Beiträge von FBI im Thema „[Filmtipp] Wirklich gute Horrorfilme und welche man links liegen lassen sollte.“

    So, mit etwas Verzögerung (auf dem PC schreibt es sich dann doch angenehmer) ein paar Worte zu Hereditary. Ja, er hat mir gefallen, ich würde ihn mir noch einmal anschauen. Nein, er ist weder perfekt, noch hat er das aktuelle extreme Kritikerlob in diesem Maße verdient, meiner Meinung nach.


    Wer Angst vor Spoilern hat, sollte jetzt aufhören zu lesen. Ich werde zwar nicht ins Detail gehen, aber jeder zieht ja seine Grenzen anders. Außerdem hebe ich gerne die negativen Punkte stärker hervor - das nur zur Einordnung.


    Toll ist die Atmosphäre in den ersten zwei Dritteln. Kleinigkeiten machen den Film unheimlich, es gibt zumindest einen unerwarteten, heftigen Twist. Ganz wenige Jump Scares, und diese ohne schrille Soundeffekte, was für mich immer ein großer Pluspunkt ist. Die Schauspieler sind passend bis super. Toni Collette als Mutter spielt grandios, in einer gerechten Welt gibt's dafür eine Oscar-Nominierung (allein schon für die Szene beim Abendessen). Das geht alles mehr in Richtung Familiendrama statt Horror, vergleichbar mit The Conjuring, allerdings etwas "steriler".


    Weniger gut ist die eigentliche Horrorgeschichte, das übernatürliche Element. Das merkt man allerdings erst so richtig nach dem Film. Die Handlung ist leider sehr linear. Andeutungen werden gestreut, wo ich zwischendurch dachte, dass es so ja nicht kommen KANN, weil es einfach zu sehr "in your face" war. Doch, kam es. Ist zum Teil auch ein Problem der deutschen Fassung, da hier z.B. Zeitungsausschnitte als Untertitel übersetzt wurden. Dadurch wurde man mit der Nase darauf gestoßen, dass etwas wichtig ist. Nicht schön. In dem Zusammenhang ist auch die Synchro zu nennen. Souverän in den Dialogen, aber an der Grenze zur Lächerlichkeit, wenn die Darsteller hysterisch wurden oder minutenlang weinten. Eine undankbare Aufgabe für die Sprecher. Die Originalfassung wäre hier zu bevorzugen, falls sie zur Verfügung steht.


    Autor/Regisseur Avi Aster arbeitet mit teils sehr langen Einstellungen. Das ist häufig effektiv, aber manchmal wirkt es, als hätte er die Kamera einfach mal mitlaufen lassen, um zu gucken, was die Schauspieler anstellen. So wie M. Night Shyamalan in seinen schlechteren Werken. Und maßlos wie Tarantino, der tolle Szenen inszeniert, aber häufig das Gesamtbild aus den Augen verliert. Gleichzeitig scheinen ganze Szenen, die der Charakterzeichnung und Story-Entwicklung dienlich gewesen wären, zu fehlen. Laut Aster war seine ursprüngliche Fassung rund drei Stunden lang; die würde ich gerne sehen, ich wette, der Film wäre noch wesentlich besser.


    Tja, das Ende... keine Ahnung, was Aster und seine Produzenten da geraucht haben. Vielleicht kam auch sein böser Zwillingsbruder um die Ecke, um die letzte Viertelstunde zu übernehmen. Ich kann jeden verstehen, der das lächerlich findet, mir hat's trotzdem (irgendwie) gefallen, und ich fand es immer noch einigermaßen schlüssig. Falls den jemand kennt:

    ging von der Atmosphäre her in eine ähnliche Richtung - krude, aber unterhaltsam.


    Von mir also eine Empfehlung für einen etwas anspruchsvolleren Gruselfilm, mit dem Risiko, dass das Ende einen unbefriedigt zurücklässt. Es ist auf jeden Fall nachvollziehbar, wieso die Kritiker den Streifen abfeiern, während das Mainstream-Publikum ihn eher ausbuht...


