Ich habe nicht so viele Partien auf dem Buckel wie Marcel, zähle TM aber trotzdem zu meinen absoluten Lieblingsspielen und kann gern mal einen kurzen Abriss des "Basic Guides" sowie meiner eigenen bisherigen Erfahrungen mit dem Spiel geben:
- In Terra Mystica ist alles "tight". Du wirst oft merken, dass dir ein einzelnes Gold fehlt, eine Schaufel nicht da ist oder ein bestimmter Machtcube gerade nicht zur Verfügung steht - daher versuche immer, so gut es geht mit deinen Ressourcen hauszuhalten und so weit es dir strategisch möglich ist, vorauszuplanen sowie alles genau abzuzählen. Vor allem das Passen und das Nehmen der jeweiligen Boni für die nächste Runde sind hierbei wichtig, um deine "Lücken zu stopfen".
- Der zweite Weg um sinnvoll an Ressourcen zu kommen, sind die orangen Gunstplättchen. Hier solltest du je nach Rasse etwas bestimmtes verbessern, um deine Engine voranzubringen bzw. "das Getriebe zu schmieren". Die Runden 1-3 solltest du dafür als stellvertretend sehen, danach sollte es dir primär um Siegpunkte gehen.
- Es kann - auch wenn es einem erstmal kontraintuitiv erscheint - sehr stark sein, an einem bestimmten Punkt in seinem Spiel Macht aus seiner zweiten Schale "zu löschen", um eine bestimmte Machtaktion doch noch vor jemand anderem einsetzen zu können. Dies nennt sich Machtopfer und es wird von Anfängern meist nicht gemacht, weil sie Angst haben, damit ihren "Machtflow" kaputt zu machen. Oft kann dies aber wie gesagt ganz sinnvoll sein und man sollte im Zweifelsfall eher nicht davor zurückschrecken, als sich ein Herz zu fassen "Materialtausch über Macht" (also z.B. 5 Macht für einen Priester zu bezahlen) würde ich jedoch hingegen eher nicht vorschlagen, da es sich oft von der Kosten-Nutzen-Rechnung her nicht lohnt. Maximal ganz am Ende des Spiels.
- Generell würde ich auch sagen, dass Schaufeln wichtiger sind, als man sie als Anfänger gegebenenfalls einschätzt. Gerade wenn es hintenraus mal eng wird, oder um sich absolut notwendige Felder für das eigene Weiterbauen zu sichern, sollte man lieber früher Terraformen als zu spät. Die Machtfelder mit der Schaufel und vor allem der Doppelschaufel sind daher prominente Felder, die man sich eher am Anfang eines Zuges sichern sollte (bestenfalls nach frühem Passen), als später in seinem Zug, wo sie ggf. schon benutzt worden sind. Das Machtfeld mit der Brücke ist hingegen meiner Erfahrung nach eher von unwichtigerer Natur und eher seltener in Gebrauch/Nachfrage, hier kann man etwas risikoreicher spielen/mit umgehen.
- Ironischerweise baut man laut meinen Erfahrungen bisher, außer mit den Alchemisten und Halblingen, sehr selten seine Spaten-Umwandlungsleiste rechts auf dem Spielertableau aus, da dies oft recht teuer ist für den Kosten/Nutzen. Erst recht, wenn man eine Rasse spielt, wo das Geld tight ist bzw. man mal den Geldrundenbonus oder die Geld-Machtaktion nicht bekommen hat, obwohl man sie dringend benötigt hätte. Daher entweder früh im Spiel komplett machen, oder völlig ignorieren. Bei der Schifffahrt ist es ähnlich - nur wenn du es wirklich brauchst.
- Zwei Städte ist eine gute Anzahl, drei sind bei einigen Rassen aber auch drin und auch sinnvoll.
- Generell ist es mit sehr vielen Rassen (vor allem Alchemisten, Schwarmlingen, Auren, Hexen, Riesen und Nomaden) sehr stark respektive "am sinnvollsten", in Runde 1 gleich seine Festung zu bauen, um zügig den Bonus benutzen zu können. Bei Düsterlingen, Halblingen, Zwergen, Konstrukteuren, Fakiren und Kultisten baut man hingegen eher einen Tempel in Runde 1, bei Chaosmagiern sogar sein Heiligtum oder zwei Tempel. Meerjungfrauen sind die einzige Rasse, wo man afaik weder Festung noch Heiligtum unbedingt braucht und auch sehr gut bis zum Ende ohne beide spielen kann. Hier kommt dir dann deine Marco Polo-Erfahrung sehr zu gute, in dem nämlich der letzte Punkt meiner Tipps wichtig wird: die Startauslage der gezogenen Wertungsplättchen.
