogar die kompletten Gurken viele Male spielen muss, und spätestens das macht der unbezahlte Hobbyschreiber in aller Regel nicht freiwillig.)


    Spielbericht: Bericht über ein einzelnen Spielerlebnis, ohne große Ansprüche, dass das Erlebte repräsentativ für das Spiel sein soll. Es ist eben ein Bericht zu einem Spiel, das dabei durchaus auch mal extrem gelaufen sein kann. Das weiß man als Leser. Ein solcher Spielbericht lässt sich auch schreiben ohne die Ansprüche, die etwa an eine Rezension gestellt werden müssen. Man muss das Spiel nicht zuvor schon x Mal gespielt haben und ähnliche Spiele oder frühere Werke des Autors muss man auch nicht kennen (auch wenn das sicher nicht schädlich ist). Für den aufgeschriebenen Text gilt sogar oft das Gegenteil: hier erwartet man sogar eine Fokussierung auf das eine durchgeführte Spiel; zuviel Abschweifung wäre im Bericht nur störend.


    Ersteindruck: Mit diesem Begriff macht der Autor selbst ganz offen deutlich, dass er die hohen Qualitätsansprüchen einer Rezension (= professionelle Bewertung) nicht erfüllen kann oder will. Der Begriff impliziert insbesondere, dass die Meinung zu dem Spiel nach weiteren durchgeführten Spielen sich noch ändern könnte. Das ist etwas, was sich ein Autor der Rezension kaum erlauben kann, ohne seine Arbeit im allgemeinen herunter zu werten, denn die Rezension hat den Anspruch, so objektiv wie möglich zu sein; ändert der Rezensent seine Meinung zu dem Spiel später, war die erste Rezension offensichtlich fehlerhaft. Die Masse der Blog-Artikel sind im Prinzip "Ersteindrücke", wobei sie dann doch mehr oder weniger nah an den Ansprüchen einer Rezension liegen. Manche Autoren nutzen auch Begriffe wie "Spieleindruck", wenn sie von dem "Erst-" weg wollen, ohne gleich eine "Rezension" schreiben zu wollen. So würde ich es wahrscheinlich machen, wenn ich bloggen würde.



    Das Ganze wird natürlich ein wenig noch durcheinander gewürfelt, wenn jemand für eine Suchmaschinenoptimierung (oder weitere sekundäre Kriterien) weitere Begriffe nutzt, die eigentlich nicht 100% passen zu dem, was er schreibt. Aber so wie oben beschrieben wären es eigentlich die "korrekten" Definitionen aus meiner Sicht.

    Dass Spieleautoren ihre Spiele "testen" scheint üblich und anerkannt zu sein.

    Ja, weil:

    Bei einem unfertigen Produkt will ich wissen, ob es funktioniert. Auf Herz und Nieren prüfen. An Stellschrauben drehen. Nochmal prüfen. Kurz: Testen.

    Prototyp = unfertiges Produkt. Muss getestet werden, denn dabei können (und sollen!) Fehler gefunden werden.


    Peters Definitionen sind sicher nicht die einzig mögliche Art, die Begriffe auseinander zu halten, aber in finde sie in sich völlig logisch und schlüssig.



    Zur Sache selbst: Wenn jemand "Test" über seine Rezension schreibt, kann der Inhalt trotzdem noch gut sein. Und wenn jemand Rezension drüber schreibt, dann kann der Inhalt trotzdem belangloses Gelaber enthalten. Aber: Meine Erfahrung zeigt, dass Qualität von Form und Inhalt in Texten dann doch sehr oft korrellieren. Wer in den Begrifflichkeiten schludrig ist, ist dies oft auch in inhaltlichen Dingen. Von daher ist es für mich schon ein -- wenn auch sicher nicht superwichtiges -- Qualitätskriterium, ob jemand "Test" oder "Rezension" oder "Spielbericht" oder "Ersteindruck" über seine Artikel drüber schreibt. Ein Autor sollte schon wissen, was er da schreibt, wenn er möchte, dass ich es lese bzw. seine Seite wieder aufsuche.

    Diese Frage ist doch einfach zu beantworten: Weil der Leser im allgemeinen dankbar dafür ist, wenn sich ein anderer die viele Arbeit bereits gemacht hat, die in der Informationsbeschaffung, der Bewertung der Quellen und der übersichtlichen Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse steckt.

