Beiträge von Bierbart im Thema „Meinung gesucht zu Love Letter Rezension“

    Sorry, mal ganz blöd gefragt: Wie alt ist denn eigentlich diese elendige Diskussion um Qualitätsstandards bei Spielekritiken bereits? Irgendwie beschleicht mich nämlich so langsam das Gefühl, um zwei, drei Jahre zu spät zur Party gekommen zu sein.

    Ich nehme an, Du beziehst Dich vor allem auf das Fazit? Ja, diese Referenzen und Interpretationen finde ich immer besonders interessant. Ich habe diesen letzten Abschnitt tatsächlich mit recht viel Neugier gelesen, weil mein Wissen über Comics bei Asterix aufhört. Ist 'ne völlig unbekannte Welt für mich. Ich fand das gut, hätte sogar gerne noch ein wenig mehr über die bunte Welt der Comics gelesen. :)


    Aber hey, um einem möglichen Missverständnis vorzubeugen: Ich befasse mich mit solchen Dingen auch nur in der Freizeit. Ich habe das eine oder andere auch irgendwann in der Schule oder in Gesprächen aufgeschnappt, und einmal hatte ich vor ein paar Jahren einige Seiten eines Buches über Literaturkritik gelesen (das Buch übrigens, auf das @Elektro kürzlich irgendwo hier verwiesen hatte). Ich hänge mich in diese Diskussion wirklich nur darum so rein, weil ich einfach sehr gerne gut geschriebene Texte lese. :)


    Vielleicht als Ergänzung noch ein Beispiel für ein Review, in denen der Aspekt der kulturellen Reflexion meiner Meinung nach geradezu meisterhaft umgesetzt wurde. Ich habe schon öfter erwähnt, dass Barnes für mich der vielleicht beste Schreiber unseres Hobbys ist. Schon zu oft, wahrscheinlich. In seiner Rezension zur "Psycho Raiders" wird womöglich klar, weshalb ich ihn als Schreiber und Analytiker so schätze: Cracked LCD- Psycho Raiders in Review | No High Scores Wir haben hier einen Text, der gar nicht erst den Spagat zwischen Verkaufsberatung und Kulturjournalismus versucht, sondern der sich ausschließlich darum bemüht, ein Spiel im besten Sinne "kritisch" zu würdigen, ohne dabei aber irgendwie akademisch zu werden. Wir haben einen unterhaltsamen Schreibstil, eine klare Kante, keine überflüssigen Regelerläuterungen, keine hohlen Phrasen, keine Oberflächlichkeiten. ...womit ich damit NICHT meine, dass man dem Schreiber inhaltlich immer zustimmen kann. Es ist nur ein Beispiel dafür, wie unterhaltsam und zugleich doch tiefsinnig und reflektiert man Brettspielkritiken schreiben kann.

    Aber ich dachte der Dativ wär dem Geneitiv sein Tod?


    Was passiert denn nun mit all den Frittenbudenbesitzern samt ihrer Deppenapostrophse?


    "Dem Heinz ihm seine Würstchenbude" und "Irma ihre Frittenrösterei"?

    Der Dativ hat den Genitiv schon umgebracht gehabt, als der Bastian Sick auf die Idee gekommen ist, seine verunglimpfenden Sprachbevormundungsbücher zu verfassen. Das gilt, wenn man den einschlägigen Internetquellen glauben möchte, für den gesamten oberdeutschen Sprachraum. Und der ist ganz schön groß. "Dem Heinz seine Würstchenbude" täte hier niemand falsch finden, zumindest im mündlichen Sprachgebrauch. Wobei er sich kulinarisch und unterbringungstechnisch schon an die lokalen Besonderheiten anpassen sollte, wenn er denn in der Zukunft irgendwo dorthin verzieht. Anstelle von einer Würstchenbude sollte er vielleicht besser einen Spätzlespalast oder ein Maultaschenhäusle einrichten. Oder einen Mostschuppen.


    Puh, ist erstaunlich anstrengend, korrekte Dialektgrammatik in der Schriftsprache zu benutzen. :)

    Ich glaub ich muss da mal bei Duden Duden | be­schimp­fen | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Synonyme reklamieren

    Da mach ich mit! SKANDAL! Das ist Sprachfaschismus! Jawoll! "Nicht geschumpfen ist genug gelobt", wie jeder weiß, der im bruddligen Schwabenland aufgewachsen ist! Ach so, "bruddlig" ist ja auch kein erlaubtes Wort im Schriftdeutsch. Boah, wie ich sowas hasse. Wie kann man sich anmaßen, den alltäglichen Sprachgebrauch einfach so zu übergehen?


