Beiträge von MetalPirate im Thema „20.04.-26.04.2015“

    Spiele wo man durch Pech nach 15 Minuten unverschuldet keine Chance mehr hat, gibt es imo eher selten

    Oh doch. Sicher nicht in meinem oder deinem Spieleschrank (wenn, dann höchstens in der Form, dass es in maximal 1 von 20 Spielen passiert), aber unter den ganzen weniger guten Spieleveröffentlichungen der ~1000 Veröffentlichungen jährlich, Crowdfunding mitgezählt, ist das definitiv kein unbekanntes Problem. Gerade bei Kickstarter kann man sich leicht solchen Gurken einfangen, wenn man meint, alles Mögliche von unbekannten Designern und Verlagen unterstützen zu müssen, nur weil die Grafik im Hochglanz erstrahlt und/oder tolle Miniaturen dabei sind.

    Ich stimme euch zu. Bei der Beobachtung, dass manche Leute Spiele zu früh abschenken, was insbesondere dann für den Rest der Runde äußerst frustrierend ist, wenn's an eigenen Fehlern dieser Personen liegt und eben nicht an extremem Karten- oder Würfelpech, auch wenn das von manchen dieser Leute dann gerne behauptet wird. Auch volle Zustimmung für Warbears Aussage, dass es bei Mehrpersonenspielen mit hoher Priorität um den gemeinsamen Spaß am schönen Spielen in der Runde gehen sollte und nicht nur ums Gewinnen.

    Deshalb finde ich es auch so extrem wichtig, dass man in einem Spiel eigene Ziele haben kann unabhängig von der Position in einer Rangfolge am Ende. Das Gefühl, etwas erreicht zu haben, egal ob die Mitspieler am Ende mehr oder weniger erreicht haben. Das ist z.B. die Stärke von quasi allen Stadt-, Zivilisations-, Raumstation- oder Sonstwas-Aufbauspielen. Von mickrigen Anfängen auf irgendwas Vorzeigbares, und das für alle Spieler. Bei den eigenen Zielen, die der "eingebauten Frustprävention" dienen, kann auch gerne ein völlig eigener Bewertungsmaßstab gelten, Motto: "ich habe das Beste aus meiner individuellen Situation gemacht." Das ist für mich übrigens auch der Grund, warum Agricola eines meiner Lieblingsspiele ist und Caverna bei meiner Frau und mir komplett durchgefallen ist. Bei Agricola kriege ich am Anfang die Aufgabe: "Mach was auch den zufälligen 7+7 Karten!" Am Anfang denkt man, dass mit diesen kleinen Anschaffungen und Ausbildungen kaum Synergien zu erreichen wären und am Ende klappt's dann mit irgendwelchen kreativen Ideen doch irgendwie, mal mehr, mal weniger. Genau das, diese hochgradig variable Aufgabenstellung am Anfang, fehlt Caverna (und anderen neueren Rosenberg-Spielen) aus meiner Sicht leider völlig.

    EDIT zu Hausregeln: Meine Meinung ist, dass man mit sehr guter Begründung im Prinzip alles ändern darf; letztendlich ist's ja ein Freizeitbeschäftigung, die Spaß machen soll. Betonung dabei aber auf "mit sehr guter Begründung"; hat man die nicht, lässt man lieber alles beim alten, sprich Originalregeln. Siehe Bierbarts Argumentation: wenn jemand begründet, warum er etwas variiert, dabei den Eindruck vermittelnd, das Spiel gut zu kennen, dann sind solche Varianten für mich immer lesenswert. Ob ich die Argumentation dann teile und für mich die Variante auch selbst ausprobieren möchte, bleibt immer noch mir überlassen. Erfahrungsgemäß überzeugen mich eher wenig vorgeschlagene Varianten; meist ist das Original doch so gut ausbalanciert und getestet, dass man es beim Alten lässt. Ausnahme ist für mich höchstens die Skalierung auf besonders wenig oder besonders viele Spieler. Da habe ich manchmal schon den Eindruck, dass Spiele oft nur für den "sweet spot" von 3-4 Spielern optimiert werden.