    Ich denke, mit so einem Ansatz [gemeint: Fokus auf Strategie] könnte ein Blogger sich vom "Einheitsbrei" Deckelbeschreibung-Kurzanleitung-Material-Kurzfazit abheben.

    Ja. Aber machen wir mal ein Gedankenexperiment: Du hast in deiner Signatur ja eine Top-10-Liste mit richtig schönen, knackigen Strategiespielen drin. Jetzt stell dir mal vor, du solltest solche strategielastigen Besprechungen dieser 10 Spiele machen. Also 10 Artikel schreiben, aber nicht wie der 0/8/15-Blogger über irgendwelche Spiele, sondern sogar, damit's einfacher wird, über deine 10 Lieblingsspiele. Wieviele Tage oder Wochen meinst du, dass du dafür brauchen würdest, bis du dich voll und ganz mit dem Ergebnis identifizieren könntest?


    Eben. Genau deshalb gibt es so selten solche Artikel mit fundierten Strategiebesprechungen im Netz.


    (Die Westpark-Gamer hatten früher das phasenweise hingekriegt, und genauso kann man bei BGG manchmal sowas finden. Bei besonders populären Spielen ist die Chance sogar gar nicht so schlecht, dass ein Fan des Spiels bei BGG eine fundierte strategielastige Besprechung eingestellt hat. Gerade Spiele mit existierender freier Online-Umsetzung wie etwa Terra Mystica bieten da Potenzial zur stastischen Analyse von Strategien. Aber sowas macht man vielleicht einmalig für sein Lieblingsspiel und definitiv nicht für alle reinkommenden Sachen, so wie das von einem Blogger erwartet würde.)

    Würde das nicht Spannung aus dem Spiel nehmen, wenn ich dir verrate, dass man mit Karte XY und Aktion AB die meisten Siegpunkte einfährt?

    Die Spiele, für die es genau einen klar besten Weg gibt, interessieren mich nicht. Insofern wäre ich dir sogar eher dankbar, wenn du in einer Rezension eine solche eindeutige Lösung verraten würdest, weil das das Spiel sofort von meiner Interessant-Liste kegeln würde. (Absichtlich im Konjunktiv geschrieben, denn 99% der Leute, die in Foren behaupten, eine unschlagbare Strategie gefunden zu haben, erzählen bloß Blödsinn.)


    Bzw. in abgeschwächter Form: Wenn du mir in einem Review gut begründet darlegst, dass das Spiel zwar eigentlich vier verschiedene strategischeWege bietet, aber in 10+ Testrunden von dir immer Weg A gewonnen hat und du große Zweifel hast, dass Wege B, C oder D erfolgreich spielbar sind, dann bin ich dir genauso dankbar für den Hinweis, denn dann kriege ich Zweifel am Balancing und damit am Spiel selbst. Dasselbe gilt auch für asymmetrische Spielstarts: dass die schlecht balanciert sind, ist eine wertvolle Information! Nur: weil das auch wieder entsprechend schwer zu belegen ist und man begründete Zweifel haben muss, ob solche Behauptungen denn immer stimmen, sprengt das auch ganz schnell den Rahmen eines Reviews.



    BTW: Genau deshalb finde ich Variation im Aufbau bei Strategiespielen so wichtig, denn genau damit (und mit ganz viel Arbeit für das Balancing!) kann man Spiele entwickeln, bei denen je nach Aufbau mal der strategische Weg A, mal Weg B und mal Weg C am erfolgversprechendsten ist. Sprich: die eindeutig richtige Lösungsstrategie kann dann gar nicht unabhängig vom Aufbau existieren. Für mich ein großer Pluspunkt beim Spieledesign!

    2. Spielstrategien. Mit welchen Taktiken/Strategien hat der Rezensent, bzw. seine Spielgruppe, Erfahrungen gemacht. Was hat funktioniert, was nicht. Wie würden Strategien umgesetzt, wie viele Siegpunkte wurden erzielt. Sowas schreibt leider keiner weil es
    A - niemanden interessiert? Kann ich mir nicht vorstellen.
    B - das viel anstrengender ist als übers Material zu schreiben und die Spielregeln zu wiederholen. Man müsste das Spiel dann ja tatsächlich häufiger spielen. DAS glaube ich.

