Letzte Woche gab's Spielen in den Vereinigten Staaten. Leider nicht ganz so viel, denn wenn sich das knapp 6 Monate alte Töchterchen im Laufe der Woche so langsam von Deutschland-Zeit auf Chicago-Zeit umstellt und zwischen 2 Uhr nachts (Anfang) und 5 Uhr nachts (Ende) ihr Frühstücksfläschchen haben will, sind Mama und Papa abends immer völlig platt gewesen...
#Scoville (Ed Marriot, Tasty Minstrel Games) -- Kickstarter, eigentlich geplant November 2014, aber geliefert erst kurz nach Weihnachten an die amerikanische Verwandtschaft. Deshalb leider nicht als Weihnachtsgeschenk unter meinem Christbaum gewesen, sondern erst jetzt persönlich abgeholt. Konnte sehr gefallen. Bei Scoville gibt es einen gemeinsamen Chili-Acker, in den Chilis verschiedener Sorte gepflanzt werden. Mit einem Farmer-Meeple läuft man zwischen den Chilis entlang und kreuzt sie, d.h. gemäß einer Farbtabelle erhält man für jedes Feld einen Chili-Spielstein, z.B. einen orangenen, wenn man zwischen gelb und rot entlangläuft.
Ich habe den Eindruck, dass Spiele-Neuheiten sich in jüngerer Zeit auf der Skala zwischen Taktik und Strategie deutlich Richtung Taktik geschoben haben. Spielziel: Optimales Reagieren auf schlecht planbare Zufallseffekte (von Kartenziehen über Würfeln bis Plättchenaufdecken), dabei immer so verpackt, dass die Entscheidungsvielfalt nie überfordernd wird. Scoville ist da anders. Hier ist bei sehr geringen Zufallselementen Vorausdenken über ein paar Runden gefragt, dabei immer einbeziehend, was die Mitspieler spielen könnten, denn das Spiel ist sehr interaktiv, u.a. dadurch, dass Farmer-Meeples andere Farmer blockieren. Dabei ist Scoville locker-flockig in das Thema "schärfste Chili-Schoten züchten" eingebunden und mit schöner, etwas Comic-hafter Grafik von Josh Cappel garniert. Wie so manche Chili-Schote kommt auch Scoville viel harmloser daher, als es nachher ist. Gefällt mir.
#PayDirt (Pay Dirt, Tory Niemann, Crash Games) -- noch so ein Kickstarter, aber in diesem Falle als Retail-Version per Pre-Order gekauft (günstiger als KS!). Thema: Goldgräberei in Alaska. Spieltyp: Effizienz-Optimierung mit verschiedenen Wegen: bessere Claims, Personal einstellen, besserer Maschinen, alles mit dem Ziel, besser irgendwelche Erdeteile einmal quer über das persönliche Spieltableau zu schieben, auf dass sie am Ende rumgedreht werden dürfen und eine variable Anzahl Goldnuggets ergeben. Gewonnen hat, wer am Ende am meisten Nuggets hat, aber man muss teilweise diese Nuggets verkaufen, um mit das Geld zu investieren. Dadurch, dass am Anfang eine Auktion steht, ist das Ganze schlecht berechenbar; es gibt keinen festen Zeitpunkt, wo man volle Kraft von Engine Building auf Siegpunkt- bzw Goldgenerierung umschwenken muss. Cleveres Design des Alien-Frontiers-Autors Tory Niemann.
Auch gibt's einen interessanten Catch Up Mechanismus: jede Runde passiert jedem Spieler etwas mehr oder weniger Negatives und diese sogenannten "Hardship" Karten werden per Draft in umgekehrter Reihenfolge des Goldbesitzes verteilt. Das ist zwar von Mechanismus her im Gegensatz zum restlichen Spiel thematisch ziemlich an den Haaren herbeigezogen, aber es funktioniert gut. Pay Dirt konnte auch gefallen. Die Komponenten sind super, aber der Anleitung hätte etwas Feinschliff noch gut getan.
