Beiträge von MetalPirate im Thema „13.07.-19.07.2015“

    Seitdem die Charaktere dabei sind - diese gehen übrigens soweit ich mich entsinne nicht auf die Autoren zurück

    Oh. Das überrascht mich etwas. Auf der einen Seite haben die Autoren außer dem One-Hit-Wonder Tzolk'in noch nichts Nennenswertes zustande gebracht (restliches Schaffen sind alles Flops), aber ohne nähere Insider-Infos zu haben, hätte ich denen das schon zugerechnet, weil's doch irgendwo eine konsequente Weiterentwicklung des Stämme-Ansatzes von der Tzolk'in-Erweiterung ist. Das war auch schon Asymmetrie in ziemlich starker Form. Das hat schon "irgendwie gepasst", dass die Autoren das bei Marco Polo weiterentwickelt haben.


    In jedem Falle sind die Charaktere für mich das, was Marco Polo aus der Masse der Worker Placement Spiele positiv heraushebt. Nimmt man das weg, ist der Rest 08/15-Standardware. Just my 0.02 Euros...

    Mal wieder ein Bericht... Vor gut zwei Wochen beim Spieletreff gespielt: #Mangrovia . Das Spiel hatte ich ja vor Essen schon auf den Radar und auch als erster hier im Forum darauf hingewiesen (Link zum entsprechenden Beitrag, darin auch ein Hinweis auf das gerade gewählte SdJ 2015). In Essen hatte ich aber keinen freien Platz zum Probespielen bekommen, also nur eine Spielerrunde nach ihrem Eindruck befragt, die Antwort war "okay, ganz nett, aber nix besonderes". Das ist FALSCH!!! Mangrovia ist eines der Highlights des Jahres 2014, wie ich jetzt, neun Monate später, weiß.


    Mangrovia ist im Prinzip Worker Placement mit einem einzigen Worker (bzw. zwei im 2er Spiel). Aber: man wählt nicht nur eine Aktion, sondern gleich zwei, die im Caylus-Stil in festgelegter Reihenfolge abgearbeitet werden. Der Witz an der Sache ist: Man wählt die Aktionen 1+12 auf der Leiste oder 2+11 oder ... bis 6+7. Wer früh dran sein will, ist auf dem Rückweg spät dran und umgekehrt. Als Aktionen kann man auf verschiedenen Wegen Ressourcen gewinnen oder Ressourcen zum Hüttenbau verwenden. Die Aktionen sind sehr, sehr clever angeordnet, so dass das Spiel äußerst variabel und sehr spannend ist, denn -- zweite tolle Design-Entscheidung neben dem Einzel-Worker-Placement für zeitlich getrennte Doppelaktionen -- alle Kosten muss man exakt bezahlen können in zwei verschiedenen Währungen. Früh oder spät Karten nehmen dürfen, das macht einen riesigen Unterschied.


    Das Bauen selbst dient Mehrheitenwertung in mehreren verschachtelten Kategorien. Zeilen, Spalten, 3x3 Unter-Regionen. Zusätzlich kann man an manchen Bauplätzen die Ressourcengewinnung in einer der beiden Währungen ("Amulette") verbessern. Dazu noch Bonuspunkte hier, Bonuspunkte da, alles irgendwie ineinander geschachtelt, und zwar sehr geschickt (dritte tolle Designleistung). Ja, das ist im Kern durchaus etwas abstrakt, aber das Spiel ist so schön grafisch aufgemacht und so spannend, dass das überhaupt nicht stört. Der Zufallsfaktor (Kartenziehglück) ist überproportional hoch, am im gleichen Maße ist die Spieldauer eher kurz, von daher passt auch das, jedenfalls für mich.


    Besonders erwähnenswerter Pluspunkt: UVP ist 30 EUR, und das trotz diverser speziell gefertigter Holzteile (Rundhütten, Opferschalen, Paradiesvögel). Bei den üblichen Online-Händlern um die 25-27 EUR. Da kann man nur eines empfehlen: kaufen. Das habe ich direkt einen Tag nach dem 5er-Spiel auf dem Spieletreff gemacht und seitdem auch einige 2er-Partien mit meiner Frau hinter mir. Klare Meinung auch von ihr: gehört zu den Top-10% der Spiele-Käufe. Lasst euch auch nicht vom Verlag in die Irre leiten. Zugegeben: Zoch steht eher für weniger anspruchsvolle Familienspiele, aber Mangrovia ist eines der Spiele, das problemlos den Spagat auch Richtung Vielspieler schafft. Der Ami würde "meaty" sagen. Ressourcengewinnung und Konvertierung dieser Ressourcen in Siegpunkte sind jeweils für sich genommen mit sovielen verschiedenen Wegen zum Ziel aufgebohrt, dass wiederum die Platzierung der Opferschalen (-> Worker) in Phase 1 enorme Spannung liefert: "wenn ich hierhin setze, kannst du anschießend dahin gehen und zuerst bauen, aber ich kann dann verhindern, dass du die offen ausliegende passende Geländekarte kriegst, um dahin bauen zu können, wo's mir am meisten weh tun würde, aber vielleicht hast du ja schon so eine passende Karte auf der Hand, hmm, dann gehe ich besser auf die ersten Bauaktion, aber dann kannst du mir die Geldkarten wegschnappen, die ich zum Bauen brauche, argggghh, was mache ich nur?!"




