Beiträge von Countrysidepop im Thema „09.02.-15.02.2015“

    #ABYSS
    Ein gängiger Versteigerungsmechanismus, Sammelkarten für Zielkarten und weitere bekannte Elemente vermitteln spieltechnisch ein gewohntes Spielgefühl. Und dennoch: Da ist ein Zauberschimmer. Das liegt vor allem an dem überragenden, geheimnisvollen Artwork, von dem deeper, mystischer Strom ausgeht, der das Spiel umhüllt. ABYSS ist ein vorbildliches Beispiel wie atmosphärisches Look&Feel ein Spiel tatsächlich anheben und das Gewöhnliche zum Funkeln bringen kann. Der visuelle Ausflug ins dunkle Meer macht den feinen Unterschied. Die Muschelperlen als Zahlungsmittel setzen Neptun die Krone auf. ABYSS ist lebendiges Bewusstsein und Anschauungsunterricht für die Qualität von Material und Auge.



    #MADEIRA
    Die Kreationen von WYG sind Regelmonster. Dabei zeichnen sie sich durch relativ wenig Grundregeln, aber viel Verzahnung und eine brockige Einstiegshürde aus. Was in VINHOS noch stimmig war, lief in ASGARD aus dem Ruder und findet in MADEIRA nun seine gekonnte Mischung aus beidem, die die Gemeinde spalten wird. Dabei gibt es im Würfelarbeitereinsetztspiel MADEIRA nur vier Aktionen, an die jeweils eine Gebäudeaktion gekoppelt ist. Der Rest ergibt sich dann im komplexen Ineinandergriff von Plättchen, Orte und Optionen untereinander. MADEIRA findet seine Liebhaber oder spuckt den Spieler gnadenlos nach der ersten Partie aus. Vielleicht war es auch das beste Meeresblau, das ich je in einem Brettspiel gesehen habe, das meine spontane Liebe für diesen Komplexapparat begünstigte. So oder so: Meide Grübler in MADEIRA wie die verdammten Piratenplättchen.



    #WIRSINDDASVOLK
    Deutsch-Deutsche Geschichte als zumindest thematisch gelungenes Spiel. Diese historische Herangehensweise macht WSDV zu einem recht individuellen Autoren- und Liebhaberding: kein Euro von der Stange, sondern der Versuch, dem Thema auch spielideel gerecht zu werden. Während sich die Kartenzüge in der Auslage mit den historischen Ereignissen aus vier Jahrzehnten flux und locker von der Hand spielen, merkt man in den vier Zwischenwertungen die hirnwindende Mühe, einen gerechten Ausgleich zwischen den Staatssystemen zu schaffen. Eine leichte Eckigkeit wird mit einer anderen Eckigkeit ausgeglichen. Dennoch bleibt unterm Strich der Mauerhöhe ein 2er-Kampf der Ideologien, indem mir spielerisch das Überleben der DDR mit seinen Mangelerscheinungen sogar besser zu gefallen vermag, als die auf Prosperität und imperialem Konsumdruck angelegte BRD. Das Spielbrett ist pure, ungeschminkte Erinnerung an grauen Geschichtsunterricht der 80er in Reinkultur.



    #ZHANGUO
    WYG bleibt sich auch hier seiner Linie treu: Relativ schlankes Regelwerk ufert in eine komplexere Verzahnung an Möglichkeiten. So auch im angehenden Reich der Mitte, wo Tsching Tschang Tsching Kombi King sein Paravent aufstellt. Im Kern spielt man in jeder der 5 Spielrunden 6 Spielkarten aus - entweder an die eigene, begrenzte Auslage oder als übergeordnete Aktion und verknüpft dann beides effizient. ZHANGUO ist ein sehr gutes Spiel innerhalb einer Verlagsreihe, die eine inhaltlich klare, denkfordernde und optisch erkennbare Identität verfolgt, die nicht jedermanns Sache ist. Dafür aber meine.

    #KANBAN (3x)
    KANBAN bildet Autofabrik auf eine Weise ab, in der die diversen, spielmechanischen Verfizzelungen des Vital Lacerda mit dem Thema perfekt zu einem homogenen Ganzen verschmelzen. Wenn man VINHOS und CO2 als mehr oder minder gelungene Annäherungen des Versuch betrachten darf, ein Thema an der Linie zur Verlorenheit und Überforderung in einem Brettspiel detailliert auszuwalzen, so ist KANBAN die liebevolle Diplomarbeit. Darüber hinaus ist KANBAN Qualitätsbewusstsein auch in der äußeren Form bishin zur vorbildlichen Regel. Carsten Reuter vom Schwerkraft Verlag hat ein komplexes Spiel vorbildlich ins Deutsche adaptiert und ein kleines Universum Autowelt auf den Spieltisch gebracht, das aufgrund seiner Detailselbstverliebtheit manchen Grobstoffling und Überblick-Neurotiker nerven wird.