Beiträge von Bierbart im Thema „28.12.2015-03.01.2016“

    Ich würde in Bezug auf Study in Emerald noch ergänzen, dass der Erklärer des Spiels die Sache ein wenig ungeschickt angepackt hatte. Ein Spiel, das auf thematischer Ebene funktionieren soll, muss man oft erklärungstechnisch anders anpacken als ein Spiel, bei dem das Setting effektiv egal ist. Dass die Großen Alten in diesem Setting an der Regierung sind, hätte er beispielsweise besser erwähnen sollen. Ich wette, das Spiel wird viel zugänglicher und intuitiv begreifbar, wenn die abstrakten Rollen und Mechanismen mit der zugehörigen Geschichte ausgefüllt werden.


    Es war im Übrigen ich selbst, der nach der Kennenlernpartie gleich eine zweite vorgeschlagen hatte. Nur hat das leider nicht viel geholfen. Ich glaube, Wallace entwirft einfach Spiele, die mir von der grundsätzlichen Herangehensweise nicht entgegenkommen. Das ist eine Frage von Designphilosophie. Wallace hat ganz offenkundig großen Spaß daran, Mechanismen raffiniert neu miteinander zu verkabeln und spricht damit einen Spielertypen an, der Wert auf eben diese Aspekte legt, bzw. Spiele vorrangig mit dem Kopf angeht. Ist man dagegen eher der Typ, der gerne aus dem Bauch heraus spielt und auf einen emotionalen Kick hofft, dann liegt man mit Wallace tendenziell daneben. Um den beliebten Vergleich mit der Musik wieder einmal zu bemühen: Wallace kommt mir vor wie ein Komponist, dem es trotz all seines großartigen Verständnisses für die mathematische Struktur von Musik einfach nicht gelingt, mich mit seiner Musik zu begeistern.


    #AStudyInEmerald #MartinWallace

    Gegen Ende des Jahres wurde es noch einmal bunt.


    Neben "Bausack", "Ein solches Ding" und anderen Kleinigkeiten auch eine an Dramatik kaum zu überbietende 4-Spieler-Partie Star-Wars-Risiko mit ehemaligen Schulkameraden (einer davon ist am nächsten Tag ab nach Österreich "zum Schifahren", muhaha!). Nachdem das Imperium zunächst ein schlimmes Massaker unter den Rebellen angerichtet hatte, nutzten die zwei von nur drei noch verbliebenen Rebellenraumschiffen unter Zuhilfenahme eines Bonusbefehls und gegen alle Chancen eine Lücke im Verteidigungsnetz aus. Es machte bumm!, und wieder gab es einen Todesstern weniger in einer weit, weit entfernten Galaxie. Wow. Was für eine hoch emotionale Partie mit einem würdigen Abschluss! Zum Glück haben sich bei all dem Geschrei die Nachbarn nicht beschwert.


    Nennenswert finde ich das noch etwas neuere "Anno Domini Wissenschaft". Das ist knackig, teilweise richtig schwer, wartet jedoch wie immer mit allerhand kuriosen Erkenntnissen auf: 1 Olf = Körpergeruch eines erwachsenen Menschen bei 0,7 Bädern/Tag. Übrigens gibt's aber auch mindestens einen Fehler: Die Leute am Südpol haben nämlich die Einstein'schen Gravitationswellen doch nicht entdeckt, wie Mitte des Jahres bekannt wurde, wie Freunde des Harald-Lesch-Youtubekanals "Urknall, Weltall und das Leben" wissen). Ich glaube jedenfalls, irgendwann muss ich noch ein Buch schreiben mit dem Titel: "Alles, was ich zum Leben brauche, habe ich von Anno Domini gelernt".


    Weniger überzeugend, aber immernoch okay: Hold the Line. Ein taktisches Wargame über den US-Unabhängigkeitskrieg mit vielen Elementen, die man von anderen taktischen Hex-and-Counter-Spielen kennt: Terraineffekte, Leader, Moralchecks, Rally, LoS, Aktionspunkte... aber alles sehr stark vereinfacht. Es gibt kein Facing, Pinnen/Disorder, Erschöpfen, Interventionen etc. Dafür ist zumindest alles in Größe XXL vorhanden, in Abmaßen wie etwa bei Memoir '44 oder Battlelore. Etwa diese Nische innerhalb des breiten Spektrums der Brettspiele besetzt Hold the Line auch. Es ist eine Ecke komplexer als M'44, aber ganz sicher noch auf Einsteiger-Level, sogar ein bisschen zu stark vereinfacht nach meinem Geschmack. Das Spielgefühl erinnerte mich am ehesten an Blood&Roses, auch wenn das auf mechanischer Ebene natürlich deutlich anders funktioniert.


