Nochmal richtig: Wir haben #Anachrony sogar zwei Mal während der Tage gespielt. Das erste Mal hatten wir eine Vier-Spieler-Partie mit einem Erstspieler. Da es aber auch für die anderen drei schon eine Weile her ist, dass wir es zusammen gespielt hatten, gab es vorweg eine ausführliche Regelerklärung. Diese braucht Zeit, und im Gegensatz zu anderen Spielen macht hierbei eine thematische Einbettung absolut Sinn, da man anhand des Regiebogens des Spiels sehr viel erklären kann, was sich dann auch durch den Zusammenhang logisch ergibt (solange man bei Zeitreisen von "logisch" sprechen kann. Das ist aber ein anderes Thema).
Da der vierte im Bunde ein recht erfahrener Spieler war, konnten wir alle gut mithalten und hatten verglichen mit der ersten Partie einen deutlichen Punkteschub nach oben. Im Kern ist Anachrony nach wie vor ein lupenreiner Euro. Bricht man die ganze Spielmechanik ein wenig auseinander, bleibt der recht innovative Kreditmechanismus ein Kernfeature. Ohne diesen Boost am Anfang ist es schwer in Gang zu kommen, dieser Mechanismus will auch gespielt werden. Im Laufe der Partie kassierte ich irgendwann eine Anomalie (zu viel Zeitparadoxien durch zu intensives "Borgen" aus der Zukunft, meine Mitspieler haben schön ihren Zeitstrahl bereinigt, sodass nur ich noch eine kassierte). Diese verwandelte sich allerdings für mich in einen Glücksfall, da ich dadurch den sechsten Bauplatz befüllt hatte und damit meine Evakuierungsbedingung erfüllen konnte. Nach dem Einschlag und der Evakuierung musste dann ein Wissenschaftler dabei dran glauben, das Ding wieder zu entfernen, was aber aufgrund der letzten Runde kein Drama mehr war. Also bis auf das persönliche des Wissenschaftlers natürlich. Das ist ein dafür, dass man sehr schön konstruktiv mit den Elementen des Spiels seine eigene Situation gestalten und negative Auswirkungen durchaus als Instrument verwenden kann.
Gespielt wurde dabei mit den B-Seiten, also der asynchronen Version mit den B-Seiten der Fraktionsboards und den entsprechenden Evakuierungsbedingungen. Thematisch passen die gut ins Gesamtgefüge und keiner von uns hatte den Eindruck, dass hier etwas von Balancing her danebenlag. Jeder hatte im Laufe der Partie seine "starken Aktionen", das Gefühl der Fortentwicklung war durchgehend da. Die Gewinnerin lag am am Schluss 6 Punkte vorne, und man konnte auch ganz gut sehen, warum.
Nach der tollen ersten Partie am Mittwoch haben wir noch einmal eine weitere quasi als krönenden Abschluss am Samstagabend zu dritt hinterhergeworfen. Die Idee war dabei, durch die frischen Regeln eine schnellere Partie hinzulegen und das damit zu kompensieren, zwei Varianten/Erweiterungen mit dazu zu nehmen:
- Pioniere der Erde ("Abenteuer" auf einem weiteren Spielfeld)
- Alternativer Zeitstrahl mit Bonus/Malus für das Setzen der Zeitmarker
Der alternative Zeitstrahl bringt noch etwas mehr Pepp in den Kampf um den Startspieler bzw. seine eigene Position rein. Die Boni/Mali, welche es für das Legen der Marker nun gibt, lassen einige taktische Kniffe zu, sind aber auf der anderen Seite nicht zu stark, um das Optimieren beim Verkalkulieren voillkommen aus dem Tritt zu werfen. Ein typisches Dilemma: "Ich möchte mir eine Sachen aus der Zukunft borgen. Wenn Madame zu meiner rechten zwei Marker legt, sackt bei mir die Moral in den Keller. Ein zweiter Marker würde in diesem Fall allerdings das doppelte bringen. Wenn sie nichts legt... usw.". Bereichert das Spiel, würde ich in Folgepartien mit Mitspielern, die das Spiel bereits kennen, wieder mit reinnehmen.
