Beiträge von MetalPirate im Thema „18.05.-24.05.2015“

    @Alex85: Ja, Um Ru(h)m um Ehre funktioniert sehr gut zu zweit. Bei der Rundenende-Keilerei um die besten Schlafplätze auf dem Piratenschiff gibt's dann einen Dummy-Spieler, für den man noch würfeln muss, und es werden weniger Punkteränge ausgewürfelt, aber sonst ändert sich regeltechnisch nichts. Auf dem Spielfeld stehen weniger Piraten rum, die Gassen blockieren, aber das ändert den Charakter des Spiels kaum.


    Der Unterschied zwischen 4 und 5 Spielern dürfte fast größer sein als der zwischen 2 und 3. Bei 5 Spielern wird es sehr voll auf dem Spielfeld (-> merklich weniger Zugoptionen) und die Spielzeit steigt dann auch in einen Bereich, wo man über eine Verkürzung von 5 auf 4 Durchgänge ernsthaft nachdenken sollte. Das Spiel ist eher locker-flockig-leicht und das verträgt dann keine allzu langen Spieldauern.

    Wir sind weiter durch die Felder gezogen. In den letzten 1-2 Wochen gespielt: Amerigo, Notre Dame, Um Ru(h)m und Ehre. Am interessantesten dabei vermutlich letzteres, weil relativ unbekannt, deshalb dazu etwas ausführlicher:



    Zeitsprung ins Jahr 2006. In der renommierten Alea Big Box Serie, bekannt durch Strategiekracher wie Ra, Tadsch Mahal, Die Fürsten von Florenz, Die Händler von Genua und natürlich Puerto Rico, erscheint nach zwei schwächeren Titel (Fifth Avenue, Eiszeit) ein neues Spiel eines völlig unbekannten neuen Designers. Moment mal, wie heißt dieser Kerl nochmal, dieser Lehrer aus der schwäbischen Provinz? Ah, ja: Stefan Feld. Da ist nicht viel zu erwarten von diesem "Um Ru(h)m und Ehre", oder? Und dann noch das: auf der Alea-eigenen Komplexitätsskala nur eine 2/10, Altersempfehlung ab 9 Jahren, und dann ein Spiel mit Piraten, voller Klischees, humorig, viel Würfelglück. Die allgemeine Reaktion damals: au weia, was ist mit der einstmals so tollen Big Box Reihe nur passiert?! Die Reviews waren demzufolge sehr gemischt und insbesondere für die Hardcore-Strategen ("igitt, Würfelglück!!") ist das Spiel komplett durchgefallen. Das Spiel hat für große Teile des Zielpublikums einfach nicht den vorgefertigten Erwartungen entsprochen und bei einer schwächelnden Reihe und einem (damals) völlig unbekannten Designer gibt's auch keinen Kredit für Experimente.


    Zurück ins Jahr 2015. Unter den "Vielspielern" ist das Spiel fast komplett vergessen; diese Gruppe erinnert sich lieber an die nachfolgenden anspruchsvolleren Feld-Titel wie "Notre Dame" und "Im Jahr des Drachen". Die "Gelegenheitsspieler" kennen eh keine Titel, die älter als zwei Jahre sind. Stellen wir heute also mal möglichst neutral die Frage: Wie gut hat "Um Ru(h)m und Ehre" den Test der Zeit bestanden? Meine Antwort: überraschenderweise sehr gut, viel besser als vieles andere von damals! Das Spiel macht auch heute noch viel Spaß, solange man nicht in einer Runde von humorlosen Griesgramen spielt. Das Spiel lebt durchaus auch vom Eintauchen ins Thema. Und wer dem Spiel zu viel Glückslastigkeit attestiert, das ist nämlich der üblichste Kritikpunkt, der sollte man genauer hinschauen. Man hat sehr viele Möglichkeiten, das Glück zu beeinflussen, u.a. mit dem planvollen Einsatz der Rum-Plättchen, die ein Neuwürfeln erlauben. Der Kernmechanismus -- irgendwas Originelles zwischen Aktionspunkte verbrauchen, Arbeiter einsetzen und auf festen Wegen über Karte ziehen -- ist auch heute noch super interessant und auch kein bisschen ausgelutscht. (Vermutlich war's damals 2006 sogar zu innovativ, erst recht, wenn es auf eine leicht negative Grundstimmung trifft.)


    Man hat bei Um Ru(h)m und Ehre immer interessante Abwägungen zu treffen: Wohin ziehe ich als nächstes? Verlängere ich meinen Zug gegen Einsatz von Gold? Wann gehe ich mit dem Rest der Piraten an Bord des Schiffs? Stets variierende Nutzen und Kosten machen die Abwägungen stets spannend. Die Nutzen-Seite ist meist recht gut einzuschätzen: unterschiedliche Plättchen geben unterschiedlich viel Ruhm, teils ist das offene Information, teils darf man ein verdecktes Plättchen ziehen, das zwischen x und y Punkte bringt. Bei manchen Typen von Plättchen zählt nur das höchste einer Sorte, Schatzkarten-Plättchen zählen nur in passenden Paaren, ansonsten das, was draufsteht. Die Kosten der Aktionen sind dagegen vielfältiger und indirekter: unfreiwillige Vorlagen für den nachfolgenden Mitspieler, verminderte Entscheidungsvielfalt gegen Rundenende, Angriffsfläche für geforderte Würfelduelle.


    "Um Ru(h)m und Ehre" bietet überhaupt relativ viel Interaktion, oft durch Würfeln, z.B. in Form von "wer würfelt höher?" oder "wer würfelt zuerst die geforderte Zahl?" Klar, das ist natürlich glückslastig, und das vor Piraten-Klischees nur so triefende Thema trägt auch nicht gerade dazu bei, das Spiel als ernsthaftes Strategiespiel zu sehen. Das Würfeln ist z.B. thematisch der augenzwinkernd gemeinte Kampf um die besten Schlafplätze auf dem Piratenschiff oder die Feierei in der Piratenkneipe, auf deutsch gesagt: Wettsaufen für Piratenruhm. Wenn genau die gleiche Würfelei aber in einem Cosim-Spiel als Kampf zwischen Armeen gedeutet würde, würde niemand von einem "Familienspiel unterhalb des Alea-Anspruchs" sprechen, so wie das bei "Um Ru(h)m und Ehre" gerne mal passiert. Wie man schon gemerkt hat: ich halte das Spiel für ziemlich unterbewertet. Es ist damals unter einer etwas falschen Erwartungshaltung aufgenommen worden und deshalb wurde vielfach nicht erkannt, was in dem Spiel eigentlich steckt. Manche Details würde ein Stefan Feld heute vielleicht etwas eleganter lösen, aber wie oben schon gesagt: das Spiel ist thematisch, steckt voller interessanter Entscheidungen und das Glück lässt sich so gut beeinflussen, dass am Ende doch meist der bessere Spieler gewinnt. Was will man mehr?


    Zwei Tips noch: jedem Spieler einen eigenen Würfel geben und Sichtschirme aus einem anderen Spiel nehmen. Das Inlay mit dem speziell geformen Plättchenhalter ist genial, aber dafür musste wohl anderswo gespart werden: dem Spiel liegt nur ein Würfel bei und gewonnene Plättchen soll man unter eine Papp-Piratenflagge legen. Beides ist einfach nur unpraktisch, aber zum Glück leicht zu beheben. Mein Fazit: Das Feld-Frühwerk "Um Ru(h)m und Ehre" lohnt sich.




    #Amerigo #NotreDame #UmRuhmUndEhre