Letzte Woche konnte ich mal Lorenzo il Magnifico spielen. Das Spiel wurde ja vielfach, auch hier, sehr hoch gelobt. Ich war gespannt, denn bei der Regellektüre vor Essen erschien es mir wie ein recht gewöhnliches Optimierspiel der Sorte "Tausche Ressourcen untereinander und dann letztendlich gegen Siegpunkt", das mir keine 50 EUR wert war, erst recht nicht bei Autoren und einem Verlag, wo die Spielequalität recht unterschiedlich ausfallen kann.
Wir waren zu dritt. Die beiden anderen kannten das Spiel schon. Ich brauchte eine komplette Erklärung; vom Vor-Essen-Regellesen war kaum mehr etwas übrig. Wenn ich ein Spiel neu kennenlerne, schieße ich mich gerne auf einen Bereich ein und blende andere Bereich komplett aus. Bot sich hier auch an: ich beschloss, die ersten beiden Inquisitionswertung komplett zu ignorieren ("Ich bin Protestant, ich schei*e auf den Vatikan!") und mich auf gelbe Karten (Produktionsgebäude) zu fokussieren.
Vom Himmel gefallen ist das freilich nicht. Bei den Leader-Karten, die am Anfang verdraftet werden, war eine Karte dabei, die einige ausgespielte gelbe Karten verlangt hat, um dann die 3 Geld Strafe für das Einsetzen in besetzte Türme zu sparen. Erste Exkommunikationsstrafe war reduzierte Geldauszahlung, zweite Strafe war Verbot des Einsetzens auf die Felder "5 Geld" und "5 Helfer", und meine Idee war, diese Strafen bewusst auf mich zu nehmen, wenn dafür die 3 Einsetzkosten perspektivisch wegfallen würden. Außerdem lag der Steinmetz in der Startauslage, der gelbe Karten um 1 Ressource billiger macht. Den wollte ich haben, und als zweiter in der Spielerreihenfolge war die Chance dazu nicht schlecht. Außerdem hatte ich noch eine zweite Leader-Karte mit gelb-Karten-Bedingung bei den vier Startkarten und eventuell würde ich die beim Drafting mit drei Spielern am Ende sogar wiederkriegen.
Jo, hat funktioniert. Die Karte kam wieder zu mir, und zwischendrin in Runde 2/3 konnte ich nochmal eine Karte mit gelb-Bedingung sicherstellen. Die war zwar nicht wirklich sinnvoll für mich, aber ich wollte sie wegdraften, damit kein anderer auf die Idee kommen sollte, auf gelbe Karten zu spielen.
Tja. Auch das hat funktioniert. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert. Ich habe im Laufe der sechs Runden dann ziemlich alleine auf gelb gespielt und mir dabei eine schöne Produktionsmaschine zusammen gebaut, die Geld in Ressourcen und Ressourcen in Geld transformiert hat und bei jeder Aktivierung dabei Siegpunkte rausgeworfen hat. Dank der zwei Umwandlungskurse auf jeder Karte ist man da sehr flexibel. Auf Sparflamme betrieben war die Maschine selbstversorgend und mit Volllast und Fütterung durch ein paar wenige zusätzliche Ressourcen sprangen am Ende bei jeder Aktivierung volle 19 Siegpunkte heraus.
In Spielrunde 5 und 6 konnte ich die Maschine jeweils zweimal aktivieren, und so habe ich in meiner Erstpartie auf Anhieb 127 Punkte geholt. Mit weitem Vorsprung gewonnen. Die beiden Kenner des Spiels konnten kaum glauben, dass soviele Punkte erreichbar waren.
Aber trotz dieses positiven Ergebnisses ist mein Eindruck von dem Spiel gemischt. Das Ganze ist leider weitgehend interaktionsfrei. Ich habe die ganze Zeit mein Spiel gespielt ohne dass mir die anderen beiden Mitspieler groß dazwischen funken konnten. Hätten sie z.B. die gelben Karten aktiviert (es gibt nur ein "gutes" Aktivierungsfeld), dann hätten sie sich selbst dabei sehr geschadet, denn kein Mitspieler hatte mehr als eine gelbe Karte gebaut (ich hatte in der vierten Runde schon meine sechs gelben zusammen).
Ich würde sogar sagen, dass durch das Drafting am Anfang alle Spieler ganz bewusst auf unterschiedliche strategische Wege gezwängt werden, so dass sie sich nachher nicht viel stören. Das nimmt noch Interaktion weg. Konkurrenz um die gleichen Ressourcen ist ja das, was viele Eurospiele ausmacht, und davon hat Lorenzo sehr wenig. Mir ist Lorenzo il Magnifico damit ein gutes Stück zu interaktionsarm. Das teilt das Spiel mit vielen anderen Eurospielen, das scheint auch leider ein Trend des Jahres 2016 zu sein, aber das macht es nicht besser.
Positive Sachen gibt's auch. Es spielt sich recht flott, das "Würfelergebnisse zählen für alle" bringt interessante taktische Zwänge, Grafik und Ikonografie (-> Klemens Franz) sind gut. Kein solcher Symbol-Overkill wie bei Grand Austria Hotel. Lorenzo ist da deutlich schlanker. Es fühlt sich auch nicht so stark nach Würfelchengeschubse und Ressourcenkonvertiererei an wie vieles andere in dem Genre, vielleicht auch weil die Ressourcen so unterschiedlich sind, von Holz/Stein als Baumaterial über die Helfer zum Aufwerten der Würfel und die Militärstärke (ganz unterschiedlicher Nutzen) bis zu den Glaubenspunkten, die die Strafen verhindern, dafür aber dann für Siegpunkte ausgegeben werden müssen.
In der Summe finde ich Lorenzo schon reizvoll, aber in dem Jahrgang gibt es mindestens ein halbes Dutzend besserer Spiele. Ich bin froh, dafür keine 50 EUR ausgegeben zu haben. Wenn das Spiel über den Heidelberger Spieleverlag auf Deutsch erscheint und für einen guten Preis zu haben ist, dann könnte ich mir schon vorstellen, es zu kaufen, aber von "must have" ist der Lorenzo ein gutes Stück entfernt. Dafür ist es mir zu wenig originell und auch deutlich zu interaktionsarm.
#LorenzoIlMagnifico