Beiträge von Dirtbag im Thema „Ameritrash - warum die Ablehung?“

    Zitat

    Original von Sternenfahrer(...)
    Zum grundsätzlichen Thema:
    Man kann den "Eurogamern" ja auch eine freundliche Absicht unterstellen. Wenn man sich die Entwicklung anschaut, dann sind frühe Ameritrash-Spiele wie RISIKO, TALISMAN oder MONOPOLY (thematisch dicht, spielerisch aber blöde) die Spiele aus unserer Kindheit, die wir alle kennen, aber heute nicht mehr spielen würden. Ich denke, die Eurogamer unterstellen den Ameritrash-Spielern, daß diese aus Unkenntnis "richtiger" Spiele auf dieser Stufe stehen geblieben sind, und wollen sie zum nächsten Schritt motivieren? Das kommt dann aber aus Ameritrash-Sicht als Überlegenheit an (ist ja auch durchaus das Gefühl, daß die Eurogamer in der Situation empfinden).



    Und ich denke, genau hier liegt der Knackpunkt.
    Niemand wird widersprechen, wenn man den Mechanismus von Talisman als simpel bezeichnet. Das ist schlichtweg Fakt. Auf der anderen Seite sehe ich aber StarCraft, A Game of Thrones als durchaus anspruchsvolle Spiele, deren Glücksfaktor sich ebenfalls stark in Grenzen hält (bei StarCraft mal vom Aufbau der Galaxie abgesehen) und die sich hinter Spielen wie Agricola meiner Meinung nach nicht verstecken brauchen. Plane ich nicht voraus, entwickle ich keine vernünftige Strategie, spiele ich schlecht - dann werde ich verlieren.
    Kennt der geneigte Eurogamer lediglich Risiko oder Talisman als Vergleichsbasis, sollte man imho vielleicht mal über seinen Tellerrand schauen.


    Ist man dagegen informiert stellt sich die Frage, weshalb mit zweierlei Maßstäben gemessen wird:
    Bricht man Eurogames auf ihre Grundmechanik herunter, wie es ja bei "Ameritrash" so gern gemacht wird, bleibt nur noch das Positionieren von Arbeitern, Auktionen oder die Wahl einer bestimmten Rolle übrig. Samt und sonders nicht besonders schwierig zu meistern. Der Anspruch kommt durch die künstliche Verknappung der Ressourcen, die es mir nicht ermöglichen, alle meine zur Verfügung stehenden Optionen zu nutzen. Hinzu kommen die Aktionen der Mitspieler, die meine Aktionsmöglichkeiten weiter einschränken und mich zu möglicherweise suboptimalen Handlungen zwingen, schließlich kann ich ja gegen den platzierten Arbeiter nichts unternehmen. Dabei versuche ich nun, mit dieser Aktion möglichst viele Siegpunkte abzuschöpfen oder mich in eine günstige Position zu bringen, um mit der nächsten oder übernächsten Aktion möglichst viele Siegpunkte abzuschöpfen. Kurz gesagt, es geht um Optimierung der Strategie hinsichtlich maximaler Gewinnabschöpfung. Also Wirtschafts-Strategie.
    "Ameritrash" ist in den Grundmechaniken häufig auf Produzieren, Bewegen, Angreifen reduzierbar, gelegentlich fällt das Produzieren auch mal weg. Auch keine besonders schwer vermittelbaren Mechaniken, leider aber hört die Beurteilung des Spiels dann häufig hier auf. Auch hier kommt der Anspruch erst durch die Interaktion mit den Mitspielern. Das Ziel ist hier aber nicht maximale Gewinnabschüpfung, sondern die Aneignung von bestimmten Regionen, Gegenständen, etc. Dazu stehen dem Spieler ebenfalls diverse Aktionen zur Verfügung, deren sinnvolle Verwendung es anhand gegnerischer Aktionen abzuschätzen gilt. Dabei verknappt eine gegnerische Aktion nicht meine sinnvollen Handlungsmöglichkeiten, zwingt mich aber möglicherweise dazu, meine Pläne zu überdenken, da ich mich andernfalls in einer prekären Situation wiederfände. Es stehen also jede Runde alle Optionen zur Verfügung, inklusive derer, die der Gegner schon nutzt, ich muss aber seine Strategie richtig einschätzen und seine Züge vorausahnen, um den richtigen Konter bereit zu haben. Hier geht es nicht Optimierung, sondern um die Minimierung von eigenen Verlusten bei gleichzeitiger Maximierung gegnerischer Verluste. Im Prinzip Militär-Strategie.


