Beiträge von MetalPirate im Thema „28.03.-03.04.2016“

    Der Charakter ist wohl nur gut und halbwegs gleichauf mit den anderen Erweiterungs-Charakteren, wenn da ausreichend "Würfel gegen Boni"-Stadtkarten zur Verfügung stehen und nicht nur Umwandler wie bei mir.

    Ausschließlich Umwandler bei dir? Dann dürfest du recht haben mit der Aussage, dass dieser Erweiterungscharakter für diesen speziellen Aufbau relativ schlecht war. Genau das gleiche kann dir bei den meisten anderen Charakteren aber auch passieren, die können auch auf Karten-Setups treffen, wo ihre Vorteile nicht zur vollen Geltung kommen. Ist dagegen bei den freien Städtekarten sowas schönes dabei wie "erhalte 1 Gold bei Einsatz einer 1-5 und 3 Gold bei einer 6" oder "1 Siegpunkt pro Kontor" oder etwas, das Reiseschritte bringt oder etwas, mit dem man leicht an viel Geld kommt, dann kann dieser Charakter auch ausgesprochen stark werden. Und genau darum geht's doch schließlich im Spiel vor dem Spiel: abschätzen, welcher Charakter beim konkreten Setup sinnvoll ist. Dass der eine mal stärker und der andere mal schwächer ist, muss genau so sein. Solange nicht der gleiche Charakter immer chancenlos ist, passt doch alles.

    Ich hatte bisher auch den Eindruck, dass die Marco Polo Erweiterungscharaktere sich nahtlos einfügen. Bei dem angesprochenen Charakter mit der Stadtkartennutzung hängt's natürlich sehr davon ab, welche Stadtkarten man bekommt. Aber in der Regel sind da schon ein paar dabei, um die man wunderbar eine Strategie drum herum aufbauen kann. Ich halte den Charakter nicht für deutlich schwächer als den Rest.

    Ich mag grundsätzlich Spiele, bei denen komplette Spielerreihenfolge durch Spieleraktionen vergeben wird. Mit Betonung auf "komplett", also nicht nur Startspielermarker holen und dann im Uhrzeigersinn weiter, sondern wirklich jede Position frei vergeben. Also sowas wie in vielen Spielen von Stefan Feld. Da kann niemand über eine schlechte Position meckern -- selbst schuld, wenn man sich nicht in der Reihenfolge nach vorne arbeitet und dann bei irgendwelchen Verteilungen von Aktionen, Plättchen oder Karten nur noch das kriegt, was übrig bleibt.


    @Thygra: Ja, meine Kritik ist etwas pauschal, das stimmt schon, aber sonst hätte ich dreimal so viel schreiben müssen... Dann hätte ich z.B. schreiben müssen, dass das "warum lernt man nicht aus Fehlern, die andere schon oft genug gemacht haben?!" eher die vielen Crowdfunding- und Kleinverlagsspiele betrifft als die Etablierten. Im Übrigen bin ich schon der Meinung, dass die (wenigen!) Spiele, bei denen in irgendeiner Form durch einen Spieler das Ende eingeleitet wird, tendenziell sich zu wenig Gedanken über ein faires Spielende machen. Weil's eben in der Praxis oft nicht so trivial ist, wie man denken könnte. Mit "jeder Spieler erhält die gleiche Anzahl von Zügen" ist's eben nicht getan. Das sieht man meiner Meinung nach auch daran, dass sich die Variante "der Spieler, der das Ende einleitet, erhält dafür X Punkte" immer mehr durchsetzt, und damit sind wir natürlich sofort bei der Frage, wie hoch X sein soll. Diese Lösung ist zugleich schöne Flexibilität für den Autor wie auch Verpflichtung, eben dieses X richtig einzustellen.