Die Erweiterung "Pioniere der Erde" macht ein ganz neues Spielelement um das Aufrüsten der Exosuits und das Erfüllen durch Abenteuerkarten durch Erreichen eines Stärkewerts mit Exosuit + W6 auf. Man kann dabei zwei Kategorien (>5, >10) auswählen und je nach Entwicklung aus mehreren Karten aussuchen. Im Bild oben sieht man schön die Verteilungstabelle der Karten in der Mitte des Bilds. Dadurch kommt ein Push your Luck Aspekt mit ins Spiel, den ich persönlich recht reizvoll finde. Durch die Austarierung mithilfe eines Bonus für die erste/zweite/.. Aktion wird es immer schwieriger, die Aufträge zu erfüllen, sodass schön abgewogen werden muss, wann man ins Hinterland stapft. Die Belohnungen bzw. Bestrafungen der kleinen Geschichten auf den Karten sind dabei für diese Art des Spiels unserer Meinung nach genau richtig geraten. Wenn man etwas wagt, kann man zwar Schiffbruch erleiden, im Misserfolgsfall haut es einen aber nicht komplett weg. Die Balance zwischen Strafe und Belohnung passt zum Rest des Spiels und erweitert dieses nach dem Eindruck der ersten Partie sinnvoll um ein Element, welches vorher nicht so da war.
Auf der anderen Seite muss man allerdings auch sagen, dass es schwer bis unmöglich wird, durch die zusätzlichen Aktionsfelder alles weiterhin so zu beackern, wie es im Grundspiel schon kaum geht. Bestimmte Bereiche wird man deutlicher außen vor lassen. Bei unseren Superprojekten waren einige dabei, die z.B. in Kombination mit den neuen Möglichkeiten tolle Kombos ergeben hätten, wären sie früher gekommen. Überhaupt gibt es schöne Kombinationsmöglichkeiten der einzelnen Spielbereiche, mit denen man wunderbar seinen eigenen Weg beschreiben kann. Da sitzt noch einiges drin.
Anders als im ersten Spiel hatten wir durch die Evakuierungsbedingungen auf den A-Seiten der Fraktionsboards weitaus mehr Gebäude und damit auch ein Haufen mehr Aktionen im Pfad-Hauptquartier. Damit man die recht siegpunktlastige Evakuierungsaktion spät im Spiel machen kann, muss auf der A-Seite eine Gebäudereihe voll besetzt sein. Das gibt noch einmal zusätzlichen Druck auf die Bauaktion auf dem Hauptstadtspielplan und sah insgesamt etwas anders aus als bei der Verwendung der B-Seiten. Hat beides seinen Reiz und ist nicht nur Schmuck am Nachthemd sondern beeinflusst durchaus das Spiel.
Meine bessere Hälfte hat das in der zweiten Partie deutlich besser hinbekommen als wir beiden anderen und mit 83 Punkten mit uns den Boden aufgewischt. Dennoch waren es durchaus spannende 2,5 Stunden, in denen sie sich an den entscheidenden Stellen einfach richtig gut durchgesetzt hat. Damit war es für die gesamte Runde eine positive Spielerfahrung.
Zusammengefasst gefällt mir das Spiel immer besser. Wir mochten beide schon Trickerion (welches leider nicht im Freibad zum Einsatz kam), Anachrony ist in der grundsätzlichen Anlage ähnlich, ist für mich aber das eigenständigere Spiel mit einer sehr robusten und soliden Basis, viel Varianz und Abwechslungsreichtum sowie wirklich gutem Storytelling, wenn man denn einmal drin ist. Der Zeitreisetwist hebt es etwas ab, auch wenn er spielmechanisch nicht als zweite Raderfindung durchgeht. Trotzdem belohnt das Spiel das Spielen dieses Mechanismus und bringt genug Stellschrauben mit, um die Elemente gegeneinander zu balancen. Typisches Beispiel sind freie Aktionen vs. Arbeitereinsetzen zum Durchführen von Aktionen oder einfach Unabhängigmachen von gemeinsam umkämpften Aktionsfeldern. Die Asymmetrie ist hier ein großes Plus bezüglich des Spielreizes. Ich habe von meinen Spielerfahrungen her aktuell nicht das Gefühl, dass hier etwas groß imba ist.
Auf BGG hebt sich das Spiel dabei für mich in die Kategorie 9/10.