Beiträge von Bierbart im Thema „Rezensionen: schwarze Schafe, Verrisse etc.“

    Was heißt es denn, wenn ein Spiel eine negative Rezension bekommt?
    - Der Mangel kann rein persönlicher Natur sein (...) Frägt man 1000 Leute über ein Produkt bekommt man 1001 Meinungen.
    - Der Mangel ist allgemein (z.B. fehlerhafte Übersetzung der Anleitung). (...)

    Ich finde, eine gute Rezension (bzw. "Kritik" wäre in dem Falle eventuell das passendere Wort) kann auch auf andere Weise negativ ausfallen, wenn das kritisierte Spiel nicht auf den Käufer und den Wert des Spiels als Gebrauchsgegenstand bezogen, sondern in einen Kontext der Brettspielkultur gestellt würde. Ideenlosigkeit und Feinschliff in Richtung Mittelmäßigkeit wäre für mich so ein Kriterium. Ich denke da beispielsweise an die wie gleichgeschaltet gestalteten Eurodude-Spielecover, das hundertste Zombiespiel, das tausendste Ich-baue-mein-Tableau-Arbeitereinsatzspiel. Diese Art der Abgedroschenheit wird in beinahe jedem anderen Bereich der Kritik normalerweise aufs Schärfste abgestraft.


    Oder anders gesagt: Bei einer guten Theater- oder Buchkritik käme niemand auf die Idee, primär auf den Gebrauchswert des besprochenen Stücks für eine bestimmte Zielgruppe abzuzielen (à la "Dieses Buch richtet sich primär an kinderlose Akademikerinnen in den Wechseljahren" -- wobei auch solch eine Formulierung bei einem Verriss sicher vorstellbar wäre). Es geht primäre eben NICHT darum, dem Leser der Kritik beim Kauf einer Eintrittskarte eine Entscheidungshilfe zu bieten, sondern das Besprochene aus möglichst vielen Gesichtspunkten heraus als kreatives Werk zu beurteilen -- und da haben wir den meiner Ansicht nach entscheidenden qualitativen Unterschied zur typischen Brettspielrezension! Ich kenne kaum einen Rezensenten, der/die sich diese Herangehensweise angeeignet haben.

    Wenn Rezensenten sich scheuen, eine negative Spielbesprechung zu verfassen, weil sie fürchten, in Zukunft von Verlagen geschnitten zu werden (und das scheint ja tatsächlich der Fall zu sein), dann ist das für mich zumindest ein weiterer Hinweis darauf, dass es mit dem hochtrabenden Geschreibsel vom "Brettspiel als Kulturgut" nicht weit her ist. Man stelle sich einmal vor, im Kulturbetrieb würde man sich davor scheuen, eine Theaterinszenierung zu verreißen oder den neuesten Kitsch von Paulo Coelho. Unvorstellbar.


    Ich finde übrigens, eine Rezension soll nicht nur informieren. Sie darf auch gerne unterhalten. :)

    Null problemo. Ich mit wollte nur herausstreichen, dass ich Deine Anmerkung gelesen habe, bevor ich den Link setzte.


    Aaaber wenn wir schon dabei sind, dann würde ich es gerne doch genauer wissen. :) So ganz eindeutig ist die Sachlage bei näherer Betrachtung nämlich nicht:


    Zum einen wird die Begrifflichkeit "Rezension" tatsächlich weder im Duden noch in der deutschsprachigen Wikipedia so definiert, wie Du das tust. Zumindest die online-Version des Duden trifft keine Einschränkung dieser Art Duden | Re­zen­si­on | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Synonyme, Herkunft (meinen eigenen Fremdwörter-Duden habe ich leider nicht zur Hand, vielleicht stehts's ja da drin). Die deutschsprachige Wikipedia ist ebenfalls nicht so kategorisch (was aber im Zweifel eh nichts bedeutet, da die Einzelnachweise fehlen). Zum anderen führen wir zahlreiche Synonyme in unserem Sprachgebrauch wie beispielsweise "Besprechung", "Kritik", ganz zu schweigen von Gebrauch entsprechender Wörter in anderen Sprachen. Sich hier auf die Semantik des Wortes "Rezension" im Deutschen einschießen, wird daher wahrscheinlich nichts bringen.


