Beiträge von Countrysidepop im Thema „Welches Hobby neben Brettspielen?“

    "Otherland" von vor ein paar Jahren war beispielsweise einzigartig aufwendig (und auch einzigartig gut!), aber hatte nicht die kammerspielartige Ruhe älterer Hörspiele. Aber insgesamt gibt's beim Radiohörspiel von heute eine enorme thematische und inszenatorische Vielfalt. :) Ich finde schon, dass die ÖR ihrem Kulturauftrag gerade(!) in diesem Feld gerecht werden, anders als das Fernsehen. Vieles beispielsweise von DLR, BR oder S2 ist sogar dermaßen auf Kultur gebürstet, dass ein Normalbürger damit nichts mehr anfangen kann.

    Aber die Anzahl an Eigenproduktionen ist enorm zurückgegangen. Der DLF bedient sich SF-hörspielmäßig aussschliesslich der Archive. Die Heidelberger Wissenschaftsredaktion des SDR produzierte pro Monat ein SF-Hörspiel. Den Hörspiel-Sendeplatz am späten Montagabend teilte sich das SF-Hörspiel des SDR mit einem Krimi und einem "Phantastik-Hörspiel aus Studio 13", einem Hybrid aus SF, Fantasy und Mystery. Zu den überragenden Produktionen gehört für mich z.B. auch die 80er Hörspielfassung des SWF von HERR DER RINGE von Bernd Lau, welche die Filmtrilogie übertrifft, weil sie hörspielnaturgemäß die vorgefertigten Bilder nicht nötig hat und auf innere Visualisierung setzt - das Problem jeder Filmfassung eines Buches.


    Die kammerspielartige, inszenatorische Ruhe, die Du erwähnst und die ich sehr schätze, ist natürlich auch dem weniger hektischen, analogen Zeitgeist geschuldet, der heute im digitalen Wandel Speed, Amphetamin und Cuts verehrt, weil er versucht die mastgansige Informationsdichte unserer Zeit zu bewältigen. Ecstasy ist eben auch eine Symboldroge, wie das bewusstseinserweiternde LSD oder Heroin es waren. Bei den SF-Hörspiele von damals steht das Dialogische/Kommunizierende im Vordergrund, während das Beispiel OTHERLAND das Aktionistische/Mehrdimensionale betont.


    Über die Hörspieldatenbank "Hördat" lassen sich alle Arten von Hörspielen auf den Sendeplätzen der ÖR finden. Über den Mitschnittdienst des SWF kann man übrigens zumindest die alten SF-Hörspiele des SDR für teuer Geld erwerben.


    Und ein Thread, der "andere Hobbys" heisst, verträgt auch nerdhafte Exkurse in andere Kulturbereiche. :)

    Oha. Das ist ja eine bemerkenswerte Einschränkung. Mal so von einem Radiohörspielhörer zum anderen gefragt: Was macht die Produktionen aus diesen Jahren für Dich zu etwas Besonderem?

    Keine Einschränkung. Die SF-Hörspielproduktionen des SDR umfassen nahezu drei Jahrzehnte. Das Niveau der Arbeiten ist neben den Produktionen des BR in Deutschland innerhalb der großen, deutschen Tradition des SF-Hörspiels unerreicht - zu einer Zeit, in der die Kulturredaktion des Radiosenders noch einen öffentlichen Auftrag hatte und nicht nach neoliberaler Gewinnmaximierung gierte.


    Mit ruhiger Hand wurden komplexere Inhalte in eine ruhige, akustische Form gegossen. Die damalige Kunst skizzierte eine ferne Zukunft, der wir heute näher gekommen sind: Automatisierung, Digitalisierung, Genmanipulation, Klimakatastrophe, Medienmacht, Verrohung, Vergreisung.


    Durch die Kommerzialisierung der Räume regiert der € längst auch den einst öffentlichen Kulturauftrag. Akustikkunst wie sie die Heidelberger Wissenschaftsredaktion des SDR oder der BR schufen, sind rar geworden.


    Doch hier und da geht ab und an noch ein kleines großes Werk von damals über den Äther, die unserer Phantasie erlaubt, ihren eigenen inneren Film zu drehen. Und dabei Bilder im Kopf schafft, wie man sie in keinem Bildarchiv der Welt findet.


    Ich persönlich bin mit dieser Kunst aufgewachsen. Jeden Montag hing ich zu abendlicher Sendezeit am Radiogerät, um den fantastischen Geschichten der Zukunft, wie sie der SDR imaginierte, zu lauschen.


    Eine der guten Seiten des digitalen Zeitalters ist, dass sie uns eine Plattform bietet, die verlorenen Schätze in die Flut der Informationsschwemme zu werfen, auf das sie von Gleichgesinnten unter Tränen der Freude gefunden wird.


    Für alle, die sich näher mit SF-Hörspiel beschäftigen wollen, empfehle ich den Almanach des Frankfurter Apothekers Horst G. Tröster: "Science Fiction im Hörspiel 1947 - 1987".


    Und allen Interessierten, die sich fern der täglichen visuellen Reizüberflutung in der Welt der analogen Ohren eine Auszeit mit eigenen, farbenfrohen Bildern gönnen möchten, verweise ich beispielhaft auf einer meiner vielen Lieblinge aus der Heidelberger Wissenschaftredaktion aus dem Jahre 1978.


    TÖDLICHE DOSIS FÜR MILLIONEN von Hans Peter Pressmar. Take an Ear.


    ich begeistere mich für:
    - Brettspiele
    - Farben
    - Filmkunst
    - Fußball (KSC, Deutschland)
    - Franko-belgische Comic-Klassiker
    - Karlsruhe
    - Kinderspielzeug 70er
    - Licht, Sommer, Wasser, Wellen
    - meinen lieben Sohn
    - Musik der Popsubkulturen und Jugendkulturen aller Jahrzehnte und Epochen
    - Science Fiction
    - SF-Hörspiele der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten der 70er/80er (im speziellen Produktionen der Heidelberger Wissenschaftsredaktion des SDR)
    - Schrammelgitarre spielen (Postpunk)