Eine Woche nix anderes als Brettspiele im Kreise von anderen Brettspielverrückten irgendwo in Preussisch Oldenburg. Von morgens bis nachts - nur von Essenspausen unterbrochen. Hat wahnsinnig viel Spass gemacht, auch wenn ich mich aktuell ein wenig ausgebrannt fühle. Waren so um die 40 bis 50 Partien diverser Neuheiten und alte Klassiker. Einfach zu viele, um alles und alle aufzulisten. Folgendes ist mir in dieser Woche aber in Erinnerung geblieben:
Titania ist ein belangloses Spiel ohne Spannungsbogen. Hat sich auch in meiner zweiten Partie bestätigt. Aber meine Mitspielerriege fand es durchweg gut und auf einer Stufe mit Finca. Ich bleib aber bei meiner "Mittelmass muss niemand spielen" Meinung.
Vor den Toren von Loyang bleibt auch in Viererrunde ein solo-artiges Spielvergnügen. Mehr Rechenpuzzle als wirkliches Spiel. Ein KI-Programm könnte sicher wesentlich besser spielen. Herausfordernd, es möglichst optimal zu spielen, ist es trotzdem. Gerne wieder, aber in kleiner Dosis.
Die Tore der Welt ist Kopfkino der Extraklasse. Ich hatte den Roman vor wenigen Wochen fertig gelesen und konnte mit dem Spiel nochmals in die Mittelalterwelt voller Pestilenz, Tod und Verderbnis eintauchen. "Lasset alle Hoffnungen fahren" ist das Spielmotto. Meint man mal, Licht am Ende des Tunnels zu ahnen, kommt auch schon der nächste Genickschlag. Macht auf seine ganz besondere Art trotzdem Spass, wenn man ein wenig leidensfähig ist.
Civilization mit Westeuropa-Erweiterung funktioniert auch in Viererrunde und die unerreichte Dynamik des Spielablaufs mit Ausbreitung, Rückschläge durch Katastrophen und die kongeniale Handelsphase (wer zu gierig ist, handelt sich auch schon mal die Seuche ein) in einem Spiel verflochten, das auch nach 20 Jahren für mich nichts an seiner Faszination verloren hat. Am frühen Nachmittag nach Spielstart am morgen haben wir dann abgebrochen, weil es noch so viele andere Spiele vor Ort gab. Aber die kommende Partie ist schon fest angedacht.
Seeland ist eine schöne Ravensburg-Neuheit. Ich habe es zwei Mal mit den verdeckten Spielplanteilen und mit den Vogten gespielt und die Spieltiefe ist gerade zu ideal für ein mittelkomplexes Spiel. Allerdings muss man damit leben können, dass man umso besser spielt, je unerfahrener der rechte Nachbar die Vorlagen liefert. Gerne wieder. Ob ich es selbst besitzen muss, weiss ich aber nicht. Ich würde es aber fast jederzeit mitspielen wollen.
Dungeon Lords vermittelt, dass das Leben als Meister seines unterirdischen Verlieses absolut kein Zuckerschlecken ist. Immer kommen diese blöden Abenteurer und machen alles kaputt und dann wollen auch noch die eigenen Monster bezahlt und die Steuern aufgebracht werden. Zum Glück wurde es mir gut erklärt, so dass ich gut den Spieleinstieg fand, wobei mich die Atmosphäre als Fantasy-Rollenspiel-Fan eh begeistert. Perspektivenwechsel sozusagen. Mal das Böse spielen dürfen. Am Ende hat mich der Paladin verkloppt, meine Schatzkammer war leer, der Dungeon zu gross gebaut. Ein Spiel, bei dem die erste Partie mächtig in die Hose gehen kann. Wer da nicht Durchhaltevermögen für Folgepartien hat, verpasst wohl ein wirklich grossartiges Spiel.
Hansa Teutonica bietet immer wieder neue Strategien. Meine erste Dreierpartie. Auf Handelsposten ganz verzichtet und stattdessen komplett alle Fertigkeiten bis zur Bonusstufe ausgebaut und dann mit einigen Hau-Ruck-Zügen die runden Grosshändler-Siegpunkte komplett abgegriffen. Gegen meine eher konservative Spielweise eines grossen Netzwerkes mit frühen Handelsposten an Schlüsselpositionen fehlte nur ein einziger Siegpunkt zum Erfolg. Für mich eines der besten Spiele von ESSEN 2009.
Fresko ist in der Grundversion ein Familienspiel und bietet arg wenig, was man nicht schon besser woanders gesehen hat. Entscheidungen gibt es kaum, auch wenn Material & Co stimmig sind. Der Funke wollte nicht recht überspringen. Lag es daran, dass wir es nur zu Dritt gespielt haben, so dass der letzte Spieler fast nur nach Schema F handeln konnte - nehmen, was übrig belibt und sinnvoll ist. Im Kern bleibt es Rohstoffe sammeln und einsetzen bei simultaner Planungsphase. Das Thema rettet da wenig. Ob es mit allen Zusatzregeln besser wird? Sollte man das Grundspiel als Vielspieler gar direkt überspringen? Ich weiss nicht, weil zu einer zweiten Partie ist es nicht gekommen.
