Ja, ich denke z.B. auch bei dem Badehaus Thema von Orleans. Wie konnte das in zig Testpartien vorher nicht auffallen...
Jein.
Es gibt sicherlich Sachen, die auffallen sollten. Bei Orleans kann ich das nicht bewerten, weil ich das Spiel nicht kenne. Aber grundsätzlich ist es schon schwer eine solche Aussage zu treffen. Da kannst du manchmal testen und testen und testen und am Ende ist dir ein kleines Detail durchgegangen...
Als Autor selber gibt es irgendwann einen Zeitpunkt, an dem du so was nicht mehr selber siehst. Dann brauchst du Leute, die dir helfen. Testen, testen, testen. Und hoffen, dass all die Tests alle Eventualitäten abdecken.
Und dann wird das Spiel veröffentlicht und dur merkst, wie viele Testpartien jetzt auf einmal auf dich einprasseln. Das Ding ist frei und entwickelt eine Eigendynamik. Es kommen so viele Partien zusammen, wie niemals auch nur ansatzweise zuvor. Und nun kommen auch all die kleinen Details. Schlicht und einfach durch die Masse an Partien. Du kannst nur hoffen, dass kein dicker Bock dabei ist.
Das mag dann bei größeren Verlagen vielleicht nochmal anders sein. Verlage, die ne fette Redaktion haben. Obwohl die ja meist auch mehrere Spiele gleichzeitig betreuen, was wieder ein großer Aufwand ist. Um es mal auf DLP zu beziehen: Ich glaube, ohne es zu wissen, dass das ein kleiner Kleinstverlag ist. Alles passiert nebenbei und als Hobby. Klar bezahlst du als Kunde auch Geld für dein Produkt und kannst verlangen, dass da ordentlich gearbeitet wird. Und in den Maßstäben, die bei einem solchen Hobbyverlag möglich sind ist das sicher auch gemacht worden. Aber kann man deshalb auch verlangen, dass nie Fehler gemacht werden?
Die Sache ist: Sobald dein Baby frei ist hast du keine Kontrolle mehr darüber was passiert. Du kannst nur hoffen es so gut gemacht zu haben, wie es nur irgendwie geht.
Aus persönlicher Erfahrung finde ich eine solche Aussage wie von dir ziemlich anmaßend. Ich war selbst auch so. Habe mittlerweile aber eine andere Perspektive. Aber vielleicht hast du sie ja auch nur provokativ zur Disposition stellen wollen? Einfach nur eine Diskussion starten. Mit einer Aussage, die man dann auseinander pflückt oder bestätigt. Völlig in Ordnung!
Okay, dann ist dies hier meine Reaktion. Ich bin sicher es gibt andere. Die natürlich auch Rechtens sind.
Ich hab gemerkt, wie krass das ist ein komplexes Spiel zu erfinden und wie hart die Arbeit ist, die da drin steckt. Das ist Hölle! Ich sag nicht, dass es nicht auch hölle Spaß ist! Aber der Aufwand und die Arbeit die da drin steckt ist so unfassbar krass, dass es mich am Ende umgehauen hat. Daher werbe ich hier für ein wenig Empathie.
Ich hab die Erfahrung gemacht, dass Einblicke in so was gern gelesen werden. Ich will mich hier nicht produzieren. Aber ich kann mir vorstellen, dass so was eben jenes Einfühlungsvermögen fördert. Also, wer lesen möchte, der kann das tun. Alle anderen scrollen einfach weiter:
Ich spreche natürlich über das Projekt, dass mein Leben 3 Jahre lang bestimmt hat, denn das sind die Sachen über die ich berichten kann. Ich wette Rainer Stockhausen hat jede Menge ähnlicher Anekdoten, der macht die Sache weitaus länger als ich.
Im Dezember letzten Jahres hatten wir endlich einen Weg gefunden die Handwerksgebäude auf dem Spielplan (damals noch kein Spielplan sondern eine lose Auslage) mit dem Markt in der Tischmitte zu verbinden. Das war eine Sache, die wir ganz gerne haben wollten, damit alles harmonisch zusammen gehört. Wer La Granja kennt weiß, dass es zwei Wege gibt zu punkten: Handwerksgebäude beliefern und Marktkarren beliefern. Handwerksgebäude gibt es auf dem Spielplan. Schlichte Lieferziele für jeden sein eigener Auftrag. Wer den erfüllt bekommt Punkte, damals noch einen festen Wert. Dazu einen "kleinen" Bonus. Marktkarren legt man bei sich selber aus mit dem Ziel einen Marktstand auf dem zentralen Marktfeld aufbauen zu dürfen. Es gab also zwei Elemente, deren Erfüllung auf dem Spielbrett festgehalten wird. Wir hatten das Ziel die Sache in einem Element zu vereinen, damit die Satdt so richtig zusammenwächst. Da am Ende der Runde eine kleine Wertungsphase stattfindet, in der alle Marktstände gezählt werden und Punkte bringen, wollten wir die Markierungssteine für das andere Element, die Handwerksgebäude, in diese Wertung mit einbeziehen. Die Markierungssteine für die Erfüllung der Handwerksgebäude rückten wir in die örtliche Nähe des Marktes und so konnten sie in der Rundenwertung mitgezählt werden. Ziel erreicht, beide Elemente harmonisch vereint.
