Beiträge von ravn im Thema „16.06.-22.06.2014“

    Mal zwei ganz unterschiedliche Spiele des gerade vergangenen Wochenendes hervorgehoben und näher beleuchtet:


    BattleCON: Devastation of Indines


    Ein Spiel, das eigentlich mehr ein komplettes Spielsystem in einer Packung ist. So umfangreich vom Inhalt, dass man sich damit locker monatelang beschäftigen könnte. Im Kern ist es eine Brettspiel-Umsetzung klassischer Videospiel-Beat'em'Ups wie Tekken oder Street Fighter. Zwei Kämpfer stehen sich in einer Arena gegenüber und versuchen, den Kontrahenten durch unterschiedlichste Angriffe K.O. zu prügeln. Dabei bietet das Spiel 30 komplett verschiedene Kämpfer in fünf Komplexitäts-Stufen. Dazu kommen noch Spielvarianten mit bis zu vier Spielern in Tag-Teams oder auch Kämpfe gegen übermächtig scheinende Boss-Gegner oder eine Art kooperativer Storymodus anhand vorgegebener Spielszenarien.


    Dabei braucht das Kennenlernen jedes einzelnen der 30 Kämpfer schon seine Zeit, weil man erstmal die besonderen Stärken und ebenso Schwächen erkennen muss und wie die sich in Schlagabtausch mit einem anderen Kämpfer auswirken. Deshalb wirken die ersten Kampfrunden neuer Charaktere auch eher zufällig und überraschend, werden im Laufe einer Partie oder bei einer Revanche immer taktischer und ausgefeilter. Damit klar kein Spiel für Zwischendurch sondern eher für wiederholte Partien mit den selben Mitspielern, damit man auch gleich in seiner Spielerfahrung wächst. Zwar gibt das Spiel auch Möglichkeiten, unterschiedliche Erfahrungen auszugleichen, nur dauert ein Match gegen einen Erstspieler aufgrund der komplexen Ablaufreihenfolge deutlich länger als zwischen zwei Eingespielten und das Spiel gewinnt deutlich, wenn man auf beiden Seiten zügig und ebenso kontrolliert spielen kann. So dauert dann eine Partie nur maximal 30 Minuten (rund 10 Minuten pro Best-of-Three-Kampf), bei Anfänger gut und gerne auch die dreifache Zeit bis man das Sytem verinnerlicht hat.


    Vom Ablauf wählt jeder zeitgleich aus seiner Kartenhand jeweils eine Base- und eine Style-Karte aus, die dann in Kombination die eigene Angriffsbewegung mitsamt Reichweite des Schlages, Stärke des Schlages sowie die Schnelligkeit des Schlages und weitere Besonderheiten ergeben. Danach kann man je nach Charakter noch diverse Modifikations-Pappchips im Wechsel einsetzen oder eben passen. Erst danach werden die Karten beider Spieler umgedreht und ausgewertet. Diese Auswertung gliedert sich in mehrere Ablaufstufen und setzt dabei diverse Fachbegriffe wie "Before Activating" oder "On Hit" oder "End of Beat" ein, die man erst einmal verstehen muss, wie und wann die wirken. Eventuell hat man so hart zugeschlagen, dass der langamere Gegner nicht mehr zurückschlagen kann für diese Kartenkombo oder der Gegner ist schlicht nicht in Reichweite. Benutzte Karten wandern anschliessend auf die Zweistufige-Ablage und stehen nach zwei Kampfrunden wieder zur Verfügung.


    Da ist eine ganze Menge möglich und das will erforscht und erlebt werden, damit man wirklich gezielt spielen kann. Auch deshalb wird ein Best-of-Three mit den selben Charakteren empfohlen. Ich selbst habe an zwei Spielnachmittagen erst vier verschiedene der 30 Charaktere gespielt und die auch nur aus den beiden ersten Komplexitäts-Graden. Da ist also noch eine Menge mehr zu entdecken - besonders weil man sich auf jeden Gegner neu einstellen muss. Für noch mehr Abwechslung sorgen besondere Arenen, die per Kartenvorgabe die Gegebenheiten für die Partie modifizieren und sich auch während des Kampfes noch ändern können.


    Wer jetzt neugierig geworden ist, ausreichend viel Spielzeit investieren will und auf einen Pool von ebenso interessierten Mitspielern zurückgreifen kann, dem kann ich dieses Spielsystem nur empfehlen. Ein Spielsystem, mit dem man von Partie zu Partie in seiner Komplexität mitwachsen kann. Die rund 68 Euro dafür haben sich schon mehr als gelohnt, weil die Austattung ist wirklich umfangreich und ebenso detailverliebt. Da steckt eine Menge Leidenschaft drin und das merkt man auch.


    Abluxxen


    Auch ein Kartenspiel, aber auf der Komplexitäts-Skala am anderen Ende angeordnet. Die Spielregeln sind in unter 5 Minuten komplett erklärt und wenn mal alle Mitspieler einmal am Zug waren, bis dahin auch komplett verinnerlicht. Schon erstaunlich, was das Duo Kramer-Kiesling da an einem neuen Karten-Mechanismus rausgehauen haben. Wie üblich, nach seinem Zug die Kartenhand durch Nachziehen ergänzen, das gibt es hier nicht. Stattdessen muss man sich Karten abluxxen lassen, um neue Karten blind und/oder aus der Auslage in selber Anzahl nachziehen zu dürfen. Zusätzliche Karten kann man hingegen von seinen Mitspielern abluxxen, um damit die eigene Kartenhand zu vergrössern, um später stärker ausspielen zu können. Das Regelerklär-Video auf der Ravensburger-Homepage erklärt das Spielprinzip dazu bestens.


    Bisher insgesamt vier Partien in 4er- und anschliessend 5er-Runde gespielt, wobei ich im Rückblick eher eine Viererrunde bevorzuge, weil man dann häufiger zum Zug kommt und die Balance zwischen selbst abluxxen und abgeluxxt werden stimmiger wirkte . Zu Fünft verteilt sich das Spielgeschehen auf fast schon zu viele Spieler. Dabei lebte das Spiel bestens von der Spannung, ob jemand überraschend die Partie durch ein Mega-Ausspiel beenden wird können und wie viel Zeit einem bis dahin noch bleibt, selbst seine Hand abzuspielen. Auch schön zu sehen, wie man im Windschatten eines guten Ausspiels mit schlechteren Karten durchkommen kann, ohne abgeluxxt zu werden. Oder auch solche Situationen, wo eine scheinbar sicher geglaubte Auslage dann doch abgeluxxt wird, man selbst gezwungen wird Ersatzkarten nachzuziehen und sich damit das Blatt komplett wenden kann.


    Kurz gesagt ein faszinierendes Spielerlebnis und den auf den ersten Blick hohen Kaufpreis von 11 Euro für ein Kartenspiel mit kaum vorhandener grafischer Gestaltung mehr als wert. Hier bezahlt man klar die Spielidee und nicht die Gestaltung. Könnte sich zum Dauerbrenner entwickeln und spielt für mich in einer Qualitätsklasse eines 6-nimmt oder Geschenkt-ist-noch-zu-teuer mit.


    Cu / Ralf