    Ich habe Mangrovia dann vor zwei Wochen beim Händler gekauft, dessen erste Vor- und Nachnamenbuchstaben einen Raubvogel ergeben. Da gab's nämlich auch noch #Kashgar - Händler der Seidenstraße und #Nauticus für einen sehr guten Preis im Angebot. Beides gute (wenn auch nicht sehr gute!) Spiele, die auch ein bisschen selbst schuld sind, dass sie nicht mehr Ruhm erreicht haben, und das liegt nicht nur daran, dass der in beiden Fällen zuständige Verlag Kosmos keine englischen Versionen macht und deshalb die Spiele im internationalen Markt (und damit den englischsprachigen Foren) quasi nicht präsent sind.


    #Kashgar ist für mich ein Zweierspiel, dann ist's wirklich gut. Problem des Spiels ist eher geringe Interaktion und die vorhandene Interaktion erfordert, dass man die Kartenauslage der Mitspieler immer genau im Blick hat. Das sind Karten, die man auch erstmal erlernen und dann erkennen muss. Zu zweit gut machbar, zu mehreren nicht mehr so richtig praktikabel. Tendenz Multi-Player-Solitär, und die vorhandene Interaktivität wird einem eher erschwert. Nicht so gut. (Mögliche Lösung wäre eine farbliche Markierung interaktiver Karten, es gibt Lösungen!) Außerdem, und das verstehe ich nun wirklich nicht, sind dem Spiel 12 eher interaktive Karten als optional hinzunehmbare Variante (!) beigelegt. Was für ein Blödsinn! Bei einem sowieso schon wenig interaktiven Spiel gehören diese Karten in den Standardsatz; die Variante muss sein, sie herauszunehmen, wenn man sich an den destruktiven Aspekten darin stört. Mit diesen Karten und in Zweierbesetzung aber ein wirklich gutes, kurzes Füller-Spiel.




    #Nauticus ist ein Kramer/Kiesling Titel zum Thema Schiffsbau, der für die Autoren (und auch den Kosmos-Verlag) eher im oberen Komplexitätsbereich liegt. Teilweise erinnert das Spielgefühl an einen Feld-Titel: man will immer mehr Sachen machen als man kann, Punkte gibt's für alles mögliche, und obendrein lauert immer eine Bestrafung mit Siegpunktverlust, nämlich wenn man nicht oft genug gepasst hat. (Das ist fast schon diabolisch!) Kernmechanismus ist "action selection" im Puerto Rico Stil: Bonus für den Aktionswähler, dann machen alle die Aktion. (Mit der Reihenfolge kann man die Mitspieler gut ärgern!) Das Spiel hat eher wenig Zugoptionen, bietet dafür aber überraschend tiefe Grübelpotenziale. Überraschend schwergewichtig. Problem des Spiels ist die Fummeligkeit mit gefühlt 300 Plättchen. Auch da muss ich dem Verlag wie schon bei Kashgar vorwerfen, die Schwachstelle verschärft anstatt entschärft zu haben. Alle verschiedenen Segel/Masten/Waren-Plättchen haben die gleiche Rückseite, obwohl sie nie verdeckt gemischt werden. Die Rückseite ist komplett irrelevant. Man dreht also immer die falsch herum liegenden Plättchen rum, z.B. auf der Suche nach einem Salz-Warenplättchen zum Verschiffen. Das ist Murks! Auf der Rückseite einfach das gleiche Bild wie auf der Vorderseite und das Problem der hohen Fummeligkeit wäre schon deutlich entschärft.


    Nauticus hat eine recht hohe Einstiegshürde (für aktuelle Spiele; vor 10-20 Jahren war man da noch toleranter). Ein großer Teil der Punkte kommt durch Schiffsbau und Schiffe, die am Spielende nicht fertig sind, zählt exakt null Punkte. Man muss also genau abschätzen können, was man noch fertig bekommt und was nicht, und das geht nur mit Spielerfahrung. Beim größten Schiffstyp ist das 35 Punkte haben oder nicht haben, bei 60-70 Punkten gesamt dann leicht Sieg oder Niederlage. Hat Potential (mehr als Kashgar), aber muss ich noch ein paar Mal spielen, um mir ein Urteil zu bilden.




    Diese Woche kam dann nochmal beim Spieltreff #MarcoPolo auf den Tisch. Das Spiel hat bei mir noch nie Begeisterungsstürme ausgelöst (so wie bei anderen hier), aber inzwischen ist es von "ordentlich bis gut" auf "gut bis sehr gut" geklettert. Ich habe immer die tolle Balancing-Leistung bei diesem zutiefst asymmetrischen Spiel geschätzt (da wurde etwas geschafft, was eigentlich kaum schaffbar ist), aber ich hatte immer etwas Bedenken, dass das Spiel davon lebt, mal alle Charaktere ausprobieren zu wollen, so wie man ein Computer-Rollenspiel genau einmal mit dem Zauberer und genau einmal mit dem Krieger durchspielt, um es dann in die Ecke zu legen. Marco Polo gewinnt doch langsam bei mir, weil es -- ähnlich wie Dominion -- von dem "Spiel vor dem Spiel" lebt: Karte mit den zufällig ausgelegten Städte-Karten und -boni analysieren, dann Strategie zurechtlegen. Es ist dabei für mich eine ganz, ganz wesentliche Design-Entscheidung, dass man die Charakterkarten an Anfang in umgekehrter Spielerreihenfolge wählt und nicht etwa zufällig zugeteilt bekommt. So und nur so funktioniert das.