Beiträge von duchamp im Thema „Muss man (Anti-)Wargames rechtfertigen?“

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    Original von Attila


    Was eine berechtigte Frage ist. Warum sollte man das tun?


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    Original von Attila
    Es geht eben nicht um den Spielreiz an sich, sondern auch und meist hauptsächlich um das Geschichtsinteresse. Es geht nicht um das "Nachspielen von Kriegen".


    Mir ging es nur um das Argument einiger anderer hier, CoSims seien eben rein vom Spielreiz her für sie das ideale Genre. Wenn du schreibst, es gehe um "Geschichtsinteresse", nicht aber um das "Nachspielen von Kriegen", finde ich das aber ziemlich undurchsichtig. Ein Spiel wie "No Retreat!" ist eine Ansammlung von (größtenteils sauber recherchierten) Fakten, die ausgewählt wurden, weil sie ein möglichst spannendes Spiel ermöglichen. Alles andere fehlt.


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    Original von Attila
    Ich denke die Autoren tuen dies, weil sie den Spielern ein Stück Militärgeschichte näher bringen wollen. Wenn du speziell die Designer Notes von NR liesst, wirst du sehen das Carl genau erklärt wieso er was so gemacht hat wie er es gemacht hat. Welche Mechanismen, welche Effekte hervorrufen sollen, etc.


    Finde in den Designer Notes eher andere Dinge. Wie ihn seit Teenager-Tagen die Ostfront "faszinierte", etc. Wie du hier präziser schreibst, geht es (wenn überhaupt) um "Militärgeschichte", und das hat mich schon in der Schulzeit wahnsinnig gemacht, dass es (auch in entfernterer Vergangenheit) zu sehr um Geschichte aus der Sicht "von oben" ging. Klar, beim "3. Reich" und dem 2. Weltkrieg geht man hier in Deutschland anders vor, das finde ich aber auch nur richtig. Es gibt für mich eben keinen Grund, die "Militärgeschichte" abzukoppeln - und schon gar keinen Grund, das nun mit immer wieder ungewissem Ausgang neu durchzuspielen - unter natürlich solchen Bedingungen, die für das Spiel mechanistisch gesehen eben perfekt funktionieren.


    Das hat m.E. mit "Geschichte" nicht wirklich viel zu tun, sondern mit einem Steinbruch, aus dem man sich schön bedienen kann - wenn man eine eigene Welt erfindet, kann man sie aber eben so erfinden, dass man nichts verschweigen muss - vielleicht doch ein Grund, dies zu tun?


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    Original von Attila Ich kann verstehen, wenn man "Kriegsspiele" nicht spielen möchte oder wenn man keine WWI oder WW2 Spiele spielen möchte. Genauso kann man keine Eisenbahnspiele, oder Spiele von 2F die mit einem "F" anfangen nicht spielen wollen. Oder Spiele die Plastikmaterial beinhalten. (Alles schon dagesessen) - aber das sollte man nicht generalisieren.


    Was meinst du mit "generalisieren"? Ich betrachte das Thema absolut undogmatisch, merke aber, dass ich einige Argumente rein von der Logik her nicht nachvollziehen kann.


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    Original von AttilaIch habe kein "Problem" damit mich mit der direkten Vergangenheit auseinander zu setzen. Ignorieren hilft auch wenig - im Gegenteil, das ist eigentlich ganz schlimm. Und CoSims sind halt eine mögliche Art sich damit zu beschäftigen. Eine andere sind Geschichtsbücher lesen. Das eine ist nicht besser als das andere und nichts von beiden ist in irgendeiner Art verwerflich. Und beides ergänzt sich hervorragend um ein tiefergehendes Geschichtsverständnis zu bekommen.


    Hm. "No Retreat" ... "retells the story of the titanic struggle between the invading armies of Nazi Germany versus Communist Russia" - da lese ich doch lieber das eine oder andere umfassendere Buch über politische Hintergründe, Gesellschaftsstrukturen und andere geschichtliche Aspekte einer Zeit.


    Gute CoSims sind spannende, perfekt austarierte, sich historischer Konflike bedienende Spiele, die sich noch dazu den Anstrich geben "the real thing" zu sein. Ebenso wie Filme "based on a true story" und der Schwall "historischer Romane" benutzen sie Historisches nach Gutdünken, um Unterhaltung zu generieren.


    Mich interessiert eher, was mit den Menschen passierte, wie sie Soldaten wurden und warum, wie sie Befehlen gehorchten oder nicht, wie die "Maschinerie" die Menschlichkeit verdrängt. Wie US-Soldaten für den Vietnam-Krieg zu bestialischen Folterern ausgebildet wurden oder welche gruppendynamischen Aspekte dafür sorgen, dass man lieber "mitmacht", als einen Befahl zu verweigern. Was geschah, geschah eben immer zwischen Menschen. Nicht zwischen Panzern und Artillerie, nicht zwischen Flugzeugen und Städten. Nicht zwischen Countern. Mich persönlich interessiert eben ausschließlich dieser Aspekt, da er für mich einzig relevant ist.
    Und ich bin mir relativ sicher, dass diese Diskussionen bei CoSim-Spielerunden eher nachrangig sind, Geschichtsinteresse hin oder her.