Mitte Februar dann waren die Arbeiten am Spiel eigentlich fertig. Der Verlag wollte loslegen mit der Regel, Grafik war seit Anfang Januar in der Mache und teilweise schon mitgetestet worden. Eigentlich war alles durch aber ich wollte eine letzte Testrunde mit zwei sehr guten Freunden machen, Dirk und Thorsten. Beide erfahrene Tester, mit Thorsten arbeite ich an einem weiteren Spiel von ihm zusammen. Zwei der besten Spieler die ich kenne.Ich kann als Agnostiker wohl schlecht Gott danken, dass ich diese Testrunde nochmal durchgezgen habe. Fuck! Die beiden haben mir den Arsch gerettet!!! Im Laufe der Partie haben wir die Wertung intensiv diskutiert. Thorsten und Dirk haben mir klar vorgerechnet, warum sie nicht funktioniert und für nur eine logische Spielweise verantwortlich ist. Alle anderen Spielweisen brachten zwar Spaß aber niemals den Sieg, solange nur ein Spieler auf eine bestimmte Art und Weise spielt. Ich muss ziemlich fertig ausgesehen haben, denn die beiden haben sich nachher noch bei mir entschuldigt, dass sie so hart waren. Aber es hilft ja nix: Stolz runter schlucken, Mund abwischen. Einsehen, dass sie Recht haben und das Problem lösen. Ich hab die Wertung sofort umgebaut und am Wochenende zwei Tests mit meiner Frau gemacht. Montag nochmal bei Dirk vorstellig geworden und zwei Extreme getestet. Glücklicherweise funktionierte alles. Jetzt musste ich noch Spielworxx verklickern, dass ich eine umfassende Wertungsänderung vornehmen muss. Obwohl fast alles im Kasten war. Lange Gesichter aller Orten. Klar. Sogar Mike hat mir eine lange Mail geschrieben, in der er (völlig zu Recht) meinen Geisteszustand in Frage stellte! Getreu dem Motto: "Alter, willst du jetzt noch die Wertung komplett umschmeißen?????!?!?!?!?!? Bist du irre!!???!??!?" Aber ich hatte ja die Testergenisse und die Arguemente - Dank Thorsten und Dirk. Mit der neuen, gegenläufigen Wertung der Handwerksgebäude ist das Spiel nun ziemlich ausgeglichen. Da aber die Grafik schon stand und es sehr aufwendig gewesen wäre das wieder zu ändern, müssen die La Granja-Spieler da draußen jetzt mit dem Mini-Problem leben, dass die grauen Felder der Handwerksgebäude nah am Markt sind aber eben NICHT mehr mitgezählt werden - ein Fehler, den viele meiner Tester mit dem fertigen Spiel gemacht haben. Ein kosmetisches Problem. Dafür gibts ein funktionierendes Spiel.
Mit der kleinen Geschichte will ich nur erklären, wie nah man manchmal dran ist am Super-Gau. Selbst den Fokus verloren, dann braucht man gute Tester, die einem den Kopf grade rücken. Wenn man so ein komplexes Gebilde erfindet, dann ist es manchmal sehr schwer an jedes Detail zu denken. Selbst, wenn man sich 3 Jahre mit wenig anderem beschäftigt und noch so viele Testpartien hinter sich hat.
Und ein Hoch auf alle Testspieler da draußen. Mir war es ein Anliegen sie alle zu nennen. Das ist das Mindeste, was ich machen kann, denn ohne sie hätte ich es sicher nicht geschafft. Verlag und Autor(en) bekommen nachher die Lorbeeren. Die vergessenen Helden der Spieleentwicklung.
Bezogen auf Orleans kann man nur sagen, dass solche Sachen selbst nach 150 Tests noch auftauchen können. Ein Prototyp ist immer im Fluss. Kleinste Regeländerungen mit dem Wunsch das Spiel noch weiter zu verbessern haben Auswirkungen auf das gesamte System. Und selbst, wenn man 100 Tests schafft, was eine Menge ist (!!!), dann kommen nach Veröffentlichung innerhalb einer Woche doppelt und dreifach so viele Tests zusammen. Besonders bei einem Spiel, dass auf der Messe so abgefeiert wurde. Wenn jemand so was leistet, dass dann trotzdem alles passt, dann ist das der Knaller!
Wie sich das Problem bei Orleans darstellt kann ich nicht sagen. Ob das jetzt wirklich ein Problem ist oder nur gefühlt ein Problem sei nochmal dahin gestellt. DLP scheint Handlungsbedarf zu sehen und hat das auch scheinbar direkt getan. Was will man mehr?
Wichtig ist zu sehen, dass man nie sagen kann: "Das muss einem in der Testphase doch auffallen!" Dazu hängt da einfach zu viel dran als das pauschalisieren zu können.