    Als Zeichen des zivilen Ungehorsams gegen Bevormundung durch Sprachfaschisten werde ich von nun an den Gebrauch der Fischkopf-Erfindung "Genitiv" konsequent verweigern und jedes überflüssige Relativpronomen durch das viel praktischere "wo" ersetzen. X(


    Es sind schon aus geringerem Anlass Kriege vom Zaun gebrochen worden.

    wird das seit der letzten Rechtschreibreform so geschrieben? <X

    Nee, das wird schon immer so geschrieben! Wenn der Duden etwas anderes behauptet, dann ist das natürlich ein Fehler.


    Meiner Erfahrung nach kannst Du Spielautoren und Grafiker im allgemeinen hier nicht in einen Topf werfen. Die meisten Autoren scheren sich nciht um Gewinnmaximierung, denn ob der dann 0,05 € oder 0,055 € beträgt ist dann auch egal. Die bekannten Illustratoren hingegen, die werden, im Vergleich zu den Autoren, doch wesentlich besser entlohnt. Vor allem haben die meistens nicht das Risiko wenn das Spiel am Ende floppt..

    Ich hatte auch eher die Verlage im Sinne, weniger die Kreativen. ;)

    Woran ich mich jetzt einfach nur gestört habe war: warum muss ich BESSER sein, als meine Leser? Kann ich meine Erfahrungen nicht auch einfach nur mit meinen Lesern TEILEN? Natürlich gehört dazu auch alles, was du geschrieben hast: Analyse der Mechaniken, Kontextualisierung (andere Spiele, andere Mechaniken, thematische Einbindungen und und und) ... mich stört einfach nur dieser ewige Schw***vergleich. Ich schreibe doch nicht für Kindergartenkinder, sondern für die Leute, die dieses Hobby mit mir teilen. Denen schreibe ich zu, dass die ein Spiel ebenso analysieren können wie ich. Nur dass ich darüber schreibe. Im Vordergrund steht doch eigentlich der Spaß an der Sache selbst und nicht das "Bessersein"

    Upps, jetzt hab ich mich doch dazu hinreißen lassen, die Sache allgemeingültig zu formulieren? Das war dann übers Ziel hinausgeschossen. :/ Ich wollte damit sagen: Um mich mit seinem Text begeistern zu können, sollte ein Rezensent besser analysieren können als ich selbst. Muss er aber nicht. Jeder Text, der mich unterhalten kann, ist für mich erstmal lesenswert, völlig unabhängig vom Inhalt.


    ...okay, ich merke schon, ich hätte in meiner schönen persönlichen Prioritätenliste von vorhin besser den Unterhaltungswert der Schreibe nach ganz oben setzen sollen. ;) Übrigens, klar kann man seine Meinung oder Eindrücke einfach nur mit anderen teilen. Machen viele Leute beispielsweise auch genau hier. Naja, also in den Nachbarthreads, die mit so komischen Zeitabschnitten betitelt sind.. :) Sobald man halt anfängt, etwas als "Rezension" zu etikettieren, setzt man IMO aber auch die eigenen Maßstäbe eine Liga höher. Mein bisher einziger ernsthafter Versuch dazu ist, nebenbei bemerkt, eine fürchterliche Bleiwüste, die außer mir ziemlich sicher kein Mensch auf der Welt durchgelesen hat. (Space Hulk Todesengel als Solospiel, drüben in den Spielebesprechungen).

    @BGBandit Bei Kontextualisierung im Rahmen einer Brettspielkritik geht's doch nicht um Goethe (oder die Metallica oder van Gogh). Es geht um Reflexion des besprochenen Spiels im Rahmen unserer "Subkultur". Ich setze das in Anführungszeichen, weil mir das hochtrabende Gerede vom Brettspiel als "Kulturgut" eigentlich gegen den Strich geht. Ein Brettspiel ist kein Kulturgut. Es ist im Großen und Ganzen ein Konsumgut zur Unterhaltung, bei dem das kreative Werk der Beteiligten (Spieleautor, Grafiker...) dem Ziel der Gewinnmaximierung untergeordnet wird. In aller Regel zumindest, wenn man von ein paar wenigen unabhängigen Köpfen wie Nate Hayden oder Phil Eklund absieht.


    ABER: Brettspiele sind und bleiben kreative Werke, weshalb man kuturjournalistische Maßstäbe daran anlegen kann. Ich schreibe hier wieder absichtlich "kann", weil man es nicht muss. Ich habe anders als "Reich der Spiele" null Problem mit jedem Blogger und Hobbyrezensenten, der im Internet seine Meinung kund tut. Das meiste davon finde ich persönlich nur nicht lesenswert, weil inhaltlich schlecht oder langweilig oder uninspiriert.


