Am Freitagabend in Fünferrunde gespielt:
Glenn Drover's Empires: Age of Discovery – Deluxe Edition : Erstpartie für mich, nachdem ich vor Jahren mal die Originalversion Age of Empires mitspielen konnte. Auf dem Tisch lag die Karte der AoE-Version, hier nur größer und klarer designed, so dass es nie Übersichts- oder gar Platzprobleme gab. Zusätzlich hatten wir mit Völkersondereigenschaften gespielt, neue Entdeckungskarte bei gescheiterter Expedition, Stärke der Expeditionsgegenwehr gegen Geldzahlung erspähen und offengelegter Gebäude des dritten Zeitalters zu Spielbeginn.
AoE3 wurde damals nur ein einziges Mal gespielt. Danach habe ich es nie wieder gesehen, allerdings hat es auch niemand wirklich vermisst oder gar danach gefragt. Es war eben ein solides Worker-Placement-Mehrheiten-Spiel mit heftigen Glückselementen bei den Erkundungsexpeditionen, so ist es mir in Erinnerung geblieben. Umso gespannter war ich, ob das Spielgefühl über ein "ganz gut, aber" hinauskommen würde.
Die verbesserte Neuauflage glänzt in seiner Deluxe-Edition durch die Material-Opulenz, versagt dabei allerdings in Details: Die Metalmünzen fühlen sich wuchtig und wertig an und reichten in unserer Fünferrunde auch locker aus, obwohl zwei Spieler enorme Geldumsätze hatten. Genauso gut sehen die vielen Plastikminiaturen aus, die durch ihre Pose und ihre Basis gut voneinander zu unterscheiden sind. Nur der Kapitän erinnert mit seinem Fernrohr-Gewehr im Anschlag dann doch immer noch zu sehr an einen Soldaten. Im Direktvergleich wird der Unterschied aber klar, ich bin mir aber sicher, mindestens einmal die falsche Figur aufgestellt zu haben. Allerdings waren von den Plastikfiguren etliche schief und krum und damit ein klarer Fall für ein heisses Wasserbad vor der ersten Partie, um die sich geradeziehen zu lassen. Das Plastik ist eher weich und ein wenig gummiartig.
Die Warenmarker und Gebäudeplättchen sind aus dicker Pappe, wobei die Gebäude allerdings ein wenig zu gross für den Spielplan-Ablageplatz sind, stört im Spielfluss aber nicht. Die Spielablaufübersichten sind hilfreich, um sich durch eine Spielrunde zu hangeln, allerdings mir etwas zu geschwätzig bei den Figuren-Übersichten auf der Rückseite. Da hätte ich mir eine klare Auflistung mit auf der Vorderseite gewünscht, welcher Spezialist welche Sondereigenschaft hat. Gut geraten ist hingegen die Auflistung, in welcher Menge und Wahrscheinlichkeit Expeditionsplättchen und Expeditionskarten im Spiel sind, somit kann man die Wahrscheinlichkeit besser abschätzen.
Wir haben ohne deutschsprachige Aufkleber auf den Markern und Spielplanelementen gespielt, einfach weil die Aufkleber leicht zu gross für die Pappplättchen sein sollen und damit unschön überstehen. Wenn man die Gebäude bei Rundenbeginn kurz gemeinsam durchgeht, braucht es auch kein englisches Sprachverständnis bei dem Spiel. Alle Textinformationen liegen sowieso offen aus und können ggf nachgefragt werden.
Spielerisch ist die Neuauflage rund, kurzweilig und durch die Spannung der Einsetzphase, ob und wo Einsetzoptionen frei bleiben, war ich auch jederzeit an das Spielgeschehen meiner Mitspieler interessiert. Wirklich steuern kann man die lieben Mitspieler allerdings nicht und so verbleibt doch eine gehörige Portion Chaos beim Einsetzen. Will man ein bestimmtes Feld sicher besetzen, muss man schon arg früh in der Spielreihenfolge drankommen. Bei vier Waren und fünf Spielern ist klar, dass jemand pro Runde keine davon abbekommen kann. Bei uns kam noch die Sondereigenschaft eines Volkes dazu, zweimal pro Spielpartie vorab eine Ware abgreifen zu können. Somit war die vierte Einsetzposition dort immer arg unsicher und die Waren dadurch nochmals verknappt. Auch die Spezialisten waren sehr begehrt, weil Geld beim Gebäudekauf sparen, Geld bei Reisen in die neue Welt bekommen, stärkere Spielfiguren gegen die Eingeborenen oder in Abstimmung um das Jokerwaren-Schiff, ebenso wie einen weiteren Arbeiter bei Ankunft in der neuen Welt oder mehr Siegpunkte in den Gebietsabrechnungen bei Epochenende zu bekommen, das war alles reizvoll.
Durch die nach Rundenende aufgefüllten Gebäude mit ihren teils einzigartigen Sondereigenschaften kommt zudem gehörig Varianz ins Spiel. Wer will schon auf einen kostenlosen Missionar jede Runde verzichten oder die Chance verstreichen lassen, Geld von den Mitspielern mit seiner Kaperflotte zu erbeuten. Somit steuern nicht nur die Gebäude sondern auch die Einsetzmöglichkeit von Spezialisten, wie man sich von den Mitspielern abheben kann. Wirklich gezielt bekommt man aber nur das, wenn man Startspieler ist und dann muss man sich auch noch zwischen Erstrecht auf Gebäudebau und freie Auswahl auf den Spezialistenfeldern entscheiden. Alles kann man nicht bekommen, so dass ich allzu oft die Einsetzoption nehmen musste, die noch frei war.
