Beiträge von Sternenfahrer im Thema „Wortführer-Problem“

    Zitat

    Original von MatthiasC
    Ist das Problem eurer Meinung nach zu vermeiden, in dem man die Kommunikation zwischen den Spielern reglementiert oder ganz unterbindet? Space Alert besitzt zumindest zeitweise dieses Element (wenn ich mich richtig erinnere: sobald das Kommunikationssystem ausfällt). Nimmt das zuviel Spielspaß, der ja sicherlich auch aus dem gemeinsamen Beratschlagen und Lösungsideen entwickeln besteht?


    Das funktioniert meiner Meinung nach nur als einzelnes Spielelement -wie das beschriebene Ereignis bei SPACE ALERT- aber eben nicht als grundsätzliche Spielregel.
    Wir hatten hier schon wiederholt die Diskussion über die Schweigegebote, die eigene Kartenhand betreffend, z.B. bei SCHATTEN ÜBER CAMELOT und SPACE HULK: TODESENGEL. Die meines Erachtens nach einfach nicht funktionieren.
    Oder anders ausgedrückt: Diese Regeln funktionieren nur mit Spielern, die sich sowieso auf das Spiel einlassen, im Gegensatz zu den Wortführern, die immer auch Wege finden werden, diese Regeln zu unterlaufen.

    WERWÖLFE dienen mir als Beispiel für ein Spiel, wo der Spaß nicht aus dem "Sieg" besteht ("Juhu, die Werwölfe haben gewonnen"), sondern aus dem SPIEL davor. Der Sieg ist ja auch meistens ein Phyrrussieg - man fängt mit 15 Spielern an und zwei bleiben übrig - das ist ja nicht wirklich erfolgreich. Und die, die übrig bleiben, können sich noch nicht mal auf die Schulter klopfen, weil sie es einer explosiven Mischung aus Zufall und komplexen gruppendynamischen Prozessen verdanken. Jemand, der in so einer Runde glaubt, er hätte es seiner eigenen "Leistung" zu verdanken, daß er gewonnen hat, ist schon ziemlich naiv, finde ich! Der müßte mir mal über 1000 Partien nachweisen, daß er tatsächlich statistisch signifikant öfter "übrig" bleibt als der Durchschnitt. Aber das ist eine akademische Frage.


    Und so ist es meiner Meinung nach auch mit kooperativen Spielen. PANDEMIE z.B. kann auch viel Spaß machen, wenn die Pest ausbricht und die Menschheit vernichtet wird, also alle eigentlich "verloren" haben. Und das ist aus meiner Sicht das schöne an den kooperativen Spielen.


    Neue These (bewußt provokativ): Gibt es für den Ehrgeiz nur die Einstellung "1" und "0"?
    Also, kann ich ENTWEDER ein Spiel mit voller Kraft und ganzer Gewalt sofort an mich reißen und alle Mitspieler zu Marionetten degradieren, ODER ich brauche es erst gar nicht spielen?


    Wie gesagt, mit der Einstellung machen kooperative Spiele keinen Spaß, und zwar für niemanden. Findet man einen Mittelweg, dann schon. Und sei der Mittelweg der von Dir postulierte "versteckte" Diktator. Das ist ja eigentlich genau das, wovon ich rede - ist man selbst Wortführer, muß man sich in kooperativen Spielen eben zurückhalten. Ich habe ja nirgendwo geschrieben, das man nicht trotzdem subtil die Mitspieler manipulieren dürfte.
    Was keinen Spaß macht, ist, wenn die Mitspieler spüren, daß sie manipuliert werden...

    Ich sage, ebenfalls bewußt provokativ:
    Bei Persönlichkeiten, denen die Summe des Spielspaß aller wichtiger ist, als ihr persönlicher Triumph, funktionieren kooperative Spiele sehr gut.
    Anders ausgedrückt, ist man der "Wortführer", kann man sich auch zurücknehmen, so wie man das in anderen sozialen Situationen auch tut. Damit nämlich auch andere Spieler Spaß haben. Es geht ja bei PANDEMIE eben nicht darum, den Kartenstapel zu schlagen, sondern mit einigen Menschen gemeinsam Zeit zu verbringen, und im Idealfall auch noch gemeinsam eine Aufgabe zu lösen.


    Ich habe, weil das Beispiel fiel, auch noch nie eine Partie WERWÖLFE erlebt, wo es darum ging, wer gewonnen hat. Ich bezweifle, daß es viele Partien gibt, wo sich die Mitspieler auch nur daran erinnern können. Aber das Metaspiel, also, die gruppendynamischen Prozesse, die Methoden, mit denen gehetzt und gepöbelt wurde, die zaubern auch noch viel später ein Lächeln auf die Lippen der Teilnehmer - selbst bei denen, die früh ausgeschieden sind. Ich kenne kein anderes Spiel, wo diejenigen, die ausscheiden, so stark motiviert sind, dem weiteren Spielverlauf zu folgen, wie bei WERWÖLFE! Aber das führt ein bißchen zu weit weg vom Thema.


    Es gibt ja das Sprichwort, "Niemand mag Klugscheißer!". Warum, frage ich mich, mutieren nette Mitmenschen zu Spieltischdiktatoren, obwohl sie in anderen Situationen (z.B.: Die eigene Frau sitzt am Steuer) sehr wohl wissen, daß es oft ratsam ist, mit dem eigenen Besserwissen hinterm Berg zu halten?


    Ich spiele seit 25 Jahren Tischrollenspiele, da klappt das problemlos. Der Spielleiter beim Tischrollenspiel z.B. hat ja auch die alleinige Aufgabe, die Spielrunde zu unterhalten. Er muß/kann/darf sie nicht "besiegen", nein, er ist nur dazu da, ihnen einen spaßigen Abend zu bereiten. Wenn ihm das keinen Spaß macht, ist er kein guter Spielleiter.
    Aber wehe, dieselben Menschen sitzen bei PANDEMIE am Tisch...


    Verstehe ich nicht.