    Ich kann mich zwar die meisten bereits geschriebenen Meinungen hier nachvollziehen, allerdings trennt sich das bei mir auf.


    Objektiv betrachtet ist nix Verwerfliches dran, auch Gewaltverherrlichungs- oder Moralargumentationskeulen sind mir fern. Und was "die gesellschaft" akzeptiert oder nicht, war mir schon immer komplett egal.
    Subjektiv aber spiele ich keine Wargames, die im WWI oder WWII angesiedelt sind. Mein Vater ist als Jugendlicher desertiert (trotz der permanenten Gefahr, bei Entdeckung sofort erschossen zu werden), mein Großvater war lange als Arzt an der russischen Front, und mein Schwiegervater, der mir sehr nahe stand, hat 12 Jahre in Krieg und Gefangenschaft verbracht und den Rest seines Lebens Albträume gehabt.
    Natürlich sind in Kriegen davor die Menschen nicht weniger schmerzhaft gestorben, aber die Nähe macht den Unterschied. Außerdem die Verquickung des 2. Weltkrieges mit dem Deutschen Regime, Kriegsverbrechen der Wehrmacht, etc. die natürlich im Spiel ausgeblendet werden.
    Es ist aber auch die "Konkretion", die den Unterschied macht. Reale Städte, reale Situtaionen, Waffengattungen, etc. - das ist eben etwas anderes als "eine Armee" bei Risiko zu verschieben.
    Ich würde auch keinen Ego-Shooter spielen, ebensowenig wie ein Brettspiel, bei dem ich als Amokläufer Weltruhm erlangen will oder es "cool" ist, Leute abzuschlachten ...
    http://www.boardgamegeek.com/i…5/mob-ties-the-board-game
    Es ist aber nicht nur eine inhaltliche Frage, sondern ine der Haltung zum Gegenstand. "World Conquerors" von Jeff Siadek habe ich bei Kickstarter unterstützt, nachdem ich es mit Jeff in Essen (an)gespielt habe. Hier werden alle "Welteroberer" der Menschheitsgeschichte kunterbunt durcheinandergeworfen und mit einem satirischen Blick gegeneinander gehetzt. Finde ich wieder spaßig, obwohl Hitler auch dabei ist.


    Aber es gibt jenseits von dieser persönlichen Grenze schon auch folgende Überlegung:
    Wenn - wie einige hier schreiben - vor allem der Spielreiz entscheidend ist, warum werden dann die "fertigen" Spiele nicht in ein unreales Szenario übertragen? Der Themen sind viele, der Spielreiz wäre nicht geringer. Oder doch? Ich habe mich als Jugendlicher beim Baue von Revell-Modellen schon immer gefragt, wieso so viele Panzer und dergleichen erhältlich waren, während meine historischen Segelschiffe oft als "langweilig" bezeichnet wurden. Es ist eben DOCH etwas anderes, wenn die "xte Division" mit ihren historisch korrekten Panzern und Nachschublinien vorrückt. Da weht so ein "heroischer" Wind - "Conflict of Heroes" und so. Eine für mich sehr US-amerikanische Sichtweise, die mir gänzlich zuwider ist.


    Mir ist klar, dass die User dieses Forums diese Sichtweise nicht teilen (offensichtlich) - aber sie steckt doch hinter der Entwicklung vieler solcher Spiele. Vielleicht finde ich einfach, mein Leben ist zu kurz, als dass ich mich mit diesen "faszinierenden" und "spannenden" Themen wie der Kriegsführung aus Generals-Sicht möglichst detailliert auseinanderstzen müsste. Mich interessieren eher Bücher wie "Davon haben wir nichts gewusst" von Peter Longerich - dazu brauche ich kein Ostfront-Spiel.


    Interessant finde ich allerdings den Asnatz von "Weimar, German Politics 1929-1933"
    http://www.boardgamegeek.com/b…german-politics-1929-1933
    Es behandelt - als Block-Wargame - die politische Landschaft der Weimarer Republik mit einigen erhellenden Details. Inklusive der "Immunität" von Nazi-Größen gegenüber Attentaten, der Rolle der Kommunisten und dem gesellschaftlichen "Chaos", das den Nazis in die Hände spielt. Ziel ist es, die Mehrheit im Reichstag zu erlangen ...
    Ich hoffe, das Spiel erscheint bald - Frage wäre, ob (und wenn, wer?) das in Deutschland überhaupt verlegen würde. Tja. Muss ich wohl aus USA einfliegen lassen und beim Zoll Hakenkreuze, Hitler-Abbildungen und mehr erklären ;)