Beiträge von Dumon im Thema „Robinson Crusoe“

    Nachtrag:


    Ich möchte Brandigan hier gerade noch widersprechen - die Gefahr, GESPIELT zu werden, ist bei einem Alphaspieler immer das Problem der Gruppe, nicht des Spiels. Genau dasselbe kann auch bei Ghost Stories, bei Pandemie und anderen Coops passieren.


    Hier ist sie aber dadurch minimiert, dass der "Alphaspieler" oder der, der das Szenario schonmal gespielt hat, eben nicht den 100%ig besten weg kennt. Klar kennt er die SIegstrategie - aber die ist bei einem Szenario meist offensichtlich, oder recht schnell eruierbar, spätestens nach 2 Partien. Was er aber nicht kennt, sind die Karten, die kommen. Also die Zusatzprobleme, die auftauchen. Und auch er muss sich mit dem Startaufbau zurecht finden, der ja auch jedesmal etwas variabel ist. Ganz egal, wie gut ein Spieler ist in diesem Spiel - die SICHERHEIT, zugewinnen, KANN er nie mitbringen. Und selbst, wenn er einen Weg vorschlägt, der anscheinend super notwendig ist und fast 100% sicher, kann das schiefgehen!


    Das minimiert nicht, dass jemand den Ton angeben wollen könnte. Wie auch. Aber es verringert die Notwendigkeit, dem "erfahrenen SPieler" 100%ig zu vertrauen. Eine nach seiner EInschätzung hanebüchene Aktion kann klappen und einen MEga-Vorteil bringen. Eine notwendige, fast 100%ig sichere Aktion kann scheitern und das Spiel kippen. Das hilft der Gruppe, sich gegen Tonangeber "zur Wehr" zu setzen...



    Zu den Karten:
    Eure Einschätzung trügt nicht. Tatsächlich gibt es in RC FAST AUSSCHLIESSLICH schlechte Karten. In jedem Abenteuerdeck gibt es EINE gute oder etwas
    positivere. In dem Eventdeck gibt es mWn auch nur EINE gute. Und umgekehrt, unter den Schätzen findet sich EINE massiv schlechte, und
    eine, die nix wert ist!


    The Island HATES you! Deal with it!

    Naja, der Aufbau ist (wenn man z.B. eine Sortierbox hat) in drei, vier Minuten abgehandelt, wenn man weiß, was man tut...
    :)


    Eine Empfehlung von mir ist natürlich massively biased, aber ich spreche sie dennoch aus!


    Was man mögen muss:
    - Strategieplanung, während einem ständig der Boden unter den Füßen weggezogen werden muss
    - Frustrationsresistenz ist notwendig, besonders bei den schwierigeren Szenarien
    - Mut zur Lücke: die Regeln sind nicht nur 40 Seiten, sondern auch VIERZIG SEITEN REGELN.


    Bei Robinson Crusoe brennt es an 4 Ecken, und während man noch Feuer 1 und 2 löscht, lodern schon Feuer 5-8. Problem-bezogen ist RC eine Hydra. Was man bei dem Spiel lernen (und abkönnen) muss, ist bewusst auf einzelne Problembewältigungen zu verzichten und die harschen Konsequenzen in Kauf zu nehmen, um sich um die wirklich wichtigen Probleme zu kümmern. Und so nebenbei auch noch die Zielstrategie des Szenarios zu verfolgen.


    Frustrationsresistenz deshalb, weil das, was man so mühsam in drei Runden aufgebaut hat, in einer wieder zerschossen sein kann. Man rennt hier gegen den Sturm an. Wer also für den Spielspaß das Gefühl benötigt, etwas "erreicht" oder "geschaffen" zu haben, der wird mit RC keinen Spaß haben.
    Das gilt ganz besonders für die härteren Szenarien. Denn da wird einem nicht nur alles um die Ohren gehauen - da ist das Ziel auch noch so schwer zu erreichen, dass man das Gefühl hat, ständig zu scheitern (und das in 9 von 10 Fällen auch der Fall sein wird).


