Beiträge von Countrysidepop im Thema „Problematische Themen in Spielen“

    Was sind denn für euch problematische Themen in Spielen. Wo zieht ihr die Linie?

    Es gibt keine problematische Themen in Spielen. Es gibt nur Kontexte, d.h. WIE Themen in Spielen verhandelt werden. Der Rest ist Moral und Moral ist grundsätzlich eine gesellschaftliche Diktion, innerhalb derer man schon verloren hat. Als Option zur Moral, die Menschen in Gefangenschaft hält, halte ich mich an die natürliche Ethik, die jedem Menschen innewohnt. Humanismus braucht keine Moral. Am Beginn der von Dir angesprochenen "Linie" kann man auch gut den Beginn der eigenen Moral ablesen. Spätestens an dieser Stelle sollte die rote Warnlampe angehen.


    Zurück zum Brettspiel am Beispiel von MANHATTAN PROJECT: MP verarbeitet thematisch den Bau von Atombomben in einem ästhetisch grandios verklärenden und scheinbar verharmlosendem Artwork. Das mag auf den ersten moralischen Blick bedenklich sein, wird aber durch das Spiel selbst ironisch gebrochen. Humor ist ein sehr gutes Stilmittel der Angst und der Gewalt etwas entgegenzusetzen. Es ist mutig und großartig Atombombenbau in einem Brettspiel zu verarbeiten, indem es den Wahnsinn auf die Schippe nimmt. Ich betrachte MP daher als politisches Augenzwinkern gegenüber dem Irrsinn mit dem Lachen eines Kindes.


    Kriegsszenarien nachzuspielen wird umso unproblematischer, je weiter das tatsächliche Ereignis in der Geschichte zurückliegt. Daran kann man sehen, dass Moral nur ein Zeitschieber ist, der sich ständig in die Gegenwart verlagert. Ich persönlich habe z.B. mit Wargames nichts am Hut, aber das liegt nur meinem persönlichen Geschmack und nicht an meiner moralischen Bewertung. Sollen die Leute Krieg spielen, habe ich als Kind auch gemacht. Besser am Brett als im Leben.


    Kontext betrifft aber nicht nur die Motivation ein Thema im Spiel zu verwursten, sondern auch den Spieler selbst: der Spielertyp, der sich in MP am Bau von Atombomben aufgeilt oder MEMOIR 44 ohne jegliche Brechung spielt und das Sujet nicht selbst humorvoll durchsetzt, ist ein genauso gefährlicher Moralist und reaktionärer Falke. Darum zählt für mich nie die Sache an sich, sondern stets der Kontext unter Berücksichtigung eben von Ethik, die den Menschen und das Menschliche und die Wertschätzung von Leben jeder Art über jede Moral, Ideologie und von Menschen erdachten Stuss im Hirn setzt.


    Wie sich die Lächerlichkeit von Moral selbst entlarvt, zeigen einige bigotte Statements im Vorfeld von MOMBASA, die tatsächlich meinen den Kolonialismus thematisch anprangern zu müssen. Hier hat der Verlag sehr beschwichtigend und diplomatisch reagiert, was ich als Zugeständnis an die Moral empfand. Mehr Selbstbewusstsein als Provokation hätte ich besser gefunden, denn nichts liegt MOMBASA ferner als kolonialistische Ausbeutung in Afrika zu verherrlichen.