    Ich glaube, man sollte in Sachen "Frustfaktor" unterscheiden Spielen, die so designt ist, dass einem immer wieder Knüppel zwischen die Beine geworfen werden, d.h. das Spiel besteht genau darin, mit solchen Negativereignissen bestmöglichst klar zu kommen. "Im Jahr des Drachen", von mir geliebt, von meiner Frau gehasst, ist dafür wirklich das Musterbeispiel schlechthin. Ereigniskarten mit gewissem Anteil von Negativereignissen sind eigentlich ein ganz alter Hut. (Monopoly: "Zahle Steuern auf alle deine Häuser...") Sowas ist je nach Spieler mehr oder weniger "akzeptabler Frust". Weil's eben dazu gehört.

    Wirklich frustrierend finde ich dagegen, wenn man bei Spielen ganz am Anfang schon uneinholbar zurückgeworfen wird durch Ereignisse, gegen die man schlicht nichts machen kann. Hohe (negative) Zufallseinflüsse, viel direkte Konfrontation (die Stärkeunterschiede ganz schnell zementiert), fehlende Identifikationsmöglichkeit mit eigenen, privaten Zielen unabhängig vom Gesamtspiel oder fehlende Möglichkeit des Aufholens für hinten liegende Spieler sind da kritische Faktoren, und zwar je mehr, umso länger ein Spiel dauert. Nach 15 Minuten zu wissen, ein Spiel mit sehr hoher Wahrscheinlichkeitverloren zu haben, aber noch weitere 90 Minuten spielen zu müssen, ohne sinnvolles Ziel für diese Zeit, das ist für mich das Maximum in Sachen Frust bei Spielen.

    Meine Vorliebe für Strategiespiele beruht eigentlich darauf, dass ich bei denen eher nicht rechnen muss.

    [...]

    Da ist viel Wahres dran, aber ganz so einseitig sehe ich das nicht. Beides, Strategie- wie Taktik-Schwerpunkt kann mehr oder weniger viel "Rechnerei" sein, aber es ist definitiv eine andere Art von Rechnerei. Wo bei taktischen "Optimierungsspielen" in jedem Zug zusammenaddiert wird, wieviele Siegpunkte welche Zugvariante bringt, muss man bei strategischeren Spielen eben eher mit Wahrscheinlichkeiten rechnen, ggf. mit mehr oder weniger vielen Zügen im Voraus unter Berücksichtigung der Zugoptionen des/der Gegenspieler(s). In beiden Fällen kann das exakte Ausrechnen zu komplex für eine begrenzte Zugzeit sein, d.h. es sind dann "Bauchentscheidungen" gefragt, und ebenso kann in beiden Fällen das Berücksichtigen einzelner Stränge des Entscheidungsbaum vorzeitig abgebrochen werden, wenn sie sich früh als suboptimal entpuppen.

    Fast jedes Spiel ist irgendwo begrenzt berechenbar. Wenig rechnen muss man höchstens dann, wenn ein Spiel relativ geskriptet abläuft. Das kann sowohl bei Taktik-fokussierten Sachen passieren ("wenn du Karten X ziehst, mache immer A, sonst mache B") als auch bei Strategiespielen, bei denen man irgendeinen Plan X komplett stur durchziehen muss, sobald man einmal auf diese Schiene abgebogen ist.

    Das ist weniger Rechnerei und im Idealfall bleibt nur ein Zug und man rechnet überhaupt nichts.

    Jo, genau das ist es, was mir an geskriptet ablaufenden Strategiespielen mit sturem, formelhaftem Durchziehen eines einzeln Planes (ohne Notwendigkeit für einen Plan B in der Hinterhand) dann überhaupt nicht gefällt... :) Um mal ein Beispiel für ein solches allgemein sehr gut bewertetes Spiel zu nennen, mit dem ich persönlich aber eher wenig anfangen kann: Russian Railroads.

    Ich würde AoS nicht als häßlich sondern als funktionell bezeichnen, eben ohne jegliche Illustration

    Okay, das "hässlich" ist vielleicht etwas zu stark. Ich meine eher etwas zwischen "einfach", "lieblos" und "unpassend". Das Problem für mich ist auch weniger die rein "funktionelle Grafik ohne jegliche Illustration" an sich. Bei einem abstrakten Spiel, also Kategorie: Go, Yinsh, Einfach Genial, Ubongo, etc., wäre sowas völlig okay. (Aber selbst dort sind die meisten Spiel grafisch ansprechender gestaltet!)

    Bei einem Spiel, das eine explizite thematische Integration hat, in diesem Falle Eisenbahnstrecken bauen, löst eine solche allzu einfache Grafik bei mir aber nur ein ungläubiges "Häh?! Ist das ein unfertiger Prototyp?" aus. Genau das denke ich nämlich immer, wenn ich Age of Steam sehe...