    Zwei völlig unterschiedliche Arten von Strategie, jede für sich genommen aber durchaus anspruchsvoll. Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, die eine als komplexer oder schwieriger oder "richtiger" als die andere zu bezeichnen.


    Aber letztendlich zeigt sich das ja eigentlich schon im Namen: es gibt die eleganten Eurogames, die detaillierten CoSims und dann noch den hässlichen Müll aus Amerika - den Ameritrash eben.

    Es ist nicht so, dass ich versuchen würde, irgendwen in irgendeiner Hinsicht zu missionieren. Oder gar zu "belästigen". Warum auch.
    Ich bin durchaus in der Lage, verschiedene Vorlieben zu respektieren.
    Es geht mir auch nicht um die Eurogamer meiner Mitspieler. Es geht mir um Leute, die kurz am Tisch vorbeischauen und derartige Bemerkungen fallen lassen. Oder um Personen, die eben auf herablassende Art und Weise antworten, wenn man das erste Mal bei einem Spieletreff zugegen ist und freundlich nach Mitspielern gefragt hat. Und einen dann fortan ignorieren oder alternativ skeptisch beäugen.



    Und ja, ab einem gewissen Punkt stört mich die Überheblichkeit anderer. Nicht beim ersten Mal, nicht beim zweiten Mal, nicht beim dritten Mal. Aber jeder Mensch hat einen Punkt, von dessen Erreichen an emotionsloses Ignorieren sehr schwierig wird. Irgendwann ists halt auch mal gut.
    Es kann doch nicht zuviel verlangt sein, auch andere Vorlieben als nur die eigenen zu respektieren.

    Eine Frage, die ich mir schon lange stelle. Und ein Thema, was mich schon lange nervt.
    Ich bin definitiv ein großer Freund von "Ameritrash", da mir bei Spielen Atmosphäre und Setting extrem wichtig sind. Das Spiel muss involvierend sein und eine Geschichte erzählen, an deren große Momente man sich auch später noch gerne erinnert.
    Das heißt aber nicht, dass ich nur solche Spiele spielen würde. Ich bin für alles offen und gebe jedem Spiel eine Chance, auch wenn es mich eigentlich gar nicht anspricht. Schließlich hab ichs ja noch nicht gespielt und kann es ergo nicht wirklich beurteilen. Meist gibts auch noch ne zweite oder dritte Chance, kann ja schließlich gut sein, dass es einfach blöd gelaufen ist und mir das betreffende Spiel eigentlich doch gefällt.
    Soviel mal zu mir.


    Was mir allerdings schon häufig negativ aufgefallen ist, ist die Einstellung von primär auf Eurogames fokusierten Spielern gegenüber Ameritrash.
    Von Sprüchen wie "Ja, es gibt hier einen, der sowas auch spielt" (herablassender Tonfall) oder "Ach, ihr spielt Best of Five, oder? Höhöhö" (Kommentar zu Descent nach 2 Stunden Spielzeit) über mitleidiges Lächeln ob des gespielten Spiels oder geistreichen Erkenntnissen zu den verwendeten Mechanismen (Würfel sind besonders beliebt) bis zu "Wer will schon so nen Mist spielen?" (Arkahm Horror) ist alles drin. Ich hab oft den Eindruck, dass sich etliche dieser Gruppe zugehörigen Mitmenschen den Spielern dieser "dummen Ameritrash-Spiele" geistig überlegen fühlen - und sich genötigt fühlen, dies auch umgehend zum Ausdruck zu bringen. Oft genug, ohne die betreffenden Spiele jemals gespielt zu haben.


    Ich versteh's ehrlich gesagt nicht.
    Ich stell mich doch auch nicht an nen Tisch, an dem beispielsweise grade ein extrem optimierungslastiger Euro gespielt wird und frag, ob die Siegpunkte denn auch brav auf die vierte Nachkommastelle genau berechnet wurden.
    Wenn mich ein Spiel interessiert, frag ich nach, ob ich mal mitspielen darf. Wenn's mich nicht interessiert, schön, anderen gefällts ja offenbar. Aber das ist doch noch lange kein Grund, die Spieler herablassend zu behandeln oder ihnen mit einem unangebrachten Kommentar das Spiel zu vermiesen.