Beiträge von Countrysidepop im Thema „Meinungen zu A Study in Emerald“

    Martin Wallace ist eigen. Das spiegelt sich in seinen Spielen und eben auch in seiner zuweilen kruden Label- und Vertriebspolitik wieder. Er bewegt sich jenseits des Mainstreams, den er inzwischen thematisch zu erreichen versucht. Dabei sind seine Themen Liebhaberthemen. Das kann man mögen oder auch nicht. Die Geschichte Polens aus GP interessiert vielleicht Geschichts-Nerds mit Pullunder und Brille. Mit Terry Pratchet erreicht man mehr Masse. Das kann man nachvollziehen, wenn man versteht, dass MW von seinen Spielen leben muss, da er in NZ meines Wissens nach nicht mehr als Geschichtslehrer arbeitet.


    Bei allem thematischen Mainstream ist eine aufrechte Liebe zu Retro, Old Fashioned SF, feiner Mystery-Romantik, Jules Verne, History-Style, Kindheitssehnsucht, Licht und Dunkelheit, Geheimorden, HG Wells, A.Crowley, Verschwörungstheorien, englischer Industrie-Verklärung und Reisen zu Fred vom Jupiter unverkennbar. Das mag ich sehr. ASIE und OTV sind herausragende Liebhaber-Artworks, jenseits von Dennis Lohausen, den besten Art Director der Szene. Das Artwork hebt seine Spieldesigns an. Das ist ein echtes Geheimnis. Die Spielideen von MW wiederholen sich. Er zitiert sich, immer wieder. Variations of a Theme. Aus AUTOMOBILE wird SHIPS. Sich selbst wiederholen tut Knizia auch. Das kann man mögen oder auch nicht, abba im Gegensatz zum Schaum von MW ist Knizia ein verkopfter Mathe-Schädel, seine Spiele kommen nicht aus dem Herzen. Das ist bei MW anders. Man merkt seinen Kreationen die jungenhafte Seele an, den Huckleberry Finn, trotz mathematischer Strukturen. MYTHOTOPIA ist gebrochener Schrott und ein guter Beleg, wie sich Retro auch in sich selbst verlieren kann. Ich verzeihe ihm diese spielerischen Aussetzer, weil er mir viele andere, geile Schätze beschert hat. Von all jenen finde ich ASIE herausragend, schön gefolgt von FTIN und AEROPLANES.


    ASIE ist ein in seiner Unperfektion ein perfektes Spiel. Es ist anfechtbar, unausgewogen, unausgegoren, eine Provokation für redaktionelle Perfektionisten. ASIE ist eine Wippe, ein dunkles Schaukelpferd. Es bringt Spieler, die alles unter Kontrolle haben, an den Rand der Ohnmacht, weil jeder Spieler an einem anderen hängt. Das Genie hängt an der Krücke, der Profi am Anfänger, das Glück am Pech. Es ist ein fesselndes, semi-kooperatives, schräges Spielerlebnis aus der Feder eines Autors, der Mut hat. In ASIE folgt das Spiel dem geliebten Thema, statt einem Knizia, der für eine Kopfgeburt ein Thema sucht und den dämlichen Doktortitel als Gütesiegel dranhängt. Man möge mich dabei nicht missverstehen: AMUN-RE und TADSCH MAHAL sind herausragende, zeitlose Spiele.


    ASIE ist ein unperfektes Spiel, das sich nun retrohaft zitieren möchte, indem es sich anpasst: Einem Markt. Einem Spieler, der nach Gerechtigkeit im Spiel und Chancengleichheit im Leben schreit. Dem Mainstream. Der Idee, ein mainstreamigeres Spiel an der Peripherie zu schaffen, das dem Mainstream entkommt. Ich persönlich sehe das so: ASIE 1 ist ein Spiel. ASIE 2 ist ein anderes Spiel. Es ist keine Frage der Konkurrenz, des "besser" oder "schlechter", wenngleich eines von beiden besser oder schlechter sein wird, sondern eine Alternative. Variations of a Theme. Der gute, alte, älter werdende MW, der sich um seine Rente kümmern muss in neuem Altherren-Gewand. Neues Artwork. Gekämmte, entlauste Regeln: Carsten Reuter vom Schwerkraft-Verlag wird das sehr gut machen, das hat er mit KANBAN bewiesen.


    Ich werde auf zwei Welten ASIE schauen und mich über eine Option innerhalb des Gleichen freuen. Ein gebügeltes Hemd neben einem zerknitterten. Aufgewärmtes Essen schmeckt nicht so gut wie frisch gekocht, aber es schmeckt besser als frisch gekocht, wenn es sich um eine Lieblingsspeise handelt. Das ziemlich Subjektive verbindet mich mit MW. Und irgendeiner wird bestimmt ein Haar in der Suppe der zweiten Edition finden, das Sherlock Holmes zu einem perfekten Detektiv macht.