    Das Regelheft von Robinson Crusoe ist nicht einfach mal 40 Seiten lang, weil Pegasus das kann - in diesen 40 Seiten finden sich alle (bis zum Veröffentlichungszeitpunkt) Klarstellungen, Neuregelungen, Änderungen, Anpassungen und noch ein bisschen mehr. Das führt dazu, dass schon das Grundgerüst der Regeln nicht ohne ist, aber darüber hinaus gibt es einfach noch eine ganze Menge an Regeldetails. Vieles davon ist thematisch unterfüttert, so dass man es ganz gut abspeichern und beim erneuten Rausholen des Spieles wieder intuitiv abrufen kann. Aber oft gibt es eben auch die drei, vier Details, die man ständig vergisst oder gar ganz übersehen hat.
    Da ist es einfach wichtig, sich nicht verrückt zu machen. Robinson Crusoe hat ein fast unkaputtbares Regelgerüst, bei dem das Spiel nicht so schnell aus den Fugen gerät, wenn man mal etwas nicht ganz richtig macht. Tatsächlich war es mal als Sandbox-Spiel mit Grundregeln gedacht (die Spieler sollten nach eigenem Verständnis alle nicht abgedeckten Situationen selbst regeln/entscheiden) - aber das ging etwas in die Hose. Deshalb das umfangreiche Regelwerk.
    Vergessene Details werden aber keinesfalls den Spielspaß trüben. Sie machen ein Szenario vielleicht ein bisschen leichter oder schwerer, aber brechen werden sie das Spiel nicht. Daher - Mut zur Lücke. Wenn man etwas nicht weiß und auf Anhieb nicht findet, macht ad hoc ne Regel und schaut später nach. Und wenn ihr hinterher feststellt, ihr hattet was vergessen - was solls? RC ist kein Spiel, bei dem es um Vergleiche untereinander geht - auch, wenn die Siegpunkte-Tabellen etwas anderes vorgaukeln.


    Zu guter Letzt - wie thematisch ist RC?
    Das ist Ansichtssache. Tatsache ist, dass man während des Spielens über Ereignisse und Abenteuer sozusagen Erzählschnipsel bekommt, die sich im Kopf der SPielenden zu einer Geschichte formen KÖNNEN. Und das ist das Spannende - mitfiebern, ob die Schiffbrüchigen diesmal ihre Mission erfüllen können, was ihnen geschieht und wie sie die Gefahren und Schrecknisse bewältigen. Oder ob sie scheitern, und man wieder einmal "spielerisch" eine tragische Geschichte miterleben konnte/durfte...
    Die Mechaniken sind allerdings thematisch sehr gut eingebunden, wie ich finde. Gut, an ein paar Stellen muss man ein Auge zudrücken oder etwas anpassen - der Spielbarkeit geschuldet (immerhin ist es ein Hybrid zwischen thematischem Ameristyle und Workerplacement-Euro). Rundum aber wird man kaum enttäuscht werden...


    Was es jedoch oder nur wenig ist, das ist IMMERSIV. Viele Spieler, die RC als nicht thematisch deklarieren, bemängeln die fehlende Immersion. Man fühle sich nicht als Schiffbrüchiger, sondern eher als Euro-Ressourcen-Manager und Krisen-Optimierer. Und das ist verständlich. Vieles an RC geht um Mangelausgleich, um Vorausplanung, um gezielten Aktionseinsatz etc.. Und darüber wird am Tisch dann auch diskutiert. Ähnlich wie in Pandemie, wo man nicht Seuchenherde bekämpft, sondern eben Klötzchen wegräumt. Und wo man nicht reist, um Wissen auszutauschen, sondern Karten ablegt, um Karten weiterzugeben.
    Die Geschichte entsteht daher eher in Retrospektive. Ein Tag ist vergangen, und die Schnipsel fügen sich zu einem Ablauf zusammen, der die Geschichte des Tages ergeben kann. Wenn man sich eben darauf einlässt...


    Was RC auf jeden Fall ist, ist eine Herausforderung.
    Vielleicht nicht alle Szenarien - es gibt solche, die einen Überblick geben (Szenario 1, mittelschwer), einfache (Szenario 2), im Schwierigkeitsgrad aufsteigende (3, 4, 6) und Alptraum-Szenarien (Szenario 5). Jedes muss anders gespielt werden, jedes fühlt sich ein bisschen an wie eine ganz neue Herausforderung.