Beiträge von ravn im Thema „Erklärkunst .... Von Bergen und Propheten“

    Auf Mitspieler, die bei der Regelerklärung lieber auf ihr Smartphone glotzen anstatt zuzuhören, nehme ich keine Rücksicht. Gewöhnlich sind das aber dann auch die Mitspieler, die nur die Hälfte mitbekommen haben und sich dann wundern, dass das Spiel an denen vorbeiläuft. Passiert aber eh nur ganz selten bei halb-öffentlichen Spieletreffs, wo einzelne Mitspieler mit ganz anderen Erwartungshaltungen mitspielen bzw. einfach nur mit dabei sind und eigentlich gar nicht spielen wollen fernab der Smartphone-Tipperei. Zum Glück erkennt man solche Spezies schon vorab recht einfach und schliesst sich dann lieber einer anderen Runde an, die wirklich spielen will.

    Bei Terra Mystica gehört es für mich dazu, mit einem mir unbekannten Volk, deren Vorteile und Fallstricke selbst herauszufinden. Klar kann man damit dann auch mal eine Partie total in den Sand setzten. Selbst schon passiert mit den Riesen oder so. Aber lieber so, als dass mir jemand vorab verrät, wie ich den bitteschön das uns jenes Volk optimal zu spielen habe - auch wenn es gut gemeint ist. Das möchte ich selbst herausfinden. Anfängern empfehle ich hingegen, bei Anfänger-Völkern zu bleiben, mit denen man wenig falsch machen kann. Tipps gibt es aber nur bei absolut verzweifelter Überforderung.


    Ist genauso blöd, wenn einem ein Mitspieler einen ganz tollen Spielzug empfiehlt. Fühlt sich für mich dann doof an, wen ich diesen machen würde. Ebenso hat er mir die Chance genommen, selbst diesen Zug zu sehen. Mag ich nicht, denn ich möchte meine Partie selbst spielen und nur beraten werden, wenn ich selbst danach frage - aus Regeldetail-Unsicherheit, ob ich dies und jenes regelkonform machen darf. Wie seht Ihr das, mit durch Mitspieler begleiteten Partien, die sich selbst nicht ausgelastet genug fühlen und kurzerhand die Denkarbeit für Andere übernehmen wollen? Da geht mir die Regelerklärung dann zu weit.

    Der Schlüssel zum Sieg ist das Timing, d.h. du musst zusehen, dass du die Rolle dann nimmst, wenn sie dir mehr bringt als deinen Mitspielern.

    Klar. Hatte ich früher auch immer so gespielt.


    Dann habe ich Puerto Rico in Turnierspieler-Runden in seiner extremsten Form neu kennengelernt: Keine Rolle nehmen, wenn die auch den Mitspielern nützt. Wähle eben nicht die Rolle, die Dir am meisten nützt (was der positive Ansatz wäre), sondern aussschliesslich die Rolle, die den Mitspielern am wenigsten nützt (was dann der pervertierte Ansatz ist). Im Zweifel eher den Goldgräber, bevor ich nur die geringste Gefahr laufe, irgendjemanden zu helfen, selbst wenn ich auch dabei profitieren würde. Wer diese Strategie am Extremsten spielen kann, verschafft sich so einen Vorteil. So richtig Spass macht mir dann Puerto Rico allerdings nicht mehr, eben weil es diesen negativen Ansatz hat, der mir den Spielspass verleidet.

    Puerto Rico halte ich eh für einen Sonderfall: Man kann es ingesamt konstruktiv spielen und seinen Spass haben, wenn es alle so halten. Oder man spielt es destruktiv nach dem Motto "ich mache nix, was auch nur irgendjemand anderen was nutzen kann" und gewinnt gegen konstruktive Mitspieler, wenn man direkt hinter denen sitzt. Wenn alle dann destruktiv spielen, hat es wieder seinen (leider pervertierten) Reiz.


    Eben das Grundproblem, wenn Spiele durch Setzung in (für andere) wichtigen Turniere in all ihren Details (von anderen) zerdacht werden, das dann zum Allgemeingut wird und am Ende fast nur noch Perversionen ihrer selbst übrig bleiben, weil der Spielspass durch gescriptete Logik verdrängt wurde. Ist mit Sankt Petersburg leider genau das selbe. Deshalb macht Puerto Rico wie Sankt Petersburg (für mich) in gemischt erfahrenen Runden keinen Sinn und nur wenig Spass.

    Jeweils mit eigenen Worten, nachdem ich für mich vorab und fernab der Erklärung erfasst habe, was wirklich wichtig ist:


    - Thema: "Wir sind ... und befinden uns ... "
    - Siegbedingungen: "Wer die meisten ..."
    - Grober Spielablauf in Phasen: "Wir spielen x Runden und jede Runde hat y Phasen ..."
    - Phasenablauf und dabei das Material einbeziehen


    Loslegen und dann feststellen, dass ich noch diese eine Regel nachschieben muss - Columbo-Style eben.


    Im Spielaufbau die Mitspieler einbeziehen, also Karten mischen lasssen, Counter sortieren und denen sonst welche Beschäftigung geben, dann klappt es auch mit der Fokussierung aufs Spiel besser. Die allererste Regelerklärung ist meist noch etwas holpriger und ausschweifender. Das wird aber nach der ersten eigenen Mehrspielerpartie besser, weil ich dann besser weiss, welche Regeldetails wirklich relevant sind. Anleitungen vorlesen oder vorgelesen zu bekommen, empfinde ich als Verschwendung der gemeinsamen Spielzeit - höchstens bei absolut einfachsten Neuheiten durchgezogen. Wenn eine Neuheit niemand erklären kann, dann lieber etwas anderes spielen.