#RailwaysOfTheWorld (Railways of the World, Drover/Wallace, Eagle-Gryphon Games) -- Man könnte es als "Zug um Zug, bei dem man selbst die Strecken legen muss" bezeichnen, aber das würde es irgendwie dann doch nicht treffen. Denn das Streckenlegen ist nur Mittel zum Zweck. Wichtig ist das Erkennen von wirtschaftlich nutzbaren Verbindungen, denn zufällig verteilte Würfelchen in 5 Farben wollen zu fest zugeteilten Städten in den gleichen Farben. Dazu gibt's ein paar Extras wie Sonderkarten kaufen oder kleinere grau markierte Städte "urbanisieren", d.h. ihnen eine Farbe nach Wahl und zwei zufällige Würfelchen verpassen. Ein Spielzug besteht aus Auktion für die Spielerreihenfolge, dann drei Aktionen, zuletzt Einkommen und Dividende zahlen. Besonderer Witz dabei: man startet mit null Geld, Geld bekommt man über nicht zurückzahlbarere Anleihen (bonds), für die man Dividende zahlen muss und die am Ende Minuspunkte geben.
Railways of the World ist bei den Komponenten sehr edel aufgemacht. Wobei ich nicht verstehe, warum das Spielbrett unbedingt so wahnwitzig groß sein musste, dass es normale Tische bereits überfordert, und da hat noch kein Spieler seine Ablegefläche für Geld, Zug-Miniaturen und anderes. RotW konnte auch gefallen, aber der Erstzugang ist durch hohe Setup-Zeit und die Reihenfolge-Auktionen, bei denen man am Anfang keinen blassen Schimmer hat, wieviel man sinnvollerweise bieten kann, doch sperriger als gedacht. Ähnliches gilt für die Bonds, wo auch unklar ist, welcher "Verschuldungsgrad" sinnvoll ist. Letztendlich dürfte es dem "medium weight" Ruf gerecht werden, aber der Einstieg ist mehr als gedacht durch etwas planloses Herumprobieren gekennzeichnet.
#YinYang (Yin Yang, Knizia, Eagle-Gryphon Games; in DE als Re-Theme "Fifty-Fifty" bekannt). Stichspiel mit Karten nur einer Farbe in den Werten 1 bis 50 (bei 3 Spielern empfiehlt sich die Reduktion auf 1-40). Jeder Spieler erhält 9 Karten. Es gibt 10 "scoring cards", auf denen je eine schwarze und eine weiße Zahl zwischen 1 und 7 steht. Eine "scoring card" kommt ungesehen in die Schachtel zurück, mit den anderen 9 spielt man 9 Stiche aus. Wer die höchste Zahl legt, bekommt schwarze Marker entsprechend der schwarzen Zahl, die niedrigste Zahl bekommt weiße Marker entsprechend der weißen Zahl. Jeder Marker ist ein Minuspunkt, aber schwarze und weiße Marker löschen sich im Verhältnis 1:1 aus (-> Yin und Yang gleichen sich gegenseitig aus). Sammelt man also im Laufe der Stiche je 8 weiße und schwarze Marker ist das genauso gut wie wenn man überhaupt keinen Marker bekommen hätte.
War sehr witzig mit viel "table talk" der Art: "Oh, du bist aber heute unausgeglichen!" und hat allen viel Spaß gemacht. Ein echter Knizia eben: aus einfachen Regel eine ganze Menge Spiel herausgeholt. Das Yin-Yang-Thema passt auch wunderbar, erst recht für Knizia-Verhältnisse. Die Schwarz-Weiß-Optik passt auch. Ganz im Gegensatz zum blau-gelben Re-Theme "Fifty-Fifty".
Ebenfalls im Koffer gelandet ist noch City of Iron (Laukat, Red Raven) samt Erweiterung. Ungespielt, deshalb keine weiteren Angaben dazu.