    Als Kontrastprogramm gab's danach noch Wahrheit oder Pflicht. Hat mir besser gefallen als erwartet, ließ sich gut weggucken. Halt eine Quasi-Neuauflage von Final Destination, allerdings ohne dessen gelungenen mythologischen Unterbau und insgesamt natürlich dumm wie Brot. Kein Film, den man zwingend im Kino (oder überhaupt) gesehen haben müsste, aber ein ganz netter, sinnloser Zeitvertreib.

    Ich fände es schade, wenn er die überragende Prämisse einfach nur im Sande verlaufen ließe und aufgrund von zu vielen billigen Schockeffekten insgesamt verschwenden würde.

    Genau das passiert meines Erachtens. Leider. Die erste Hälfte funktioniert ziemlich gut, danach kommen einige unnötige Jump Scares, begleitet von vollkommen unpassender Geräusch-/Musikbegleitung. Überhaupt wird ein Großteil des Films durch den Soundtrack zugekleistert, den er so gar nicht nötig hätte. Da hat die Filmemacher wohl leider auf halber Strecke der Mut verlassen, die interessante Prämisse komplett durchzuziehen und quasi nur mit Geräuschen zu arbeiten.


    Die Familiengeschichte ist mir auch zu "billig", die darin enthaltenen Aussagen zu aufdringlich. Dass man den Film vom logischen Standpunkt kaum ernst nehmen kann - Schwamm drüber. Allerdings ist es schon komisch, wenn gewisse Geräusche verhindert werden sollen, während andere, ähnlich laute, keine Konsequenzen haben. Da hat die streckenweise Detailverliebtheit durchaus ihre Kehrseite.


    Die letzten 10 Minuten haben dem Plot dann komplett den Rest gegeben. Wenn jemand

    gesehen hat - daran fühlte ich mich erinnert.


    Insgesamt eine vertane Chance. Aber anderen mag er besser gefallen, die Kritiken sind ja auch sehr gut. Ich persönlich kann nur ein Übermaß an Jump Scares, verbunden mit lauten Geräuschen, nicht leiden. Besonders, wenn es hier elegant anders lösbar gewesen wäre.

    @Syrophir


    Ja, Get Out war prima. Hatte während des gesamten Films ein fettes Grinsen im Gesicht. Das Ende war etwas zu sehr over the top, aber sei's drum...


    Dann habe ich neulich noch Wish Upon geschaut. Ist quasi Final Destination abzüglich Spannung, Splatter und Humor. Hintergründe werden angerissen, aber nicht weiter verfolgt. Krude Mythologie, die vorn und hinten keinen Sinn ergibt. Und die Hauptfigur ist so dermaßen hohl geschrieben, dass es fast schon wieder Spaß macht. Ich nehme mal wohlwollend an, der Film sollte ursprünglich wesentlich länger sein, wurde dann aber vom Studio gnadenlos gekürzt, ansonsten ist das echt ein Armutszeugnis für alle Beteiligten. Wir raten ab.

    Mittlerweile auch Conjuring 2 gesichtet. Wer den ersten Teil mochte, wird den hier auch mögen, auch wenn er nicht ganz an das Original heran kommt. Das lag aber hauptsächlich an der sagenhaften Leistung von Lili Taylor; hier spielen alle gut, aber niemand ragt heraus. Jedenfalls weiterhin schön gruselig, ohne allzu oft auf plumpe Schockeffekte zu setzen.


    Lights Out war okay, aber nichts, was ich auf der großen Leinwand erwartet hätte, sondern eher ein Kandidat für die Heimkinoauswertung. Die Mythologie des "Monsters" wird leider nur unzureichend dargelegt - bei gerade mal 80 Minuten Laufzeit hätte etwas mehr Fleisch am Knochen nicht geschadet. Mit etwas Feinschliff bei Regie und Drehbuch hätte was richtig Gutes daraus werden können (ebenso wie damals bei It Follows). Kann man gucken, ist aber kein großer Verlust, wenn man ihn verpasst.


