Die "einfache" Variante oder die Profivariante? Die beiden unterscheiden sich ja ganz enorm...
Erstmal vorweg: ich spiele zu 90% zu zweit. Sonst wären Wikinger und Carrara nicht ganz so weit oben auf meiner Liste. Insbesondere bei Wikinger halte ich zwei für die ideale Spielerzahl.
Zu den Erweiterungen. Beide genannten Spiele haben zwei bzw. vier Erweiterungsmodule in der Spielepackung enthalten, die ja nicht zwingend alle benutzt werden müssen. Bei Wikinger die Sonderplättchen und die Auktionen. In der Anleitung steht explizit drin, dass man auch mit Sonderplättchen und ohne Auktionen spielen kann und genau so machen wir's auch. Die Auktionen bringen für meinen Geschmack nur unnütze erhöhte Komplexität ohne spielerischen Mehr- bzw. Gegenwert. Lässt man die Sonderplättchen weg, verliert das Spiel aber auch nicht sooo viel. Bei den Seemännern macht das einen spürbaren Unterschied. Ohne Sonderplättchen kriegt man relativ problemlos alle Meeples auch später auf seine Inseln, sonst nicht. Aber spielerisch funktionieren beide Varianten.
Bei Carrara ist die Situation noch komplexer. Da lassen sich alle grundlegenden Spielelemente zur Expertenvariation "upgraden". Beim Drehen/Kaufen ist das "Drehen wird optional, Kaufen auch so möglich" die kleinste Regeländerung, aber die halte ich für absolut notwendig. Ein Riesengewinn für die Spieltiefe. Ich könnte mir nicht vorstellen, ohne zu spielen. Die Möglichkeit, beim Bauen vorhandene Gebäude durch Bezahlen der Differenz zu überbauen, ist für mich wieder etwas aus der Kategorie "Komplexität ohne spielerischen Gegenwert". Kann man meiner Meinung nach auch genauso gut weglassen. Die erweiterten Möglichkeiten beim Werten finde ich gut. Und die variablen Wertungs- und Siegbedingungen sehr gut, das wertet das Spiel sehr auf. Übrigens mit einem teils extremen Einfluss auf die Spielzeit, von deutlicher Verkürzung bis ziemlicher Verlängerung!
Insgesamt weiß ich nicht, ob sich Autoren und Verlag mit den im Grundspiel enthaltenen Erweiterungsmodulen in dieser Form einen Gefallen getan haben. Wenn das zuviel in die "mix-and-match" Richtung geht, erschwert das zu sehr den Einstieg ins Spiel und zieht den Ersteindruck nach unten -- und wie jeder weiß, gibt's nur eine Chance auf den ersten Eindruck. Der "Familienspieler" ist damit auch schnell schlicht überfordert und der "Vielspieler" fühlt sich bei der extremen Carrara-Variante (Erweiterungsregeln im eigenen Umschlag mit Aufschrift "nur öffnen nach einigen Spielen") schnell veräppelt, weil Carrara mit Profiregeln immer noch deutlich unter der Komplexität von Dungeon Petz, Madeira und Konsorten liegt. Als Käufer freut man sich im Prinzip über enthaltene Erweiterungsmodule, aber aus Verlagssicht halte ich das für gefährlich. Das macht das Produkt unübersichtlicher und damit schlechter. Gewinn: keiner, denn Fans der Spiels würden auch Erweiterungen kaufen. Meiner Meinung nach leiden einige jüngere Kramer/Kiesling-Titel darunter. Bei Asara oder Seeland sind kleine "Experten-Varianten-Upgrades" völlig okay, bei Wikinger (nur Kiesling) ist's grenzwertig (wie oben gesagt: die Auktionen halte ich schon für überflüssig), und bei Carrara haben sie's eindeutig übertrieben, so weit, dass ein meiner Meinung nach tolles und ziemlich unterschätztes Spiel nachher weder bei Familien- noch bei Vielspielern (Ausnahme: KSdJ-Jury) besonders gut angekommen ist.
Dass "Die Paläste von Carrara" durch das furchtbar generische Thema und die mangelnde Präsenz im englischsprachigen Markt (und damit bei BGG) auch noch zusätzlich in der Wahrnehmung der Spielerszene runtergezogen wird, ist noch ein anderes Thema. Wenn ich meine Top-3 der am meisten unterschätzten Spiele machen würde, wäre Carrara definitiv dabei.
#Wikinger #DiePalaesteVonCarrara #Carrara