    Bei Spielen, bei denen das Ende nicht wie üblich durch Ablauf einer festen Anzahl von Runden bestimmt ist, sondern eingeleitet wird, indem irgendein Spieler irgendwas erreicht, gibt es meiner Meinung nach nur drei sinnvolle Möglichkeiten:

    • das Spiel ist sofort zu Ende; Endabrechnung & fertig (Beispiel: Hamburgum, Imperial)
    • jeder noch einen Zug; derjenige, der das Ende eingeleitet hat, bekommt dann als Belohnung dafür den letzten Zug (Beispiel: Navegador)
    • jeder andere Spieler noch einen Zug; der Ende-Einleiter erhält dafür eine bestimmte Anzahl Sonderpunkte (Beispiel: Concordia)

    Wenn sofort Schluss ist, habe ich mit Erreichen der Endbedingung die Macht, keinen Mitspieler mehr ans Spiel kommen zu lassen. Ist nicht sofort Schluss, muss sich das Einleiten des Endes irgendwie anderweitig lohnen. Sonst kommt doch nur endloses Taktieren heraus, was der Spannungskurve am Spielende selten gut tut. Wenn die Spieler das Spiel durch eigene Aktionen beenden sollen, brauchen sie deshalb Anreize, dies auch zu tun, und zwar jeder Spieler, unabhängig von seiner Position in der Reihenfolge. Eigentlich völlig logisch.


    Das "Runde zuende spielen, aufhören vor Startspieler" klingt nur auf den ersten Blick fair (weil jeder so exakt gleich viele Züge erhält). Aber bei näherem Hinsehen ist das oft ziemlicher Humbug, denn ein Zug vor Einleitung des Spielende ist überhaupt nicht vergleichbar mit einem letzten Zug am Ende, bei dem man aus seiner Stellung noch einmalig das Maximum an sofort realisierbaren Punkten rausholen muss. Der Startspieler macht einen normalen Zug, der Zweite beendet das Spiel, Spieler #3 und #4 maximieren noch ihre Punktzahl, dann Abrechnung und Spieler #1 ist gekniffen, weil bei bei seinem Zug noch nicht wissen konnte, ob er nochmal dran kommen würde -- genau das hier im Falle von #Ships beschriebene Problem. Aber dieses Problem ist alles andere als neu. Warum taucht das eigentlich immer wieder auf? Bei sowas frage ich mich dann manchmal, warum Autoren und Verlage nicht etwas aufmerksamer auf die Werke anderer Autoren und Verlage schauen. In diesem Falle z.B. Richtung Mac Gerdts (PD Verlag), der im Gegensatz zu Feld, Rosenberg, Chvátil & Co schon immer Spiele mit spielergetriebenen Endbedingungen gemacht hat und dieses inhärente Spielende-Problem ganz offensichtlich schon lange durchschaut und auf drei verschiedene Weisen gelöst hat.

    Auf der anderen Seite hast du irgendwelche "grail game" Hype-Noten für die erste Auflage, die ja zumindest früher mal für dreistellige Preise gehandelt wurde.


    Aber ja, ein 2015 ausgeliefertes Kickstarter-Spiel aus einer 2012er Kampagne stößt sicher nicht nur auf ungeteilte Begeisterung. Wobei da ein unbekannterer Autor vermutlich noch wesentlich mehr Prügel dafür eingesteckt hätte. Tatsache ist aber auch, dass Moongha Invaders letztes Jahr bei den großen US Online-Händlern für ~$30 verramscht wurde. Übrigens in der gleichen Version wie für die Kickstarter-Backer, d.h. die 2er-Erweiterung war dann doch nicht KS-exklusiv. Verprellen der eigenen Unterstützer vom Feinsten. Aber wir wissen ja alle, dass Herr Wallace nicht gerade die allercleversten ökonomischen Entscheidungen als sein eigener Verlagschef getroffen hat. Treefrog ist nicht ohne Grund eingegangen.

    @Torlok: Och, ich habe neulich schon mal geschrieben, dass ich mich als "toleranten Eurogamer" sehe, der auch die positiven Seiten von ameritrashigen Sachen anerkennen kann und bei dem der Spielspaß für jeden am Tisch wichtiger ist als das das Herausquetschen des allerletzten möglichen Siegpunktes durch elend lange Grübelei. Trotzdem bin ich ganz klar in der Euro-Ecke zuhause, weil eine gewisse geistige Herausforderung so ziemlich das einzige Kriterium bei einem Spiel ist, das sich bei mir kaum durch noch so tolle Stärken in anderen Bereichen (Thema, Materialqualität, gemeinsames Spielerlebnis, etc.) kompensieren ließe. Ohne Herausforderung geht's nicht. Drei und mehr Stunden rein glücklastige Würfelorgie sind so ziemlich der größte denkbare Horror für mich...