    ...Mensch, das war jetzt 'ne schöne Überleitung zum Stichwort "geistreich", gell? ;) Also, was heißt "geistreich"? Das heißt, dass der Rezensent ein kluger, analytischer Denker sein sollte, der dazu in der Lage ist, seine Gedankengänge dem Leser verständlich und am besten unterhaltsam zu vermitteln. Das kann in die Richtung einer Analyse der Mechaniken gehen (es gibt ja insbesondere unter der Spezies der Euro-Spieler richtige Mechanismusfetischisten, wie man so hört), oder von Spielstrategien, oder kann eben auch auf die Bedeutung des Spiels in einem kulturellen Kontext abzielen (jaaa, da haben wir's wieder, ich weiß).


    Immernoch zu abstrakt? Dann ein Beispiel: Wenn jemand ein asymmetrisches Spiel wie Marco Polo rezensiert, dann liegen verschiedene Startpunkte für weitergehende Ausführungen nahe. Die COIN-Serie muss jedem sofort in den Sinn kommen, der sich mit asymmetrischen Designs beschäftigt. Die COINs sind auf mechanischer Ebene pure, sauschwierige Euros -- da liegt die Referenz einfach auf der Hand! Oder was ist mit dem Stellenwert innerhalb der Familie der Euro-Spiele? Sehen wir hier eine neue Entwicklungslinie, weg vom öden symmetrischen Siegpunkte-Ernten hin zu mehr Interaktion? Steht das Spiel in der selben Linie wie Alien Frontiers, oder Burgen von Burgund? Ist das Cover reine 08/15-Funktionskunst, oder unverbraucht? ...Hoppla, für solche Ausführungen braucht man dann tatsächlich Ahnung von der Materie. :) Und zwar mehr als der Leser. Stellt sich der Rezensent damit über diesen? Finde ich nicht, denn dem Leser wird ja wiederum seine eigene Meinung dadurch nicht aberkannt.


    Okay. Noch 'ne allgemeine Ergänzung: Ich bin sehr froh über die Vielfalt der Formen und Stile bei Rezensionen. Ich habe vorhin mal bei BGG ein wenig bei den Rezis zu Love Letter gestöbert. Da sind ein paar wirklich gute Artikel dabei, die nur wenigen der oben aufgeführten Kriterien entsprechen, aber sie sind eigen, subjektiv und unterhaltsam, und somit meines Erachtens sehr lesenswert; lesenwerter jedenfalls als das meiste, was man von den üblichen Kandidaten im deutschsprachigen Raum kennt. Die hier zum Beispiel finde ich super: What, exactly, makes a human laugh? [review] | Love Letter | BoardGameGeek

    Hmhm, also wirklich richtig ernsthaft? :) Sollte ich mich aufs Glatteis wagen...? Ich meine, so als Kritiker der Kritik könnte einer auf die Idee kommen und meine Kritik an Deiner Kritik ganz schlau nach den Maßstäben kritisieren, die ich selber gerne an eine Kritik anlege, und dann müsste ich mir ja richtig Mühe geben, und das würde mehr Zeit in Anspruch nehmen, als ich habe, und am Ende geht's Dir vielleicht ja doch nur darum, Besserwisser wie mich als solche zu entlarven...? Gefährlich, gefährlich! Ich sehe schon den Haken durch den Köder blitzen...


    Also kurz gesagt, hier meine Kompetenzkompetenz ...äh Kritikkritik!


    Nee, doch nicht. Aber kommt noch.


    Zuerst einmal müsste ich darlegen, was meine persönlichen Maßstäbe für eine gelungene Kritik sind, und zwar in ungefährer Rangfolge. Ist eine ad-hoc-Liste, also bitte nicht festnageln, okay?
    - Der Schwerpunkt ist die Kritik im eigentlichen Sinne, nicht die Verbraucherinformation. Ich will Kontextualisierung. Das klingt jetzt wahnsinnig hochtrabend und versnobbt, heißt aber ganz banal: Es geht nicht um die Nacherzählung der Regeln oder darum, wem "das Spiel gefallen könnte", sondern um dessen Reflexion im Kontext eines facettenreichen Hobbys. Das ist wichtig! Danach kommen erstmal ungefähr drei Misthaufen, der blaue Elefant aus der Sendung mit der Maus und der umgefallene Sack Reis in China. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass er Ahnung von der Materie haben muss, sprich: Kompetenz.
    - Hingabe an das besprochene Spiel, ehrliches Interesse.
    - Eng verwandt damit: Der Rezensent muss geistreich sein und sollte besser analysieren können als ich als Leser. Er muss mich auf Ideen hinweisen können, auf die ich selber nicht gekommen wäre.
    - Daraus folgt konsequent: Ein hoher Informationsgehalt, im Optimalfall umfassend. Auch Metadaten gehören dazu.
    - Schreiben muss er können. Ich meine damit: er muss vor allem gut schreiben können, also besser als die meisten. Dazu gehören ein breiter Wortschatz, Wortwitz, und die Fähigkeit, durch präzise Wortwahl den Nagel auf den Kopf zu treffen. Sein Schreibstil sollte eine individuelle Note haben. Keine Texttbausteine. Keine hohlen, abgedroschenen Phrasen (5 Mark ins Phasenschein!).
    - Profil und Kante: Mir muss als Leser klar sein, wo der Rezensent selbst verortet ist. Wischei-Waschi braucht kein Mensch. Er soll unbeeinflusst schreiben (und keinesfalls auf Thygras Bellen hören).
    - Strukturierung. Die Länge des Textes ist unwichtig, solange die Struktur gegeben ist. Das auf BGG sehr bekannte Review von Ender Wiggins zu "Im Wandel der Zeiten" auf BGG ist geradezu erschlagend ausführlich, aber eben darum ist es so gut!
    - Bebilderung
    - Beachtung formaler Aspekte wie Rechtschreibung und Grammatik


