Aus den Berichten über das Spiel lese ich so ein bisschen heraus, dass #Seafall sich eben doch auf ein Territorium begibt, das Videospiele besser können. Nämlich das adaptive Anpassen der Spielregeln in einer Form, so dass es für den Spieler intuitiv verständlich ist. Da scheint mir Seafall immer wieder Arbeit zu sein, so dass man sich früher oder später fragt, ob es das wirklich wert ist oder man nicht lieber zu einem der vielen anderen Spiele im Regel greifen sollten, von denen man sicher weiß, dass sie Spielspaß bringen.
Dieses "Anpassen der Spielregeln" bezieht sich dabei einerseits auf dem Umfang, der beim Brettspiel in Seiten von exakt zu lesendem Text zu bemessen ist (in jedem Falle Arbeit!), aber in letzter Konsequenz kann das das Videospiel so eine Anpassung sicher auch deshalb besser, weil der Computer fehlerhafte Züge gar nicht erst nicht zulässt und dabei sogar auch noch Hilfen geben kann, was falsch gemacht wurde und was erlaubt wäre -- während das Brettspiel immer Gefahr läuft, den Benutzer in Regelfehler hereinlaufen zu lassen, was wiederum bedeutet, dass man neue Regeln besonders gründlich lesen muss, womit wir wieder bei der Arbeit wären. (DAS dürfte sicher auch ein wesentlicher Vorteil von den bisherigen Legacy-Varianten bekannter Grundspiele wie Risiko und Pandemie sein.)
Vielleicht ist Seafall in diesem Sinne auch ein bisschen vergleichbar mit #504 von Friedemann Friese: ein von einem Könner des Fachs mit viel Arbeit und Aufwand entwickeltes System, das definitiv tollen Spielspaß bringen kann, aber letztendlich daran scheitert, dass jedes Spielen erstmal eine Grundinvestition erfordert, die man als Spieler nur beim einmaligen Erstkontakt zu leisten bereit ist -- um das Spiel dann eben bei allen weiteren Spieleabenden einfach nur ohne vorherige Arbeit genießen zu können. Auf den Tisch legen, losspielen, garantierten Spiel haben -- genau das geht bei Seafall offensichtlich genauso wenig wie bei 504. Weil eben jedes Mal vorher "Regelarbeit" investiert werden muss.
(Alles so ein bisschen aus der Distanz beobachtet, weil ich ein Legacy-System mit Zerstören von Spielmaterial eher kritisch sehe.)
BTW: Zur Anspassung bzw. Hinzunahme von Spielregeln finde ich auch Mechs vs Minions #MechsVsMinions interessant. Das ist das erste Brettspiel eines sehr erfolgreichen (und millionenschweren) Videospielherstellers. So macht das also jemand, der aus der (für uns hier) "anderen" Welt kommt. In diesem Spiel kommen in den Missionen immer wieder ganz bewusst kleine (!) Regelverschärfungen und -varianten dazu. Oder eine paar wenige zusätzliche Karten. In Sachen Komplexität sicher alles weit unter dem, was wir Vielspieler hier verdauen könnten, aber ich finde schon, dass sich da der Blick über den Tellerrand lohnt. Erst recht, wenn mit Seafall ein Versuch aus "unserer" Brettspielewelt offensichtlich deutlich hinter den hochgesteckten Erwartungen zurückzubleiben scheint. Denn bisher scheint ja so ziemlich jeder Gruppe nach spätestens 6-7 Szenarien die Lust auf das Spiel ausgegangen zu sein.