Spannendes Thema, das mehrere Ebenen streift.
Kommt schon, ihr wisst genau, dass ich dazu was schreiben muss
1. Abhängigkeit
Ich kenne keinen (ich buchstabiere K-E-I-N-E-N!) Verlag, der einem Rezensenten eine miese Rezension übel nimmt, sofern diese auf Basis eines korrekten Spielens und der korrekten Zielgruppe verfasst ist. Ich kenne aber einige Blogbetreiber und Rezensenten, die sich um "Nachschub" sorgen. Ob das in positive Bewertungen einfließt, müssen die Mädels und Jungs besser wissen. Ich rate allen nur, ohne Rücksicht kritisch zu sein. Sonst wird kein Rezensent auf Dauer ernst genommen.
2. Persönlicher Stil
Aus eigener Erfahrung, denn wir haben rund 40 Leute bei uns, weiß ich, dass es einige gibt, die weniger kritisch sein WOLLEN, und andere, die lieber draufhauen. Dieser Anteil hat sich aber meiner Empfindung nach nicht geändert. Es kann aber sein, dass durch viele neue Blogs mehr Leute mit dem Harmonietrieb dabei sind. Etwas, was der Arbeit eines Rezensenten abträglich ist, wie ich finde.
3. Unterhaltung statt Journalismus
Ja. Das müssen wir an dieser Stelle nicht ausdiskutieren. Aber Fanboy-Gehabe widerspricht grundsätzlich einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Produkt als solchem. Da hatte die Fairplay schon recht. Neulich mit dem doppelten Rundumschlag. Wer unterhalten will, kann das machen und muss nun wahrlich nicht alles abfeiern. Solche Leute haben aber schnell die Tendenz, lustig, witzig alles hochzujubeln ("Ui, guck mal, das ist so schön, und das hat mir gefallen und hier und da, Mensch, wir müssen spielen! SPIELEN!"). In solchen Formaten wären Verrisse gut aufgehoben, aber schon Kritik ist meistens in der Sache wenig unterhaltsam. Ein unterhaltsamer Verrisses ist wesentlich schwieriger als ein Lob. Ich für meinen Teil wünsche mir einen deutlich kritischeren Umgang mit Spielen und deutlich mehr Abstand zum Produkt und seine Machern.
4. Szenesuppe
Holy Petrus, right! Gefühlt hat doch inzwischen jeder auch nur halbwegs zur Szene gehörende Mensch einen Blog. Einige schreiben sogar mit starker Nähe zu bestimmten Verlagen (etwas, was wir bewusst zu unterbinden versuchen, denn auch wir haben persönliche Beziehungen zu dem einen oder anderen in der Szene. Diese Beziehung durchtrennen wir möglichst durch Vergabe der Spiele an andere Personen). Er mag es mir nicht übel nehmen, aber wenn ein sehr netter Kollege von uns Spiele seines alten Arbeitgebers rezensiert ... Finde ich schwierig. Und das war nicht auf den Inhalt bezogen und nur ein sehr sichtbares Beispiel des Szenegesuppes.
5. Qualität
Eins muss man dann dennoch sagen. In Bezug auf die jeweilige Zielgruppe machen Autoren, Illustratoren und Verlger einen verdammt guten Job. Es gibt nur wenige Ausnahmen, die nach unten abfallen. Das heißt: Die Qualität der Veröffentlichungen ist in der Masse (und zwar jedes jahr etwas mehr) auf einem extrem hohen Level. Daher geht es dann tatsächlich nicht selten eher um Geschmacksfragen.
6. Paid Reviews
Ich bin dieses Jahr von wenigstens drei Social-Media-Agenturen angesprochen worden, ob wir Spiel X, Y oder Z rezensieren möchten. Der Clou: Die haben gefragt, was das dann kostet. Nun verdienen wir unser Geld definitiv NICHT mit Rezensionen, sondern mit dem Drumherum. Anzeigen aus der Szene, Google, Amazon - so etwas halt. Man kann mit mir über alles reden, aber nicht über gekaufte Kritiken. Also lehne ich ab. Und kurz danach sehe ich mehrere Rezensionen zu diesen Spielen auf Blogs, die sehr positiv waren. Kann Zufall sein, weil wir die Spiele ja auch rezensiert haben. Kann aber auch eine Folge sein. Schwarze Schafe sind offenbar in erster Linie bei Blogs und Videoblogs zu suchen. Für alle Interessierten: Vergesst es. ich werde keinen einzigen von euch auch nur annähernd einen Hinweis zu den Webseiten geben. Aber bezahlte Rezensionen sind inzwischen aus meiner Sicht auch bei uns in der Szene angekommen. Ich sehe das mit Bestürzung, zumal die Verlage die Rezi-Exemplare bei Blogger A einsparen, die dann von der meist nicht besonders szenefachkundigen Agentur doch an eben diesen Blogger A gegeben werden, der dann auch noch anders als alle anderen Rezensenten Kohle für die Veröffentlichung bekommt. Alles klar?
7. Vorfreude
Und dann noch etwas. Viele Bewertungen basieren auf Vorfreude. Bogger A hat mal mit Autor B oder Verleger C eine Partie von Spiel D angespielt. Zack: "Das Siel macht einen guten Eindruck!", heißt es von dort dann. Das zieht Kreise, ohne aber auf einem ernsthaften "Spieletest" über mehrere Partien zu beruhen. Am Ende sind viele Spiele dann eben doch nicht ganz soooooo top. Aber eben gut. Hinzu kommen Interviews, wie wir sie machen, die natürlich die Vorfreude ebenfalls schüren. So saugen alle die positive Grundstimmung auf. Bis dann Verrisse kommen, vergeht eine Zeit. So richtig nimmt die keiner mehr wahr.
Ich weise bei der Gelegenheit mal darauf hin, dass unsere aktuellen Rezensionen sehr durchwachsene Wertungen bekommen. Auch Verrisse sind dabei. Wir haben natürlich 40 verschiedene Stile und eine tendenziell andere Zielgruppe und bewerten zum Beispiel auch ein Trivial Pursuit 2000er Edition mit gut, weil es besser als die alten ist. Usw. Aber ich weise eine zu positive Berichterstattung von uns
Aber das Gefühl eines verstärkten Abfeierns kann ich nachvollziehen.
Alles nur mein Empfinden mit ein paar Fakten angereichert. Darf jeder anders sehen.