    Und wenn Du dann Blut geleckt hast, dann gehst Du ganz gemütlich zu #AgeofSteam über, da wird das ganze dann noch deutlich anspruchsvoller

    Ich bin weit davon entfernt, ein Spiel nach der grafischen Aufmachung zu bewerten, aber gewisse Mindestanforderungen gibt's dann doch, um reguläre Spiele (d.h. nicht Print'n'Play-Hobbyprojekte) bei uns auf den Tisch zu bringen. AoS reißt die niedrige Hürde trotzdem deutlich. Sowas Hässliches kommt mir nicht auf den Tisch, und wenn es spielerisch noch so toll wäre.

    Im Übrigen bin ich der Meinung, dass hyperventilierte Aussagen des Typs "xyz kann/darf man nicht vergleichen!" fast immer Humbug sind. Innerhalb einer gemeinsamen Gruppe (hier: Eisenbahnspiele) erst recht.

    Letzte Woche gab's Spielen in den Vereinigten Staaten. Leider nicht ganz so viel, denn wenn sich das knapp 6 Monate alte Töchterchen im Laufe der Woche so langsam von Deutschland-Zeit auf Chicago-Zeit umstellt und zwischen 2 Uhr nachts (Anfang) und 5 Uhr nachts (Ende) ihr Frühstücksfläschchen haben will, sind Mama und Papa abends immer völlig platt gewesen...


    #Scoville (Ed Marriot, Tasty Minstrel Games) -- Kickstarter, eigentlich geplant November 2014, aber geliefert erst kurz nach Weihnachten an die amerikanische Verwandtschaft. Deshalb leider nicht als Weihnachtsgeschenk unter meinem Christbaum gewesen, sondern erst jetzt persönlich abgeholt. Konnte sehr gefallen. Bei Scoville gibt es einen gemeinsamen Chili-Acker, in den Chilis verschiedener Sorte gepflanzt werden. Mit einem Farmer-Meeple läuft man zwischen den Chilis entlang und kreuzt sie, d.h. gemäß einer Farbtabelle erhält man für jedes Feld einen Chili-Spielstein, z.B. einen orangenen, wenn man zwischen gelb und rot entlangläuft.

    Ich habe den Eindruck, dass Spiele-Neuheiten sich in jüngerer Zeit auf der Skala zwischen Taktik und Strategie deutlich Richtung Taktik geschoben haben. Spielziel: Optimales Reagieren auf schlecht planbare Zufallseffekte (von Kartenziehen über Würfeln bis Plättchenaufdecken), dabei immer so verpackt, dass die Entscheidungsvielfalt nie überfordernd wird. Scoville ist da anders. Hier ist bei sehr geringen Zufallselementen Vorausdenken über ein paar Runden gefragt, dabei immer einbeziehend, was die Mitspieler spielen könnten, denn das Spiel ist sehr interaktiv, u.a. dadurch, dass Farmer-Meeples andere Farmer blockieren. Dabei ist Scoville locker-flockig in das Thema "schärfste Chili-Schoten züchten" eingebunden und mit schöner, etwas Comic-hafter Grafik von Josh Cappel garniert. Wie so manche Chili-Schote kommt auch Scoville viel harmloser daher, als es nachher ist. Gefällt mir.


    #PayDirt (Pay Dirt, Tory Niemann, Crash Games) -- noch so ein Kickstarter, aber in diesem Falle als Retail-Version per Pre-Order gekauft (günstiger als KS!). Thema: Goldgräberei in Alaska. Spieltyp: Effizienz-Optimierung mit verschiedenen Wegen: bessere Claims, Personal einstellen, besserer Maschinen, alles mit dem Ziel, besser irgendwelche Erdeteile einmal quer über das persönliche Spieltableau zu schieben, auf dass sie am Ende rumgedreht werden dürfen und eine variable Anzahl Goldnuggets ergeben. Gewonnen hat, wer am Ende am meisten Nuggets hat, aber man muss teilweise diese Nuggets verkaufen, um mit das Geld zu investieren. Dadurch, dass am Anfang eine Auktion steht, ist das Ganze schlecht berechenbar; es gibt keinen festen Zeitpunkt, wo man volle Kraft von Engine Building auf Siegpunkt- bzw Goldgenerierung umschwenken muss. Cleveres Design des Alien-Frontiers-Autors Tory Niemann.

