Beiträge von MetalPirate im Thema „SdJ Kennerspiel des Jahres“

    Liebe Leute, ihr macht euch Probleme...


    In anderen Branchen ist es zum lukrativen Geschäftsmodell geworden, irgendwelche dubiosen Siegel und Auszeichnungen zu verkaufen, oft durch Firmen, die sich "Institut für Sonstwienoch" nennen, denn der Begriff Institut ist nicht geschützt und keineswegs nur für Hochschuleinreichnungen reserviert. Das Ganze läuft dann so, dass der Hersteller immer erstmal vorab Geld bezahlt ("zur Prüfung") und dafür dann irgendwas Werbewirksames aufdrucken darf (mit hoher Wahrscheinlichkeit; eine gewisse Rückweisungsrate muss das "Prüfinstitut" haben, sonst entpuppt sich alles als Farce). Schaut z.B. auf Weinflaschen. Oder irgendwelche beliebten Design-Awards. Jede Einreichung kostet den Hersteller eine ordentliche Stange Geld, garantiert mindestens ein Drittel der eingereichten Produkte wird ausgezeichnet, und das in der Regel relativ gleichverteilt unter allen konkurrierenden Herstellern, die einreichen. Super.


    Im Vergleich dazu heißt das "nominiert zum Kennerspielpreis" immerhin, dass es zu den besten drei des Jahrgangs gehört, nominiert durch eine recht unabhängige Jury (bitte jetzt keine Diskussionen über eventuelle persönliche Präferenzen und Abhängigkeiten einzelner Jurymitglieder). Soooo schlecht ist das nicht. Wenn ein Hersteller damit werben will, soll er es ruhig tun. Wie oben erwähnt, kostet es ihn auch ein paar Euros an den Verein "Spiel des Jahres" (optional und nach der Auszeichnung!), was durchaus als gewisse Hürde dienen dürfte.

    In dem angegebenen Link findet sich bei Zielsetzung: "Das 'Kennerspiel des Jahres' soll denjenigen Menschen eine Orientierungshilfe bieten, die schon längere Zeit spielen und Erfahrung beim Erlernen neuer Spiele mitbringen." Bei Beurteilungskriterien ist die "zielgruppengerechte Ausrichtung" des allgemeinen SdJ-Kriterienkatalogs ausdrücklich erwähnt.


    Ich wünsche mir ja gar nicht, dass der KSdJ-Preis automatisch super-komplexe Spiel belohnen soll. Keineswegs. Titel wie Bora Bora, Bruxelles 1983 oder Madeira (um mal im letzten Jahrgang zu bleiben) sind tatsächlich zu "schwergewichtig" für die (K)SdJ-Kriterien. Aber wenn in einer offiziellen Begründung Spiele wie Tzolk'in als zu komplex für KSdJ dargestellt werden, finde ich das schon arg merkwürdig. Wenn die KSdJ-Zielgruppe nicht merklich von der SdJ-Zielgruppe differenziert ist, bräuchte man den separaten Preis mit dem dunkelgrauen Pöppel schließlich nicht.

    Istanbul ist wohl das "leichteste" der drei Spiele und dürfte von daher eigentlich gute Chancen auf den Titel haben. Dennoch habe ich auf Concordia getippt, weil es für mich das beste der drei ist und wenn im letzten Jahr mit Tzolk'in und Terra Mystica zwei wirklich gute Schwergewichte es nicht mal auf die Nominierungsliste geschafft haben ("nur" Empfehlungsliste, weil angeblich zu komplex, und das beim Kennerspiel!), dann könnte ich mir gut vorstellen, dass das Pendel dieses Mal in die andere Richtung ausschlägt und ein etwas "schwereres" Spiel gewinnt. Eben Concordia. Weil's einfach gut ist und "dröges Thema, null Glückselemente, Vielspielerspiel" vielleicht nicht ganz so viele Minuspunkte bei der Jury bringt wie zuletzt.


    Ich habe immer noch die Hoffnung, dass die Jury den Begriff "Kennerspiel" ernst nimmt. Mit dem Verwässern des ehemals hoch angesehenen Titels "Spiel des Jahres" durch allerlei seichtes Zeugs habe ich kein Problem, wenn wenigstens Kennerspiel das auszeichnet, was eben nicht für Massenmarkt und Familientauglichkeit toll ist, sondern für Vielspieler. Dass das "Spiel des Jahres" die Allgemeinheit zum Spielen bringen will, ist doch toll. Aber dann bitte Kennerspiel für die Vielspieler, ohne dass etwas wie Tzolk'in wegen zu hoher Komplexität rausgekickt wird. Dann wäre allen gedient.