Beiträge von MetalPirate im Thema „Eurogame vs. German Game“

    Naja, dass Kiley hier so die Wichtigkeit betont liegt daran, dass er mit dem Beitrag primär gar keine Ludologie zum Selbstzweck betreiben wollte, sondern anwendungsbezogene Hinweise für Spieleautoren geben wollte, welche Zielgruppe sie mit ihrem Spielkonzept erreichen.

    Schon klar, aber bei der Unterscheidung zwischen Euro und German Game bin ich eben nicht 100% auf seiner Linie, auch wenn ich den Artikel grundsätzlich sehr gelungen finde. "Eleganz" lehnt Kiley z.B. als Kernwert der German/Euro Richtung ab, weil es ein übergeordneter, allgemeinerer Wert wäre, aber Einbindung der Mitspieler ("engagement") bzw. Herausforderung ("challenge") sind dann für ihn die Kernwerte von German bzw. Euro Game. Hmmm. Ich meine, die Spieler einzubinden (statt außen vor zu lassen) und ihnen interessante (statt langweilige) Aufgaben zu stellen, sind doch auch zu einem guten Stück allgemeine, übergreifende Ziele für jeden Autor.


    Vermutlich ist das auch genau die Schwierigkeit bei der Defintion der Euro und German Ecke: im Gegensatz zu den Paaren Ameritrash - Drama oder Abstract Game - Minimalismus gibt's hier nicht Definierendes, was man problemlos ignorieren könnte, wenn man ein Spiel aus einer ganz anderen Ecke macht. Dafür müsste man schon auf die Detailebene wie "friedliches und allgemein konsensfähiges Thema" heruntergehen, das könnte man auch weglassen. Alles, was sonst die guten Eurospiele auszeichnet, braucht auch das Ameritrash Spiel in gewissem, wenn auch geringerem, Maße ebenso. Umgekehrt gilt das deutlich weniger.

    [...] Ich finde es genau darum gar nicht lächerlich, auch in Bezug auf die dafür notwendige Klärung der Begrifflichkeiten wissenschaftliche Standards anzulegen. [...]

    Klar, das kann man gerne machen. Manche Zusammenhänge werden einem selbst dadurch klarer. Für mich ist z.B. das ganze Worker Placement Gedöns klassischer Prägung bloß eine spezielle, mit starkem Themenbezug versehene Form des "action drafting". Der grundlegende Mechanismus ist doch folgender: Eine bestimmte Spielaktion steht genau einmal [bzw X Mal] zur Verfügung, ich nehme sie weg und kein anderer kann sie mehr machen [bzw nur noch X-1 Mal]. Aktion (weg)nehmen = action drafting. Die konkrete Realisierung ist aus Theorie-Sicht zweitrangig; da ist es im Prinzip egal, ob ich dafür ein Meeple irgendwo hinsetze, ein Würfelchen wegnehme (z.B. wie bei Village), Karten irgendwo hinspiele (z.B. bei Asara) und ja, auch "role selection" lässt sich leicht so umdeuten. Der Begriff "Worker Placement" ist dagegen eine stark thematisch -- und eben gerade nicht spielmechanisch! -- geprägte Beschreibung, betont er doch stark die Eigenschaft des "Aktionsreservierungsmarkers", ein Arbeiter zu sein, der symbolisch zu einer Arbeitsaktion geschickt wird. Die Leistung der frühen Worker Placement Spiele (wie Caylus, Säulen der Erde, Agricola & Co) liegt eben darin, dem theoretischen Konzept "action drafting" eine sehr konkrete und thematisch schlüssige Realisierungsform gegeben zu haben.


    Dennoch muss ich bei allem Interesse an der Theorie doch ganz klar sagen, dass sich bei allzu viel Theorie-Überbau, der sich zum Selbstzweck erklären will, mir die Fußnägel hochrollen. Wenn der auch von dir erwähnte Herr Kiley zum Unterschied zwischen Euro Game und German Game schreibt: "[...], but it is important that the two schools remain distinct and are recognized as such.", dann frage ich mich sofort, wofür in aller Welt diese Unterscheidung unbedingt erhalten werden muss. Im allgemeinen Sprachgebrauch gibt's diese Unterscheidung nicht mehr, also lasst sie in Frieden sterben. Bei einer exakten Wissenschaft aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Spektrum hätte ich da ja noch vollsten Verständnis dafür, aber bei der Beschreibung von Brettspielen werden die Begrifflichkeiten doch immer im Fluss sein und stetigen Umdeutungen und Veränderungen unterliegen. Solange man weiß, was der andere meint, ist doch alles in Butter. Wieso auf Unterschiede bestehen, die sich im allgemeinen Gebrauch überlebt haben?

    Fußball / Handball / Bouldern ist klar definiert, Eurogames / AT quasi gar nicht.

    Der Vergleich hinkt. "Fußball" ist kein Überbegriff, "Eurogame" schon. Wenn, dann müsste man "Ballsportart" als Überbegriff nehmen und dann könnte man sich genauso darüber streiten, ob z.B. Golf dazu gehören soll.


    Im Übrigen denke ich schon seit Anfang dieser Diskussion an Musik mit den ganzen Genres und Untergenres. Dagegen erscheint der Spielebereich mit seinen Einordnungs- und Klassifikationsversuchen doch ausgesprochen aufgeräumt. :) Im Übrigen sehe ich die Genres im Spielebereich ähnlich wie bei der Musik: es ist auf jeden Fall hilfreich und nützlich, weil es eine gewisse (grobe) Orientierung in einem Chaos der Möglichkeiten gibt und einen Bezugsrahmen, innerhalb dessen man über einzelnde Sachen diskutieren kann. Aber sobald man aus den Definitionen eine Wissenschaft machen will, wird's ganz schnell lächerlich und unsinnig. Bei der Unterteilung irgendeiner kontinuierlichen Menge in Untermengen sind die Grenzen IMMER unscharf und fließend.

    Kategoriebezeichnungen wandeln sich. Meiner Meinung nach ist die Unterscheidung zwischen "German Game" und "Euro Game" anhand der Komplexität genauso ein Relikt vergangener Zeiten wie die Bezeichnung "German Game" selbst. Der Begriff "German Game" ist tot, "Euro Game" hat Stand 2016 den gesamten Spielebereich in dieser Ecke vereinnahmt. Nicht ganz zu unrecht, denn nicht-deutsche Autoren können genauso gut solche Spiele erfinden wie deutsche.


    Bisher kommen (noch!) die Mehrheit der Eurospiele zumindest aus Europa. Aber auch das ist nicht in Stein gemeißelt. Je mehr "euro style games" aus nicht-europäischen Staaten kommen -- und dabei längst nicht nur aus USA, sondern genauso auch aus Kanada, Australien, Neuseeland, Taiwan, Korea, usw. --, umso fraglicher wird für mich, ob da in Zukunft die Trennlinie auch noch zwischen "Ameritrash" und "Eurogame" verläuft oder ob da nicht besser andere Kategorienbezeichnungen sinnvoller wären, die überhaupt nicht mehr auf geographische Herkunft abzielen, sondern eher auf den Fokus beim Spieldesign, meinetwegen "story telling" vs "strategy" oder was auch immer. BGG unterscheidet zwischen "thematic" und "strategy". Wie unglücklich ich (und andere) das "thematic" finden, diskutieren wir nebenan, aber die Bezeichung über inhaltliche statt geographische Kriterien finde ich grundsätzlich richtig.