    Auch gibt's einen interessanten Catch Up Mechanismus: jede Runde passiert jedem Spieler etwas mehr oder weniger Negatives und diese sogenannten "Hardship" Karten werden per Draft in umgekehrter Reihenfolge des Goldbesitzes verteilt. Das ist zwar von Mechanismus her im Gegensatz zum restlichen Spiel thematisch ziemlich an den Haaren herbeigezogen, aber es funktioniert gut. Pay Dirt konnte auch gefallen. Die Komponenten sind super, aber der Anleitung hätte etwas Feinschliff noch gut getan.


    #RailwaysOfTheWorld (Railways of the World, Drover/Wallace, Eagle-Gryphon Games) -- Man könnte es als "Zug um Zug, bei dem man selbst die Strecken legen muss" bezeichnen, aber das würde es irgendwie dann doch nicht treffen. Denn das Streckenlegen ist nur Mittel zum Zweck. Wichtig ist das Erkennen von wirtschaftlich nutzbaren Verbindungen, denn zufällig verteilte Würfelchen in 5 Farben wollen zu fest zugeteilten Städten in den gleichen Farben. Dazu gibt's ein paar Extras wie Sonderkarten kaufen oder kleinere grau markierte Städte "urbanisieren", d.h. ihnen eine Farbe nach Wahl und zwei zufällige Würfelchen verpassen. Ein Spielzug besteht aus Auktion für die Spielerreihenfolge, dann drei Aktionen, zuletzt Einkommen und Dividende zahlen. Besonderer Witz dabei: man startet mit null Geld, Geld bekommt man über nicht zurückzahlbarere Anleihen (bonds), für die man Dividende zahlen muss und die am Ende Minuspunkte geben.

    Railways of the World ist bei den Komponenten sehr edel aufgemacht. Wobei ich nicht verstehe, warum das Spielbrett unbedingt so wahnwitzig groß sein musste, dass es normale Tische bereits überfordert, und da hat noch kein Spieler seine Ablegefläche für Geld, Zug-Miniaturen und anderes. RotW konnte auch gefallen, aber der Erstzugang ist durch hohe Setup-Zeit und die Reihenfolge-Auktionen, bei denen man am Anfang keinen blassen Schimmer hat, wieviel man sinnvollerweise bieten kann, doch sperriger als gedacht. Ähnliches gilt für die Bonds, wo auch unklar ist, welcher "Verschuldungsgrad" sinnvoll ist. Letztendlich dürfte es dem "medium weight" Ruf gerecht werden, aber der Einstieg ist mehr als gedacht durch etwas planloses Herumprobieren gekennzeichnet.


    #YinYang (Yin Yang, Knizia, Eagle-Gryphon Games; in DE als Re-Theme "Fifty-Fifty" bekannt). Stichspiel mit Karten nur einer Farbe in den Werten 1 bis 50 (bei 3 Spielern empfiehlt sich die Reduktion auf 1-40). Jeder Spieler erhält 9 Karten. Es gibt 10 "scoring cards", auf denen je eine schwarze und eine weiße Zahl zwischen 1 und 7 steht. Eine "scoring card" kommt ungesehen in die Schachtel zurück, mit den anderen 9 spielt man 9 Stiche aus. Wer die höchste Zahl legt, bekommt schwarze Marker entsprechend der schwarzen Zahl, die niedrigste Zahl bekommt weiße Marker entsprechend der weißen Zahl. Jeder Marker ist ein Minuspunkt, aber schwarze und weiße Marker löschen sich im Verhältnis 1:1 aus (-> Yin und Yang gleichen sich gegenseitig aus). Sammelt man also im Laufe der Stiche je 8 weiße und schwarze Marker ist das genauso gut wie wenn man überhaupt keinen Marker bekommen hätte.

    War sehr witzig mit viel "table talk" der Art: "Oh, du bist aber heute unausgeglichen!" und hat allen viel Spaß gemacht. Ein echter Knizia eben: aus einfachen Regel eine ganze Menge Spiel herausgeholt. Das Yin-Yang-Thema passt auch wunderbar, erst recht für Knizia-Verhältnisse. Die Schwarz-Weiß-Optik passt auch. Ganz im Gegensatz zum blau-gelben Re-Theme "Fifty-Fifty".


    Ebenfalls im Koffer gelandet ist noch City of Iron (Laukat, Red Raven) samt Erweiterung. Ungespielt, deshalb keine weiteren Angaben dazu.