Reiche Spieler werden in dem Spiel klar bevorzugt. Denn wer es sich leisten kann, der baut auch mindestens ein Gebäude pro Runde. Ebenso schaut man sich potentielle Expeditionsziele gegen Geldzahlung an. Blöd dann nur, wenn liebe Mitspieler vor einem eine Expedition starten können und das ausgespähte Ziel vorab besetzen. Da sind wir dann wieder bei der Wichtigkeit, möglichst Startspieler zu sein bzw aktiv zu werden. Geld ist allerdings bei Spielende nur etwas wert, wenn man zufällig oder gezielt über den Startspieler ein Gebäude bauen kann, das Geld in Siegpunkte sammelt. Übel kann es werden, wenn man genau das eine Geld zu wenig hat, um doch noch ein Gebäude zu bauen. Also entweder dafür sorgen, dass man hochwertige Warenkombinationen hat oder notfalls Händler auf Reisen schicken. Die Entschädigung für die hinteren Plätze auf der Initiativleiste um die neue Spielreihenfolge gleicht kaum den Nachteil aus, dass man eben später einsetzen kann. So zumindest mein Eindruck in unserer Partie.
Wenn alle Länder erkundet sind, kommt der Expeditionskartenstapel ins Spiel, um dieses Spielelement bis Spielende aufrecht zu erhalten. Hier hat das Spiel dann allerding seine Ecken und Kanten. Ich kann mir zwar die oberste Karte gegen Geldzahlung anschauen und optional unter den Stapel packen, wobei das dann wohl schon in Epoche 2 oder 3 der Fall ist und somit 2 oder 3 Geld kostet, die man nicht einfach so verschwenden mag. Aber wenn das ein Spieler nach mir ebenso macht und dann noch Spieler vor mir eine Expedition durchführen, dann nützt mir mein Wissen nichts mehr. Also spielt man dann doch wieder auf Sicherheit und investiert so viele Figuren, um sicher die Expedition zu gewinnen. Denn der Totalverlust ist viel zu hoch, als dass sich dieses Glücksspiel auszahlen würde. Hier hätte ich mir einen besseren Mechanismus gewünscht.
Kommen wir zu den Mehrheitenabrechnungen nach Epochenende. Durchaus trickreich, aber nicht wirklich steuerbar - zumindest bei vier Mitspielern und damit die Kontrolle auf ein Fünftel der Aktionen rund um Mehrheiten. Wer von kriegerischen Angriffen verschont bleibt, während andere Spieler die Opfer davon sind, oder wem seine Mehrheit gelassen wird, während woanders Mehrheiten kippen, der hat schlicht Glück. Und dieses Glück empfand ich als recht unbefriedigend, weil eben nicht selbst erarbeitet. Durch die Missionare, die immer auch eine weitere Figur mitbringen und Soldaten, die Voraussetzungen für kriegerische Handlungen bieten, kann schnell ein vorab sicher geglaubte Mehrheit und damit potentielle 6 Punkte zu einem dritten Platz im Land und 0 Punkte werden. Da sind Nehmerqualitäten gefragt und da driftet mir das Spiel zu sehr ins Chaos ab.
Was bleibt unterm Strich: Ein etwas besseres als "nur gut"-Spiel, das mir in Details aber zu abhängig von Mitspieler-Entscheidungen ist. Die Völker-Sondereigenschaften klingen zunächst interessant, erhöhen aber nur das potentielle Chaos, besonders bei drastischen Einmaleffekten. Vor denen man sich als Mitspieler nur schützen kann, wenn man ganz darauf verzichtet, von deren möglichen Auswirkungen betroffen zu sein, was dann aber zu viele Spieloptionen nimmt. So bleibt das Spiel auf einer Grenzlinie zwischen Kontrolle und Chaos, Eurogame und Amitrash, bietet von den reinen Mechanismen allerdings wenig innovativ Neues. Gut unterhalten habe ich mich trotzdem gefühlt und die 4-Stunden-Partie zu Fünft hatte auch keine Hänger, aber inzwischen gibt es schlicht bessere Workerplacement- (WKP) wie auch Mehrheiten-Spiele (MH) auf dem Markt, die in kürzerer Spielzeit mehr bieten oder sich bei gleicher Spiellänge epischer anfühlen.
Im Direktvergleich würde ich Dominent Species (WKP+MH), Marco Polo (WKP), Belfort mit Erweiterung (WKP+MH) sowie Chaos in der alten Welt (MH) allerdings vorziehen, da jeder dieser Spiele auf ihre ganz eigene Art dann doch mehr bieten als Age of Discovery, bei dem der Entdeckeraspekt fast völlig nebensächlich ist und sich auf Workerplacement für Mehrheiten reduziert. Wer das alte AoE mochte, wird hier eine gute Neuauflage mit einigen Variationsmöglichkeiten bekommen. Im Kern bleibt es aber ein AoE und das will es ja auch - das kann man mögen oder eben auch nicht. Ab und an mal mitspielen, das reicht mir da. Selbst besitzen oder vorschlagen, wenn obige Alternativen anstehen, würde ich es hingegen nicht.
Cu / Ralf