Wow ! Was ine rege Diskussion - und das um diese Uhrzeit. Ich habe einen Krankenschein und eh nichts Besseres zu tun als online zu sein - was ist eure Ausrede?
Da zwar (fast) alles gesagt wurde aber noch nicht von allen (und ich eh gerade Langeweile habe), gebe ich auch mal meinen Senf dazu.
Die Regeln menschlichen Miteinanders sind ja nicht außer Kraft gesetzt, nur weil wir ein Spiel spielen. Jeder Mensch mit einem Funken Anstand im Leib weiß ganz genau, dass das dem Betroffenen keinen Spaß macht. Das Argument, dass das Spiel es eben erlaube, zieht da IMHO nicht. Wer auf den Schwächsten geht, weil ihm das nützt, der muss sich den Schuh schon anziehen, damit Anstandsregeln zu verletzen.
Wie andere schon gesagt haben, ist die Frage ob hier Anstandsregeln verletzt wurden. Wenn alle vorher vereinbart haben, nach bestimmten Regeln auf ein bestimmtes Ziel hinzuspielen, dann ist es mMn keine Verletzung der Anstandsregeln, wenn ich innerhalb dieser Regeln etwas tue, was mich dem Ziel näher bringt. (Im Gegensatz zu Mobbingsituationn im echten Leben, wo normalerweise nicht jeder vorher gefragt wurde, ob er mit den Regeln und dem Spielziel einverstanden ist.)
Wenn alle das gleiche Level haben und sich das dann kompensieren läßt, ist es ja okay. Fraglich ist, ob ein Spiel dieser Art so was überhaupt braucht? Warum nimmt man so was mit rein? Man warnt die Spieler davor, dass es passieren kann. "Spielt nicht so, dass euch das passiert!" Ja, dann lass den Käse doch gleich draußen, du Vollpfosten...
Weil es durchaus Spannung reinbringen kann. Wenn jeder weiß, dass er darauf achten muss, dann kann dass zu interessanten Abwägungen führen "Ich würde gerne Aktion X machen, aber damit vernachlässige ich meine Verteidigung, kann ich mir das erlauben oder sollte ich lieber Aktion Y machen um mich zu stärken, was mich aber dem Spielziel nicht näher bingt?"
An dem Punkt scheiden sich die Geister. Denn man könnte hier genauso gut argumentieren, dass gutes Spieldesign so etwas auffängt. Oder anders gefragt: Wie hoch ist der Spielreiz durch dieses Element, dass andere niederknüppelt? Wäre der Spielreiz des Spiels nicht höher, wenn man es gar nicht erst könnte und alle mehr Freude am Spiel haben?
Ganz hervorragendes Beispiel, wie ich finde. Danke, André. Vinci, oder das mir viel besser bekannte Small World sind hervorragende Beispiele für ein Spiel, wo man gegeneinander spielt, man schlecht spielen kann (und dann auch verliert), aber die gegeneinander getroffenen Entscheidungen rational verständlich sind und nicht dazu führen, dass man aus dem Spiel gekickt wird und trotzdem noch Spaß am Spiel hat. Sehr, sehr gutes Spieldesign, aus meiner Sicht!
Ich sehe hier einen Widerspruch zu dem voherigen Zitat: Small Worlds erlaubt es durchaus, den Spieler anzugreifen, der am wenigsten Siegpunkte hat, statt den der am meisten hat. Es begünstigt es sogar im Gegensatz zu Vinci, indem die Siegpunkte geheim gehalten werden, so dass ich - selbst wenn ich gerne den Führenden angreifen möchte - auch aus versehen auf den Schwächsten einschlagen kann.
Ebeno erlaubt mir das Spiel durchaus einen einzelnen Spieler herauszupicken und diesen verstärkt anzugreifen, auch wenn andere Züge für mich punkteträchtiger wären.