    So. Nun zu Deinen Rezensionen:


    Erster Eindruck: Schönes Konzept für den Blog. "Spiele, Heavy Metal und mehr" -- cool! Das macht schon mal nicht so einen todernsten Eindruck. Kein "Spieletest", oder "Spielerezensionen" im Titel. Sprich: Du willst nicht den Anschein erwecken, wahnsinnig kompetente Reviews verfassen zu wollen, oder Käuferinformationen, sondern ein subjektives Weblog. So nehme ich den zumindest wahr -- womit sich bereits viel von dem relativiert, was ich oben ausgeführt habe. Ich nehme das (den?) Blog als lesenswerte Darstellung der Meinungen und Eindrücke einer kompetenten Einzelperson wahr.


    Kontextualisierung habe ich nicht gefunden. Finde ich schade, da ich glaube, dass Du als einer von nur wenigen Schreibern im deutschsprachigen Raum die dazu nötige Kompetenz hättest. Mir ist das insgesamt zu oberflächlich. Zumindest bei Love Letter ist kein Aspekt aufgeführt, der mir nicht selbst aufgefallen wäre, wenn ich mich auch an die Holzherzchen nicht erinnern kann. Die beiden anderen Varianten habe ich nicht gespielt.


    Du hast aber in jedem Fall einen unterhaltsamen Schreibstil, was schon mal ein dickes Plus ist. Die vorhandenen Tippfehler sind mir egal. Ich will Reviews aus vershiedenen Gründen lesen (wenn ich sie denn lese), aber nur dann, wenn sie unterhaltsam sind. Du trittst zumindest einmal in die Phrasenfalle ("kann jederzeit auf den Tisch kommen"), aber davor ist niemand gefeit, der viel über Spiele schreibt. Hab ich hier selber wahrscheinlich auch schon benutzt. Ich persönlich mag aus diesem Grund auch die unter Schreibern beliebte Überschrift "Fazit" nicht, aber immerhin bringt das Struktur in den Text.
    Bebildert sind die Rezis, was natürlich gut ist, aber ich habe den Eindruck, Du hast die Bilder eher der Illustration bzw. der Vollständigkeit halber hinzugefügt. Besser wäre es IMO, die Bilder funktional einzubauen, beispielsweise zur Verdeutlichung eines Aspekts Deiner Darstellungen im Text.


    Wo Du als Spieler geschmacklich zu hause bist, kann ich aus den drei Texten alleine nicht ableiten (was zwar die Regel bei fast allen Rezensenten ist, die man nicht öfter liest, aber dennoch wichtig wäre). Für einen unvoreingenommenen Leser ist immer gut, wenn der Rezenent -- von mir aus in einer Abschweifung, oder eben im Rahmen der Kontextualisierung -- für oder auch gegen bestimmte Konzepte argumentiert.

    @Reich der Spiele Wie so oft, wenn ich Deine Plädoyers für mehr Qualität im Spieljournalismus lese, teile ich zumindest weitgehend Deinen Standpunkt; aber wenn Du mit Tomsch schon so hart ins Gericht gehst, dann möchte ich Dir bei der Gelegenheit auch gerne sagen -- mit allem Respekt für Deine Mühen -- dass meiner Ansicht nach Deine Spielekritiken diesen Qualitätsstandards selbst nicht so ganz genügen. Die von Dir verlinkte Love-Letter-Rezension beispielsweise ist sicher okay, aber im Grund auch nur Verbraucherinformation -- fundiert und sachlich, aber ohne Pepp und/oder ohne individuellen, unverkennbaren Stil. Vermutlich nicht geschrieben für Leute wie uns? :)