Beiträge von PeterRustemeyer im Thema „Worüber wir sprechen, wenn wir über Spiele sprechen...“

    @Thygra


    Über die Größe der Anteile kann man sich natürlich streiten.


    Ich denke, es liegt auch zu einem großen Teil daran, dass es heutzutage schon so viele Spiele gibt.


    "Ich muss also einen Begriff erraten, und der Spielleiter gibt mir schwer zu interpretierende Hinweise? Das ist ja wie Mastermind!"
    "Nein, eigentlich nicht..."


    "Ich lege also Plättchen an, und wenn ein Gebiet... Carcassonne?"
    "Außer, dass beide Spiele Plättchen haben... Nein?"


    "Ich stelle verschiedene Würfel zusammen, und die geben mir dann Aktionen/Rohstoffe/xyz? Das ist ja wie Nations - The Dice game (oder ein mir unbekanntes älteres Spiel, das diesen Mechanismus erfunden hat)."
    "Nein, eigentlich ist es ein völlig anderes Spiel."


    "Ich würfel Kniffel-Aufgaben, um Monster zu besiegen? Wie das Ältere Zeichen?"
    "Nein, das hier heißt Alte Dunkle Dinge und ist was komplett anderes."


    Die Basis an "Altbekanntem" ist einfach verdammt groß.

    Und da das keiner hinbekommt, entsteht soviel austauschbares. Wahrscheinlich auch einer der Gründe für diverse Kickstarterprojekte oder Kleinverlage, die ihre Ideen "ungebügelt" auf den Markt bringen wollen...

    Man sieht das in Reinform bei Autorentreffen und Prototyptests, wenn man zum x-ten mal die selben, bereits dagewesenen Mechanismen in neuer Mischung vor die Nase bekommt...
    Da fehlt oft einfach das Alleinstellungsmerkmal. Aber wie auch? Es gibt heute so viele Spiele, es gibt das einfach alles schon.


    Pythagoras war zum Beispiel ein richtig schlauer Fuchs. Aber was der damals an Mathematik erfunden hat, reicht heute so nicht mehr, um als Genie zu gelten. Jeder Erstsemester kann seinen berühmten Satz beweisen. Aber womit sich die richtig genialen Mathematiker heute beschäftigen, das versteht der Durchschnittsmensch nicht mehr, das ist völlig losgelöst von allem, was sich irgendwie vermitteln ließe.
    Der Rest ist schon hinreichend abgearbeitet.


    So ist es mit den Spielen wohl auch: Die Mechanismen sind alle da, was wir Autoren nun machen, ist mehr eine Kombinationsaufgabe: "Ein Worker Placement Spiel mit Dice- und Deckbuilding und einer Auktionskomponente". Weil man mit den einzelnen Zutaten keinen mehr hinter dem Ofen hervorlocken kann. Hey, immerhin hab ich sie originell verknüpft!


    Diese eine Idee, dieses "Ich kreiere etwas völlig Neues, das dabei aber auch einfach und zugänglich ist und trotzdem voll viel Spieltiefe bietet"... Die Luft dafür wird dünn.

    Ja, stimmt, da hätte ich präziser sein können, dass ich eigentlich den Bereich der "großen" Spiele meine, wo es leicht ist, Spiele mit hoher Regelkomplexität zu finden, also Spiele, die schon auf den ersten Blick nach viel aussehen, während Spiele, in denen viel mehr drin steckt, als man auf den ersten Blick sieht, einen immer schwereren Stand haben -- und genau dieses "wesentlich gehaltvoller, als es auf den ersten Blick aussieht" macht für mich Knizia aus, selbst bei so vermeintlich simplen Sachen wie "Lost Cities".

    Ich glaube, da werden wir schwerlich diskutieren können, weil jeder andere Spiele auf dem Radar hat und die als unterschiedlich präsent und "groß" bewertet.
    Zumal auch der Zeitraum nicht klar abgesteckt ist. Ab wann haben denn diese Veröffentlichungen deiner Meinung nach aufgehört?