    Im Falle von Moongha Invaders fand ich z.B. euro-artigen Unterbau unter der ameritrashigen Oberfläche äußerst reizvoll. Schön sind unter anderem die Wertungskriterien. Das ist ein sehr interessanter Mix aus Punkten für Spielen gegen das Spiel (Mehrheitenwertung im Zerstören von Städten), Kampf gegen Mitspieler (mit einem speziellen Monster die Monster der Mitspieler plätten), geschicktem Versteckspiel gegen Mitspieler mit räumlichem Faktor (Punkte für aufs Feld gebrachte Monster eines anderen Typs) und Gegenspiel gegen Mitspieler mit dezenten Bluff-Elementen (Schutz der eigenen Städte gegen Mitspieler durch neutrale Einheiten). Aktiv - passiv. Gegen das Spiel - gegen die Mitspieler. Alles dabei. Und weil ich da gestern abend intuitiv eine gute Balance gefunden habe, habe ich mein erstes Moongha Invaders Spiel auch sofort haushoch gewonnen, und das, obwohl ich am Anfang einfach nur sinnlos Europa zerstören wollte. :) (Das war der größte zusammenhängende Fleck, in dem ich keine schutzbefohlene Stadt hatte. Also ein nicht ganz zufällig gesetztes Spaß-Ziel.)


    Auf der Rückfahrt noch die passende SD-Karte für das Autoradio rausgesucht und thematisch passend Gama Bomb - Citizen Brain gehört. War ein schöner Spieleabend.


    In letzter Zeit habe ich zwei Spiele gespielt, bei denen sich das Berichten lohnt. Nämlich zwei Spiele, bei denen ich nicht die allergrößten Erwartungen hatte, die mich dann aber positiv überrascht haben.




    Da ist zum einen #Viceroy. Um dieses Spiel gab's ja vor der Messe in Essen 2014 einen riesigen Hype, u.a. ausgelöst durch Rahdos euphorisches Review zur russischen Originalversion (Namestnik; bitte in kyrillischer Schrift denken). Ich war dann ein bisschen skeptisch geworden, war mir ein bisschen zuviel Hype. Anschließend eine sehr erfolgreiche KS-Kampagne in den USA, aber nach Auslieferung viele, die das Spiel sofort wieder verkauft haben, mäßige Noten auf BGG, auch bei Rahdo selbst notenmäßig eher im Mittelfeld einsortiert, Platz 99 bei ihm. Da sieht man mal wieder, was euphorische Rahdo-Reviews wert sind. Aber das ist ein anderes Thema.


    Zurück in die Neuzeit. Die deutsche Version gab's jetzt bei Magierspiele für 17,20 EUR. Die grundsätzliche Ausrichtung als recht flottes Kartenspiel mit doch ordentlichem strategischem Tiefgang ist das, was ich zuhause derzeit gut auf den Tisch bekomme. Also einfach mal das Risiko eingegangen. Und siehe da: es gefällt mir, es gefällt meiner Frau.


    Viceory ist "set collection" in extrem aufgebohrter Form. Man erhält in 12 Runden idR je eine Karte und spielt diese Karten entweder direkt im Anschluss oder verzögert aus, um in unterschiedlicher Weise mit verschiedenen Kombinationsmöglichkeit und unter allerlei Randbedingungen dafür am Ende irgendwie Punkte zu bekommen. Das Spielgefühl erinnert mich ein bisschen an die französische Design-Schule wie bei 7 Wonders oder Five Tribes: große Abrechnung am Ende mit Addieren diverser Punktezahlen, die für teils radikal unterschiedliche strategische Wege stehen. Diese Wege erscheinen mir sehr gut ausbalanciert. Das Spiel verbindet Strategie und Taktik: einerseits muss man sich auf bestimmte Richtungen festlegen, andererseits sollte man immer sehen, was man am besten aus dem aktuellen Kartenangebot macht. Das Ganze ist -- kartenspieltypisch -- durchaus glückslastig, aber in Anbetracht der Spielzeit geht das für mich so in Ordnung.


