Zitat
Original von duchamp
Aber es gibt jenseits von dieser persönlichen Grenze schon auch folgende Überlegung:
Wenn - wie einige hier schreiben - vor allem der Spielreiz entscheidend ist, warum werden dann die "fertigen" Spiele nicht in ein unreales Szenario übertragen? Der Themen sind viele, der Spielreiz wäre nicht geringer. Oder doch? Ich habe mich als Jugendlicher beim Baue von Revell-Modellen schon immer gefragt, wieso so viele Panzer und dergleichen erhältlich waren, während meine historischen Segelschiffe oft als "langweilig" bezeichnet wurden. Es ist eben DOCH etwas anderes, wenn die "xte Division" mit ihren historisch korrekten Panzern und Nachschublinien vorrückt. Da weht so ein "heroischer" Wind - "Conflict of Heroes" und so. Eine für mich sehr US-amerikanische Sichtweise, die mir gänzlich zuwider ist.
Mir ist klar, dass die User dieses Forums diese Sichtweise nicht teilen (offensichtlich) - aber sie steckt doch hinter der Entwicklung vieler solcher Spiele. Vielleicht finde ich einfach, mein Leben ist zu kurz, als dass ich mich mit diesen "faszinierenden" und "spannenden" Themen wie der Kriegsführung aus Generals-Sicht möglichst detailliert auseinanderstzen müsste. Mich interessieren eher Bücher wie "Davon haben wir nichts gewusst" von Peter Longerich - dazu brauche ich kein Ostfront-Spiel.
Wahrscheinlich stellen die Spieleentwickler (und viele Wargamer) genau die entgegengesetzte Frage: Wieso sollen wir denn ein reales Szenario in eine unreale Welt versetzen? Was würde sich ändern, wenn in NO RETREAT nicht etwa Deutschland über Russland herfallen würde, sondern Orkhorden über unvorbereitete Elben, die sich dann aufrappeln, ihre Harfen und Lauten beiseite legen, und zu den Waffen greifen?
Ich psersönlich nehme an, dass es auch etwas mit Marketing zu tun hat:
"No Retreat! - Russische Ostfront" sagt jedem sofort etwas. Der Konflikt ist bekannt, die Situation auch, man weiß also gleich "woran man ist".
"No Retreat! - Orcs vs. Elves" ist vollkommen unbekannt. Dass sich dahinter ein komplexes und spannendes Strategiespiel usw. versteckt, muss erst erklärt werden.
Plus der Vorwurf, man würde mit einem "harmlosen" Fantasy-Setting einen grausamen Krieg "verstecken" wollen.
Aber Du beschreibst ja auch sehr gut, weshalb die Kriege des vergangenen Jahrhunderts für Dich zu nahe sind. Kann ich gut verstehen. Ich habe mir die Frage gestellt, als ich sowohl History of War, als auch Flames of War gespielt habe. Gerade bei dem ersten habe ich lange mit meiner Schwester diskutiert, da ich das Spiel nicht nur gespielt habe, sondern auch auf den Messen und Spieleconventions Demospiele gemacht habe. Da muss man sich natürlich auch die Frage gefallen lassen, wieso man denn ein Spiel repräsentiert, in dem man Nazis spielen kann...
Womit ich mich übrigens nicht anfreunden kann, ist der Ausdruck "gewaltverherrlichend" bzw. "kriegsverherrlichend". Ich empfinde es nicht so, dass die Spiele Gewalt und Krieg als etwas Positives oder Erstrebenswertes darstellen - eher versuchen sie, das Tatsächliche - also die Gewalt im Detail - zu verbergen, indem ja kein Counter wirklich stirbt, sondern immer wieder ins Spiel kommt, und sowieso die meisten Ergebnisse ein Zurückdrängen sind - das diese simple Bewegung eins Counters um 2 Felder nach hinten in Realität (im Krieg) viele, viele tote Soldaten (und Zivilisten) gefordert hat, bleibt im Rahmen des Spiels natürlich verborgen.
Aber da sind wir ja wieder bei der alten Puerto Rico-Diskussion: Sklaven werden auf den Plantagen zur Arbeit gezwungen, dargestellt durch braune Pöppel, die auf die Plantagenfelder platziert werden. Alles hübsch abstrahiert.
Ich denke, dazu muss sich jeder selbst seine Gedanken machen, was in den Spielen, die er spielr, dargestellt werden darf - und wie. Und was eben nicht.