    Puh, Ihr merkt, das Stimmungsbarometer fällt? Also nun "heraus mit dem Hammer", um einen gewissen Klepper zu zitieren, der in letzter Zeit die Welle machte:


    A Study in Emerald. Das ist eines dieser Spiele, die in der Theorie wunderbar vielversprechend klingen, weshalb das Spiel zunächst in der Erstauflage, dann wieder nach Erscheinen der Zweitauflage auf meinem Radar erschien. Nach zwei Partien (Neuauflage) bin ich mir allerdings sicher: Ich respektiere das Design, aber das Spiel mag ich nicht besonders. Unter einem halbwegs gelungenen smaragdgrünen Tarnanstrich versteckt sich ein kopflastiges Euro, bei dem die Mechanismen im Vordergrund stehen -- aber immerhin ist es bemüht um thematische Frische. Ich habe die Geschichte von Neil Gaiman nicht gelesen, von daher kann ich nicht sonderlich gut beurteilen, inwiefern die Mechanismen das Thema widerspiegeln; aber nach dem, was ich über die Literaturvorlage gelesen habe, kommt mir diese Umsetzung thematisch etwas gelungener vor als bei Ankh-Mopork, einem anderen Spiel von Wallace, das mich ebenfalls sehr reizte -- und enttäuschte.


    Ich jedenfalls empfand das Spiel als beinahe aufdringlich mechanisch, und das nicht einmal deswegen, weil der Deckbaumechanismus hier völlig unpassend wäre. Der Grund ist, dass Wallace hier trotz aller interessant verkabelten Mechanismen (Gebietenmehrheit, Deckbau, Deduktion, Assymmetrie...) unterm Strich ein Siegpunkt-Erntespiel gebaut hat, bei dem die verquere, unintuitive Punkteoptimierung die Stimmung zerstört: Da kann man lustig an Siegpunkteanzeigern herummanipulieren, bekommt Punkte für "Stadtkarten" (was genau sollen denn die überhaupt darstellen?), und der am Schlechtesten platzierte muss in der Endabrechnung samt Teamkollegen nochmal Punkte abgeben, weshalb der Erstplatzierte eventuell blabla... nur warum eigentlich? Wo ist das thematisch begründet? Das ist halt so 'ne typische Euro-Macke. Die Stimmung ist egal. Hauptsache, die Mechanismen werden raffiniert neukombiniert.


    Nun gut, das ist die eine Sache. Die andere ist: Bei mir kam in beiden Partien kein Gefühl der Spannung auf. Keine Spurr von Dramatik, vielleicht bis auf die Offenbarung der identitäten, sorry. Wie auch? Kämpfe werden ja deterministisch abgehandelt (imho designtechnisch eine absolute Todsünde in Hinblick auf Spannungsmomente!), und ob es das Spiel je wird bewerkstelligen können, einem klassisch dramatischen Verlauf folgend auf ein Finale hinzuarbeiten, halte ich zumindest für sehr zweifelhaft. Insofern versagt das Spiel als Umsetzung einer Kurzgeschichte mit dramatischem Verlauf womöglich auch auf einer thematischen Meta-Ebene -- aber das ist eine andere, allerdings sehr interessante Diskussion.
    Nach dem, was ich von Wallace bisher kenne, habe ich allerdings auch nicht das Gefühl, dass ihm Spannungskurven oder dramatische Momente sonderlich wichtig wären. Das sind aber genau die Dinge, auf die es mir entscheidend ankommt! Ich habe leider noch kein einziges Spiel von Wallace entdeckt, das mir wirklich gefallen hätte. Aber vielleicht liegt's am Ende doch nur am Deckbaumechanismus? Ich habe nämlich ebenso noch kein einziges Deckbauspiel entdeckt, das mir wirklich gefallen hätte.


    Ganz anders dagegen Nexus Ops! YEEEES!! Ich habe schon lange nicht mehr erlebt, dass mich ein Spiel dermaßen begeistert hat! So cool! Richtig richtig geil! Absolut kompromissloses, voll auf Kampf gebürstetes und aufs Wesentliche reduziertes Spiel mit kurzer Spieldauer (und einer Kampfmechanik, die an Axis and Allies erinnert). In Nexus Ops gibt es praktisch keine Aufwärmphase. Einigeln geht nicht, denn dafür kriegt man keine Punkte. Das ist das wahre Starcraft-Brettspiel!


    #StarWarsRisiko #AnnoDomini #HoldTheLine #AStudyInEmerald #NexusOps