Colonia sollte man wohl nicht zu sechst in Vollbesetzung spielen. Zu viel Konkurrenz und zu wenig Handlungsmöglichkeiten gepaart mit einer zu langen Spielzeit lassen das mehrstufige Rohstoffsammeln arg öde werden - besonders wenn man x Stunden spielt und dann kaum Siegpunkte und Erfolge vorweisen kann. In kleinerer Runde soll es aber besser sein, wie einige Mitspieler meinten. Ich hab dann lieber andere Spiele gespielt.
Vasco da Gama habe ich in einem Detail bisher immer falsch gespielt. Mit weniger als 4 Spielern kommen nicht alle Matrosenlager zum Einsatz und der Druck wächst damit auch dort. Zwei Partien waren arg spannend, geprägt von dem Dilemma zwischen Siegpunkthunger und verzockten Spielzügen. Man muss immer Gold haben, sonst wird es übel. Auch totmüde um Mitternacht noch spielbar. Immer wieder!
Wars of the Roses ist ein Schwergewicht auf der Waage, aber ein Leichtgewicht an Regeln. Relativ fix erklärt und auch relativ flott gespielt ohne Atempause, weil man simultan plant und an jedem Spielzug der Mitspieler interessiert ist. Ich konnte die Partie über die Bonusplättchen gewinnen, während sich wieder gezeigt hat, dass zu viel Vorsprung am Anfang noch kein Grund zum Jubeln ist. Wenig wirklich planbar, oder doch, mit ein wenig Psychologie und Ich-denke-du-denkst? Aber gerade deshalb spannend und noch weitaus mehr überraschend. Wann kommt die Revanche?
Macao ist die Planung des Unplanbaren. So fasse ich für mich das Spielgeschehen zusammen. An vielen Fronten (Provinzgebiete, Warenplättchen, Aktionswürfelmix, Seefahrt, Kartenaktionen mit Synergieeffekten) muss gewerkelt werden, bis so viel zusammenpassen will, wie eben geht. Meist geht aber wenig, weil man zu viel überblicken muss. Herausfordernd und endlich habe ich auch mal die 50er-Siegpunktehürde gemeistert, an denen ich zuvor immer gescheitert bin.
Zug um Zug funktioniert als Klassiker immer noch. Besonders toll, wenn man mit seinem letzten Wagon alle seine Aufträge erfüllt, während es mitten in der Partie noch ganz anders aussah. Immer wieder gerne gespielt, schon alleine wegen des Spannungsmomentes, wie lange man bis zum Streckenbau warten kann.
Opera ist und bleibt für mich ein mieser Bruder von Puerto Rico, der sich übers Thema für etwas besonderes hält. Die Danksagungen am Regelende sind fast schon Hohn, wenn ich an den verkorksten Spannungsbogen zurückdenke. Wer bitteschön hat bei diesen Spiel den Feinschliff verpasst? Schade, weil in Teilaspekten besser könnte es ein wirklich gutes Spiel sein, was es aktuell für mich nicht ist. Die Spielrunde war ebenso der Meinung, auch wenn die Anfangseuphorie zunächst noch gross war. Ach ja: Wir mussten der Bank Kredit geben!
Numeri und Level X sind ideale Lückenfüller. Nette Würfelei, wenig Denktiefe, einfach mal spielen und Spass haben zum Durchatmen zwischen zwei Strategiebrocken. Dagegen fand ich Heckmeck Barbeque eher langatmig, wenn man nur alle x Minuten selbst mal aktiv werden kann, weil die Spielzüge zu lange dauern.
Undercover in Europa kann man zum Glück auch ohne Geographie-Wissen gewinnen. Der Beweis schreibt diese Zeilen. QED! In zu kleiner Runde funktioniert es nicht recht, aber zu sechst war es wirklich Spass bringend. Allerdings sollte man es in einer Runde kennen, die sich untereinander kennt, weil einige Mitspielerfragen sonst kaum einzuschätzen sind. Ich finde es besser als "Finden Sie Minden". Landet auf meine Mitbestell-Liste.
11 nimmt ist im Kern ein Glücksspiel, aber kann ungemein befriedigend sein, wenn man in einem Rutsch seine halbe Kartenhand ablegen kann und die Mitspieler nur noch staunen. Zwar nicht, weil man so taktisch klug gespielt hat, sondern eher, weil sie auch dieses Glück gerne gepachtet hätten. Auf einer Stufe von "Geschenkt ist noch zu teuer" und damit für mich der ideale Aufwärmer in eine lange Spielenacht, wenn man noch auf Mitspieler wartet.
Nicht gespielt blieben hingegen Greed, ebenso wie Automobile und Steam over Holland. Auch Runewars und Warhammer Invsasion sind Opfer der zu geringen Spielzeit geworden. So eine Woche kann schon arg schnell verfliegen. Was bleibt? Massig gute Erinnerungen und viele gute Spielsituationen und nette Mitspieler. Nur die kreativen Partyspiele sind leider etwas zu kurz gekommen - Linq und Graffiti liefen ohne mich ab und an Cyrano-Reimkünsten wollte sie niemand herantrauen. Aber zum Glück gibt's ja noch Bochum!
Cu/Ralf