    C - weil der Rezensent sich dann sofort in endlosen und wenig einträgliche Diskussionen wieder findet, wenn Reaktionen kommen wie "Strategie X musst du doch ganz anders spielen!", "Soviele Punkte kann man doch gar nicht holen!", "Hast du überhaupt die Regeln richtig verstanden?", "Warum hast du nicht Strategie Y gespielt?!" und ähnliches, auf das man nun wirklich keine Lust ist, wenn man schon eigene unbezahlte Freizeit reinsteckt, um anderen einen Einblick in ein Spiel zu ermöglichen.



    Außerdem: Rezension ist Rezension und Strategieartikel ist Strategieartikel. Zwei Paar Schuhe. Für die Rezension reicht mir eine Aussage, ob das Spiel strategisch vielschichtig ist mit unterschiedlichen Wegen zum Gewinn oder eher eindimensional. Natürlich mit Begründung, aber längere Strategiediskussionen gehören in die Rezension nicht rein.


    Strategieartikel sind ein eigenes Format. Was es viel zu wenig im Netz gibt, da bin ich voll bei dir. Aber wie du richtigerweise sagst, ist das verdammt viel Arbeit. Nicht nur dass man das Spiel sehr, sehr oft spielen muss; man soll die Strategiesachen ja dann auch noch so hieb- und stichfest aufschreiben, so dass hundert selbsternannte Experten nichts mehr daran rütteln können. Das ist ein Haufen Arbeit für einen Gegenwert von ein paar Daumen-hoch-Klicks hier oder bei BGG, wenn man es denn auf Englisch macht. Wer tut sich sowas freiwillig an?

    Das interessiert mich jetzt aber. Kannst Du diese "jahrhundertealten" Grundstrukturen mal bitte nennen?

    Gerne. Siehe z.B. Rezension – Wikipedia und die weiterführenden Links, insbesondere zu Textkritik – Wikipedia und Literaturkritik – Wikipedia .



    Die Aufgabenstellung, <Produkt X> aus <Gruppe Y> so zu beschreiben und dabei zu werten, dass der Leser, der sich grundsätzlich für <Gruppe Y> interessiert, sich ein Bild machen kann, ob er/sie sich mit <Produkt X> näher beschäftigen soll, ist uralt. Dabei ist es im Prinzip völlig egal, ob X jetzt die neue örtliche Rigoletto-Inszensierung, das neue Buch von Dan Brown oder das neue Spiel von Stefan Feld ist (bzw Y dann Opernaufführung / Thriller / Spiele). Ein bisschen was ändert sich, wenn ich das Medium Text gegen das Medium Video austausche. Aber solange ich mich auf geschriebene Texte beziehe, ist es grundsätzlich nicht verkehrt, sich daran zu orientieren, was in früheren Zeiten gut bzw. weniger gut funktioniert hat. Die Menschen damals waren auch nicht grundsätzlich anders drauf als wir heute, vor allem nicht blöder.

    Erstmal: Eine Umfrage sollte die beiden zur Wahl gestellten Alternativen neutral gegenüberstellen und nicht mit "Schema F" eine negative Konnotation für eine Antwortmöglichkeit enthalten. Sonst wird's schnell manipulativ, erst recht, wenn keine Zwischentöne in Grau vorgesehen sind, sondern zur schwarz-weiß-Entscheidung aufgefordert wird.


    Trotzdem habe ich mit etwas Bauchschmerzen für "Schema F" gestimmt. Eher das als "völlig frei". Eine Rezension ist kein Freitext, sondern dient dem erklärten Ziel, dem Leser eine eigene (!) Bewertung des Spiels zu ermöglichen. Dass der Text wie jeder Text, den man freiwillig lesen soll, auch unterhaltsam geschrieben sein muss, versteht sich dabei von selbst. Dennoch ist das primäre Ziel die Vermittlung von Informationen, und dazu sollte man sich an gewisse Grundstrukturen halten, die sich seit Jahrhunderten für das Schreiben von Rezensionen bewährt haben. Innerhalb der festen Grundstrukturen hat man immer noch genug Freiheit, sich kreativ auszutoben; genügend gute Rezensenten machen es immer wieder vor.