Ich habe da noch eine lebhafte Erinnerung an eine Partie Small Worlds. Ich bin am Anfang echt schlecht aus dem Quark gekommen - keine Ahnung, ob ich das Volk falsch eingeschätzt hatte oder einfach kein Besseres zur Auswahl stand. Also habe ich recht früh den Untergang erklärt, mir ein neues Volk gewählt und damit auch einen recht guten Einstieg hingelegt. Aufgrund des schwachen Startes schätze ich mal, dass ich trotzdem höchstens an Poition 4 von 5 Spielern war. Ein anderer Spieler hat es geschafft, alle davon zu überzeugen, dass ich führend bin (Ich weiß nicht, ob er das wirklich glaubte, weil mein letzter Zug viele Punkte brachte oder er nur bewusst von sich als Ziel ablenken wollte.) Das Ergebnis war, dass 3 meiner 4 Gegner gezielt auf mein neues Volk losgegangen sind und ich quasi sofort erneut den Niedergang erklären musste. Klar konnte ich mit dem neuen Volk wieder wieter spielen, aber es war klar, dass ich keinerlei Siegchancen mehr hatte, da ich sehr früh einen zweiten Zug vergeuden musste für einen Untergang. Wäre ich mir sicher gewesen, dass der Spieler, der gegen mich gehetzt hat, sich bewusst gewesen ist, dass ich keineswegs derjenige mit den meiten Siegpunkten war, dann hätte es auch passieren können, dass ich da einfach mal kindisch reagiert hätte und mich den Rest des Spiels auf ihn eingeschossen hätte.
Das Spiel erlaubt also genau solche Sahen alle - es gibt keinen Schutz für denjenigen mit den wnigsten Siegpunkten. Klar bekomme ich ein neues Volk und das ist natürlich besser als mich den Rest des Spiels mit 3 Männchen rumhampeln zu lassen, aber trotzdem kann ich gezielt aufs Korn genommen werden und sehr früh vom Spielsieg ausgeschlosen werden obwohl die agressiven Handlungen gegen mich wahrscheinlich nicht die optimalsten Züge meiner Gegner gewesen sind.
Du spielst schlecht und machst irrationale Züge. Die mich betreffen, weil du mich immer und immer wieder angreifst. Du spielst schlecht, das Spiel läßt diese Spielweise zu. Du verlierst, weil du schlecht gespielt hast, ich verliere, weil du mich immer wieder am Boden hältst.
Auch das kann die Schuld des Spiels sein. Weil es diese Spielweise erst erlaubt.
Man könnte auch argumentieren, dass ein Autor davon ausgehen darf, dass jeder der ein Spiel spielt, auch bemüht ist dieses zu gewinnen und deswegen nicht wiederholt Züge machen wird, die ihn offensichtlich nicht dem Ziel näherbringen. (OK, es gibt auch Spiele, die wohl designed werden mit dem Hintergedanken, dass sie spätabends mit einigen Bier dabei gespielt werden, wo es der Hälfte der Spieler egal ist, ob sie gewinnen, hauptsache sie können anderen eine reinwürgen.) Da kann es mal passieren, dass jemand nicht merkt, wie dumm sein Zug ist, aber ich darf doch davon ausgehen, dass das nicht wiederholt passiert. Warum sollt ich da eine Regel einfügen, die das ganze komplexer macht.
Nebenbei finde ich es auch sinnvoll, wenn es Regeln gibt, die es verhindern, dass ein schwacher Spieler zu sehr geschädigt wrd. So hätte man bei Im Wandel der Zeiten die Aggressionen und Kriege auch so gestalten können, dass die Effekte nicht fixe Zahlen sind oder ausschließlich vom Unterschied in der Miltärstärke abhängen, sondern auch von der Poition auf der Kulturleiste. Ein Spieler der führend in der Kultur ist aber sein Militär vernachlässigt hat, ist dann gerne Freiwild. Einen Spieler, der irgendwo den Anschluss verloren hat und in beiden Kategorien ganz unten ist, kann ich zwar angreifen, habe aber einen geringeren Nutzen davon und sollte mir so überlegen, ob nicht ein anderere Spieler ein lohnenderes, wenn auch schwierigeres Ziel ist.
Bei Mage Knight ist es, glaube ich - ich habe nie mit PvP gespielt - so, dass ich zwar jeden angreifen kann um ihn von einer guten Position zu verdrängen oder ihm ein Artefakt zu klauen, aber wenn ich einen Spieler angreife, der mehr Ruhm hat als ich, bekomme ich auch noch Ruhm für den Kampf. Ich habe also im Zweifel gute Gründe mich eher auf den stärkeren Gegner zu stürzen.