- Ganz genau wie bei Marco Polo fängt nämlich hier das eigentliche Spiel schon an. Die Völker werden in der Regel erst ersteigert, wenn feststeht, welche Boni es in den jeweiligen Runden gibt, und somit werden natürlich automatisch bestimmte Völker schonmal stärker oder schwächer.
> Bekommt man Siegpunkte in Runde 1 für den Bau einer Festung oder eines Heiligtums? Düsterlinge, Halblinge, Zwerge, Konstrukteure, Fakire, Kultisten, Meerjungfrauen automatisch etwas schwächer; Rest stärker.
> Bekommt man Siegpunkte in Runde 1 für den Bau eines Hauses oder Handelshauses? Meerjungfrauen automatisch stärker, Rassen mit billigerem Terraforming oder viel Startgeld automatisch stärker; Rest schwächer.
> Bekommt man Siegpunkte in den letzten zwei Runden für den Bau einer Festung oder eines Heiligtums? Düsterlinge (späte Festung), Fakire (späte Festung), Kultisten (späte Festung) und Halblinge (spätes Heiligtum) automatisch stärker; Rest leicht schwächer.
> Hat nun der erste Spieler schon seine Rasse ersteigert, und zum Beispiel Hexen genommen, was wähle ich dann danach auf jeden Fall nicht? Meiden würde ich hier tendenziell sowohl Meerjungfrauen und Schwarmlinge, als auch Zwerge und Konstrukteure. Warum? Weil sie jeweils rechts und links direkt auf dem nächstbesten Terraformingfeld der Rasse der Hexen liegen, aka deren primäre Landschaftsumformungsart sein werden. Hier bieten sich Nomaden als zu wählendes Volk (Fakire gelten generell als einzige eher schlecht balancierte aka die schwächste Rasse), oder ein braunes Volk an, da sie im Terraformingkreislauf genau gegenüber den grünen Hexen liegen und man für gewöhnlich niemals so viele Spaten hat respektive ausgeben (ließ: verschwenden) möchte, ein gegenüberliegendes Landschaftsfeld von seinem eigenen Heimatfeld umzuwandeln. Verschärftes Beispiel: du bist Spieler 3 und der zweite Spieler hat nun Nomaden genommen, was wiederum terraformingtechnisch braune und rote Völker schwächer für dich macht. Der stärkste übrigbleibende Rassenpick (erstmal unabhängig von den ausliegenden Kultbonus-Plättchen betrachtet) wäre also hier eine schwarze Rasse, aka Alchemisten oder Düsterlinge. Da Hexen und Nomaden aber beides "Stronghold turn one"-Rassen sind, sollten die Alchemisten hier ergo der safe pick sein, damit du somit ebenfalls vom Siegpunktbonus profitierst.
...und so weiter! Man muss lernen, diese Auslage bestmöglich zu lesen, um sich bestmöglich auf den eigentlichen Spielbeginn vorbereiten zu können. Denn hierüber werden schon im Spiel sehr viele Siegpunkte generiert (und es geht somit nicht nur um die Abschlusswertungen um Gebiete, Cult Tracks & Co ). Es ist auch keine Schande, mal "in die Zukunft zu Terraformen" und ein paar Landschaftsplättchen deiner Gattung nackt liegenzulassen, ohne dort gleich ein Häuschen zu bauen, wenn du weißt, dass es in der nächsten Runde Siegpunktboni für Häuser gibt und du dort dann gleich ungestört mehrere Häuser hintereinander bauen kannst.
Und kurz noch explizit zu deinen Fragen:
-> Oft ist es "eher absehbar" wer gewinnen wird, ja, aber als Runaway-Leader-Problem würde ich es hier nicht bezeichnen, das wäre zu hart gesagt. Kommt natürlich auch immer auf die Mitspieler an und was diese im Einzelnen für eine Strategie verfolgen.
-> Zehn Prozent maximal. Den prominentesten Fehler, den viele Neulinge machen, ist meiner Meinung nach, sich die falschen Startpositionen auszuwählen. Ein nacktes Haus mit der falschen Rasse kann sehr viel ruinieren und Nachbarschaft (zu den richtigen Farben) ist absolut entscheidend in Terra Mystica - nicht nur wegen den preiswerteren Handelshäusern, sondern vor allem, um durch Nachbarausbauten Macht zu erhalten und dadurch die starken Rundenaktionen nutzen zu können.
Viel Spaß und Erfolg bei deinen nächsten Runden @MetalPirate - ich hoffe, du wirst dem Spiel noch mehr als eine Chance geben! Und gern weitere Fragen stellen wenn du möchtest.
Lg