    Zitat

    Vielleicht ist diese Entwicklung auch deshalb so, weil man früher Sachen öfter gespielt hat, während in der heutigen Veröffentlichungsflut es schon etwas Besonderes ist, wenn ein Spiel innerhalb eines Jahres zum fünften Mal auf den Tisch kommt. Ein Spiel, das nicht auf den ersten Blick schon etwas her macht, geht leider in einer Zeit unter, wo schnelle Internet-Ersteindrücke und Video-Reviewer, die das Spiel vielleicht 1-2 mal gespielt haben, mit ihrem Daumenheben bzw Daumensenken ganz wesentlich über den Verkaufserfolg mitentscheiden. Hätte ein Spiel wie Ra oder Euphrat & Tigris heute überhaupt noch die Chance, derart hoch bei BGG zu klettern?

    Hier stimme ich dir zu, zumindest was die Einschätzung aus Konsumentensicht angeht.
    #Doom habe ich vor inzwischen fast zehn Jahren zum Beispiel locker 50mal gespielt. Einfach, weil wir nichts anderes hatten. Heute würde ich das vermutlich nach dem ersten Mal spielen als "broken" oder "uninteressant, x-beliebiger Dungeoncrawler" abstempeln und nichtmal mehr mit der Kneifzange anfassen. Auch habe ich heute nicht das geringste Interesse daran, Spielen nochmal eine Chance zu geben, die in den ersten 1-3 Versuchen (persönlich) durchgefallen sind. Weil's halt so viele andere Spiele gibt, und weil ein Spiel so einfach zu verkaufen und ersetzen ist (sowas wie Onlinetausch gab es damals nicht so präsent und nicht in der Form).
    Aus Verlags- oder Autorensicht sieht das vielleicht anders aus.
    (Als Spielebastler kann ich dir sagen: Viele meiner Kollegen beschäftigen sich durchaus damit, Spiele "elegant" zu machen (einfach zu lernen, aber viel Tiefe; wenig Material und Regeln, aber viel Immersion. Das ist so ne Art "heiliger Gral". Und auch die Verlage wollen das gerne, zumindest wenn man sich die "Leitfäden für Autoren" anschaut, das riecht dann auch mal nach "eierlegender Wollmilchsau")


    Viele Spiele würden heute so nicht mehr erscheinen, das ist sicher. Genauso wie Tolkien vermutlich heute keinen Verleger mehr finden würde für ein Buch, das mir 100 Seiten "Concerning Hobbits" anfängt.
    Aber was sagt das schon aus? Das wertet diese Spiele ja nicht ab, man muss sie im Kontext ihrer Zeit sehen.

    Was denn? Kannst du mir Beispiele nennen unter Spielen jüngerer Zeit, die in Spieldauer und Anspruch mit Klassikern wie Modern Art, Euphrat & Tigris, Durch die Wüste, Ra, Tadsch Mahal oder Amun-Re vergleichbar wären? Für mich haben sich die Spiele mit kurzer knackiger Hauptidee in den massentauglicheren Familenspiel- und Absacker-Bereich zurückgezogen (ähnlich wie Herr Knizia selbst), dabei mit merklichem Verlust an Spieltiefe. Das "aus wenig viel rausholen" ist für mich etwas im Spieldesign verloren gegangen.

    Äh, genau diesen "massentauglicheren Familenspiel- und Absacker-Bereich" meinte ich eigentlich. ;)


    Das letzte von der Sorte, das mir untergekommen ist, ist #Karuba.
    Familienspiel für 2-4 in ca. 45 Minuten, klassisches Beuteschema der Verlage: Simple Regeln, wenig Material, aber erstaunlich viel rausgeholt: eine fordernde Aufgabe, Wiederspielwert durch Variation, schöner spannender Spielablauf.

    Knizia steht für mich für "viel Spieltiefe aus erstaunlich wenig Regeln", und der Trend geht doch ganz klar in Richtung "noch mehr Regeln, noch mehr Mechanismen" (und, gerade bei Kickstarter, "hübsche Grafik über alles").

    Diesen "Trend" würde ich wiederrum so nicht unterschreiben.
    Vielleicht erregen diese Spiele eher deine Aufmerksamkeit, aber Veröffentlichungen nach dem "Kniziaprinzip" gibt es doch nach wie vor zuhauf.
    Und sie entsprechen auch dem, was so gut wie jeder Verlag als sein "Beuteschema" formuliert hat.


    Ein #Mombasa ist eher die Ausnahme als die Regel.

    Oder bei 1944: Race to the Rhine kann der Hafen Ostende nur ein einziges Mal für Nachschub verwendet werden - dann zerstören ihn die Nazis. Das ist nun mal historisch so gewesen und wird dort auch entsprechend abgebildet.