    Für mich 7/10 auf der BGG-Skala. Wenn man das Spiel für das nimmt, was es ist, kann man das bei Preisen unter 20 EUR auch als Kaufempfehlung werten. Einige schlechte Reaktionen sind für mich auch übertriebenen Erwartungen geschuldet. Viceroy ist nichts, was "play mats", Glaskristalle oder anderen Stretch Goal Schnickschnack braucht. Diese Sonderbehandlung erhebt Viceroy in einen Status, dem das Spiel kaum gerecht werden kann. Die Spieler-Interaktion ist gering und eher wenig planbar, dieser Kritikpunkt stimmt schon, aber geht man mit realistischen Erwartungen heran, kann Viceroy als 45min-Kartenspiel für 2-4 Spieler trotzdem überzeugen.




    Die zweite Sache ist #MoonghaInvaders von Martin Wallace als 3er. Monster-Miniaturen, viel Würfelei, Panzer, Atombomben, Grafik im Comic-Stil, wahnwitzig-verrückte Story. Wir sind nämlich durchgeknallte Wissenschaftler, die mit mutierten Monstern die Welt terrorisieren wollen, dabei aber gleichzeitig drei geheim zugeteilte Städte vor den Mitspielern beschützen sollen, die das Gleiche vor haben. Kämpfen kann man gleichermaßen gegen die Städte wie gegen die Monster der Mitspieler. 80% Ameritrash, 20% Euro. Gespielt auf dem Spieletreff, weil es sich so ergeben hat. Denn grundsätzlich bin ich immer daran interessiert, Neues kennen zu lernen. Auch wenn das wie im Falle von Moongha Invaders etwas ist, was eigentlich so gar nicht meiner bevorzugten Richtung entspricht.


    Was soll ich sagen... Am Ende war ich sehr positiv überrascht. "Hah! Jetzt lege ich Berlin in Schutt und Asche!", "Du willst Los Angeles mit deinen Monstern zerstören? Nix da! Da schmeiße ich jetzt die Atombombe drauf und mache dich mit der Stadt zusammen platt!". Äh ja. Man braucht schon eine gewisse Fähigkeit zum Abschalten von normalen moralischen Denk- und Verhaltensweisen. Mal zwei Stunden den verrückten Wissenschaftler beim Weltzerstören spielen. Gnahaha. Hihihi.


    Spielmechanisch war's wirklich schön. Definitiv sehr originell und trotz aller glückslastigen Würfelei genug Strategie dabei. Spielt sich auch überraschend flott. Ich weiß allerdings nicht, ob wir 100% korrekt gespielt haben, denn manche Monster schienen mir relativ nutzlos. Egal. Hat Spaß gemacht, die Weltstädte zu plätten. Kein Überhammer, aber ich würde Moongha Invaders jederzeit wieder mitspielen. Ebenfalls als Ersteindruck 7/10 auf der BGG-Skala, wobei da in Anbetracht des Material-Overkills weniger Kaufempfehlung drin steckt als bei den 7/10 vom kleinen, aber feinen Viceroy. Für einen Kauf ist mir das Thema außerdem dann doch eine Nummer zu schräg und das Spiel unterstützt auch nur 3-4 Spieler, d.h. die Einsatzchancen wären nicht so toll. Auf der einen Seite war ich positiv überrascht, aber auf der anderen Seite kann ich auch verstehen, warum das Spiel in Foren oder bei BGG nicht so toll wegkommt. Wenn man viel Geld dafür ausgegeben hat, dürfte man vielleicht auch etwas mehr erwarten. (Für KS-Spiele mit eher geringer Anzahl von Noten bei BGG ist ein Schnitt unter 7 ja eher schlecht; die meisten Backer neigen ja eher dazu, die unterstützten Crowdfunding-Spiele besser zu bewerten als sie sind, um das ausgegebene Geld zu rechtfertigen.) Trotzdem: die positive Überraschung für mich bleibt, auch für sowas lohnt sich ein offener Spieletreff.