    Wir sollten außerdem nicht vergessen, dass wir uns hier nicht in einem akademischen Diskurs befinden. Wenn wir als Sprecher einer Sprache ein Wort in einem bestimmten Bedeutungszusammenhang regelmäßig gebrauchen (z.B. "Rezension" für eine Kurzmeinung bei Amazon), dann ist das eben die Bedeutung des Begriffs in einem nicht-wissenschaftlichen Umfeld. Dass so etwas nicht für eine Rezension im Sinne der Literatur- oder Wissenschaftskritik genügen würde, das ist ja klar; und dass der inflationäre Gebrauch des Wortes jedem Literaten oder kulturwissenschaftlich interessierten Menschen ein Dorn im Auge sein muss, das ist ebenso klar. Als Leser finde ich es aber sehr angenehm, wenn sich Schreiben nicht in diese Schablonen zwängen.


    Nur so als Diskussionsanstoß.


    Hat jemand trotzdem zufällig eine gute Quelle zum Thema "Was ist eine Brettspielrezension" zur Hand?

    Kann es übrigens sein, dass Brakus seine sogenannten Rezis primär für Amazon schreibt? Da steht nämlich sein ganzes Zeug ebenfalls online. Das würde jedenfalls vieles erklären.


    Wer andere kennt: nennt sie mir.


    Das ist eine sehr schöne Frage, die mich auch schon oft beschäftigt hat.


    Der beste mir bekannte Rezensent ist Michael Barnes -- und zwar völlig unabhängig davon, dass er zufällig meinen Spielegeschmack bedient. Der Kerl rezensiert einfach großartig. Er ist ausdrucksstark, hat Wortwitz, kennt sich verdammt gut aus, hält den beschreibenden Teil immer ausgesprochen kurz, schwallt nicht, und eiert auch nicht Rahdo-mäßig um die klare Kante herum. Wenn ihm etwas nicht gefällt, dann schreibt er das auch unverblümt und in der Regel vor allem sehr emotional, da er wirklich nur die Spiele rezensiert, die ihm gefallen könnten. Er bringt die Sache sehr oft einfach "voll auf den Punkt". Außerdem schaut sich solche Nischenspiele wie Cave Evil und Mushroom Easters an, und versteht vor allem auch, was genau solche Spiele zu etwas besonderem machen! Schade, dass man ihn nur wahrnimmt, wenn man nach ihm sucht -- aber das ist eine andere Geschichte.


    Matt Thrower gefällt mir aus den selben Gründen, er ist aber nicht ganz so wortgewandt. Aber auch er beschreibt vor allem, was das Spiel tut, und verliert sich nicht in Nacherzählungen der Regeln.


    Außerdem möchte ich noch Charlie Theel erwähnen. Er ist nicht auffallend produktiv (auf BGG 67 Reviews derzeit), aber das, was er schreibt, hat einfach Hand und Fuß.


    Zumindest nach der Definition von @Reich der Spiele sind das keine Rezensionen, aber ich mag die Reviews von Oma Babaitsev wirklich sehr gerne. Kennt fast niemand, aber das ist ziemlich cool. Hier besprechen die Oma, die Mama, der Sohn und dessen Frau Familienspiele. Der Tenor ist allgemein meistens positiv, aber die Oma hat auch über Agricola schon böse geschumpfen. Ist wirklich sehr unterhaltsam. Wer's nicht kennt: Grandma, 79 reviews my Eurogames. Also some comments from Mom and my Wife! It's not an april joke ;) | BoardGameGeek


    Ender Wiggins sollte man auch nicht vergessen. Keine Ahnung, ob der seine Reviews auch außerhalb von BGG veröffentlicht, aber der steckt wirklich Arbeit in seine Texte!


    Von den deutschsprachigen: Ich mag die Videos von Martin Klein. Ist immer ruhig präsentiert, und Martin macht vor der Kamera auch einen selbstsicheren Eindruck. Anders gesagt: Den kann man vor die Kamera stellen. Und was er sagt, hat Substanz.


    @yzemaze ich fände hier eine Auslagerung gut. Ist ein interessantes Thema. :)