    Genau das Spiel hatte ich im Kopf, als ich den Beitrag geschrieben habe, die Stadt, die ich beschrieben habe, ist glaubich "Antwerpen" (ich war noch nie der Spieler links).
    Solche Regeln empfinde ich meistens nicht als "störend", das ist mehr ein "Warum so? Geht das nicht eleganter?"


    In deinem anderen Beispiel (A Few Acres of Snow) hätte man da - ich kenne das Spiel nicht! - nicht den Spielplan einfach so umgestalten können, dass ohne Regeln klar ist, zB die Stadt minimal ins Landes innere verschieben? Ungefähr so:

    Dann ist klar, dass der Seeangriff nicht funktioniert, ohne dass ich dafür Regeln brauche. Und die Stadt liegt immer noch an der Küste.




    Zitat

    Besonders lustig wird es, wenn die Spielmechanik das Thema quasi ad Absurdum führt: Pergamon ist da für mich immer ein schönes Beispiel: Bau Dir Deine Fundstücke so zusammen, dass sie möglichst wertvoll sind! ;-D
    Da habe ich immer gedacht: EIGENTLICH müsste das doch das Spiel um Kunstfälscher sein, die aus Bruchstücken vermeintlich perfekte Artefakte "restaurieren", um diese dann meistbietend zu veräussern!

    Da rolle ich dann auch die Augen. ;)
    Die Standardbeispiele sind für mich die Monster in #LegendenvonAndor, die man nicht bekämpfen soll, und Rohstoffe, die mitten im Ozean aus dem nichts auftauchen (war das #PuertoRico?).


    Zitat

    Abgesehen davon bin ich immer sehr penibel und bestehe auf die korrekte Bezeichnung der Währungen in einem Spiel, womit ich meine Mitspieler mitunter nerve... ^^

    Hier bin ich schon zu abgestumpft. Die Währung heißt immer "Gold" oder "Arbeiter", egal, in welchem Setting ich spiele.
    Und gibt es mehrere Währungen, ist das eben rotes Gold, blaues Gold, großes Gold... ;)


    @yzemaze
    Ich merke das schon beim Spielen, dass mein Herz freudig hüpft, wenn es dann doch mal gelingt, wenn also ein Mechanismus einfach und elegant thematisch motiviertes Spielgefühl erzeugt.


    #Funkenschlag finde ich zum Beispiel eigentlich halbwegs trocken, aber ich erfreue mich jedes Mal wieder an der Angebot&Nachfrage-Lösung für die Rohstoffe. Das ist simpel, elegant, aber es bildet die Realität eines Rohstoffmarktes ausreichend ab. Und auf einmal spiele ich das gerne.
    #Splendor dagegen lässt mich emotional völlig kalt, es ist mir absolut egal, dass ich hier Edelsteine anbiete (oder was auch immer). Ich spiele eine Mechanik, und optimiere dran rum.



    Der Anreiz ist also in jedem Fall vorhanden.

    Immer wieder lustig, wie klein die Szene ist, mit dem überaus sympathischen Herrn Blum hab ich auf einem Autorenworkshop ein Spiel gebastelt. :)


    Ich finde seinen Vortrag auch etwas übertrieben polemisch, stimme ihm aber weitestgehend zu.


    Es fällt in vielen veröffentlichten Spielen schwer, überhaupt einen Bezug zum Thema herzustellen, weil es wirklich nur drangetackert ist (zB Dominion), weil die Mechanik das Thema nicht unterstützt (stumpfes Siegpunkteerwirtschaften, da ist zweitrangig, in welchem Setting das spielt), oder weil man selbst es von vorneherein ablehnt, sich darauf einzulassen (ich kucke immer wieder irritiert, wenn jemand "Zauberer" statt "weißes Klötzchen" sagt).


    Thematischen Krempel fasse ich bisweilen gar "störend" auf. Die Kritikpunkte von Udo Bartsch an Abyss habe ich genau so geteilt ("sag doch einfach blaue Karte und nicht Verbündeter"), das Vorlesen von thematischen Kartentexten kostet gefühlt einfach nur Zeit, Regeln nur aus Themengründen ("alle Städte kann man normal erobern, aber bei dieser einen hier muss man erst die umliegenden kontrollieren") sind für mich immer die ersten "Streichkandidaten"...


    Und es wirkt bisweilen, als wäre das von den Verlagen aus auch genau so gewollt.