    Außerdem musste ich wieder feststellen, dass man Horrorfilme kaum im Kino anschauen kann. Bei Conjuring hatte ich ein paar der Sorte "Ganz Harte Jungs" (TM) mit ihren Freundinnen dabei, die zwanzig Minuten nach Beginn reinpolterten und den halben Film über quasselten/lachten. Bei Lights Out waren es dann zum Ausgleich drei pubertierende Mädchen, die auch ständig gelabert haben (wenn sie nicht gerade kreischten). Leute, wenn ihr keine Horrorfilme gucken bzw. vertragen könnt - bleibt bitte zuhause! Das spart euch Zeit und Geld und allen Zuschauern Nerven!Vielleicht bin ich ja auch nur vom Fantasy Filmfest andere Kundschaft gewöhnt, aber das fällt dieses Jahr für mich leider flach... :(

    Ich teile mal in Kategorien auf (die fetten sind meine persönlichen Favoriten)... 8))


    GEISTER/SPUKHAUS etc:


    - The Conjuring: erfüllt alle Kriterien an einen guten Grusler, dazu tolle Schauspieler
    - The Others: Ich kannte den Twist auch schon vorher, trotzdem ein wunderbarer Film, schaue ich mir immer wieder an
    - The Awakening: zwar kein Irrenhaus, aber leere Schulgebäude funktionieren auch
    - Das verborgene Gesicht: eher Richtung Psycho-Thriller, spanischer Film
    - Lake Mungo: Im Stile einer Doku aufgezogen; phänomenale Wirkung, wenn man sich darauf einlässt
    - Pontypool: Zombie-Film (fast) ohne Zombies, funktioniert nur über Dialoge und Vorstellungskraft
    - The Cold Hour: spanischer Endzeit-Grusler, bei dem man bis zum Ende im Dunklen tappt


    SLASHER/SPLATTER/FUNSPLATTER (die Grenzen sind halt fließend):


    - Let Us Prey: ein Fremder auf einer schottischen Polizeiwache sorgt für Unruhe
    - 13 Eerie: angehende FBI-Profiler gegen Zombies
    - The Descent: Höhlenklettereien, sehr atmosphärisch und beängstigend
    - Cold Prey: Killer in einsamer Berghütte
    - Behind the Mask: wieder im Doku-Stil, nimmt alle Slasher-/Serienkiller-Klischees aufs Korn
    - The Midnight Meat Train: Serienkiller in U-Bahn; nach der Kuirzgeschichte von Clive Barker
    - Turbo Kid: grandioser Spaß!
    - Cockneys vs Zombies: Bewohner eines Altenheims müssen sich gegen Zombies zur Wehr setzen
    - Stitches: Clown stirbt auf einem Kindergeburtstag und nimmt Jahre später Rache; sehr abgedreht
    - Wasting Away: Zombie-Film aus Sicht der Zombies
    - Dance of the Dead: Teenie-Horror-Comedy
    - Botched: bei einem Einbruch geht schief, was nur schief gehen kann; sehr splattrig
    - End of the Line: Sektenmitglieder beginnen zu meucheln, da der Weltuntergang bevorsteht
    - Fido: Zombies als wertvolle Mitglieder der Gesellschaft
    - Frostbite: schwedischer Vampirfilm, teils Horror, teils Comedy
    - Hatchet: Serienkiller im Sumpf; abgedreht aber brutal
    - Severance: Betriebsausflug endet im Blutbad


    Die von @Helmut R. erwähnten Klassiker sind natürlich auch immer einen Blick wert. "It Follows" konnte mich nicht überzeugen, hatte aber ein paar sehr wirkungsvolle Szenen.


    Und wenn es Dir in erster Linie um das "bedrückende Gefühl" geht und weniger um den Gruselfaktor, hier ich ein paar Empfehlungen:


    - Excision: Außenseiterin durchlebt Tagträume und versucht, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Bitter und grandios!
    - So finster die Nacht: DER Vampirfilm der letzten Jahre. Wunderschön und traurig
    - Stuck: Frau lässt Unfallopfer in Ihrer Garage verrotten. Nach einer wahren Begebenheit
    - Cheap Thrills: Kleine Wetten zwischen zwei Freuden schaukeln sich immer weiter hoch. Bitterböse
    - 13 Sins: ähnlich wie "Cheap Thrills", falls der gut ankam


    Gruß FBI