Gestern abend hatte ich endlich mal Zeit mir die Anleitung zu Le Havre durchzulesen. Ging relativ zügig, nur die Logik der verschiedenen Symbolsysteme erschloss sich mir erst beim zweiten Lesen. Leider habe ich den Teil "Standard-Gebäude nach Ordnungszahl abwärts sortieren" überlesen und somit wurde mein erstes Solitärspiel mehr zu einem Survival-Spiel, wie man es von Agricola gewohnt ist; mehr als Holzschiffe konnte ich mir in dieser verkorksten Partie nicht leisten. Meine Freundin hasst Agricola auf Grund dieses Knappheitsmanagements und somit war ich am Ende dieser Le-Havre-Solorunde etwas enttäuscht, da ich nicht schon wieder einen weiteren Rosenberg im Spielregal versauern sehen wollte.
Glücklicherweise ließ sie sich trotz meiner Warnung zu einem Zweierspiel hinreißen, denn sonst hätte ich erst wesentlich später meinen Lesefehler festgestellt. Mit den "neuen", richtigen Regeln verlief das Spiel dann schon wesentlich flüssiger, Nahrungsmittelknappheit war faktisch nicht mehr existent, sehr zur Freude meiner Freundin.
Nach einer kurzen Erklärung des Spielprinzips kommt man sehr schnell ins Spiel, während der ersten Runden ist noch etwas Hilfe seitens der Regelkenner erforderlich, die zahlreichen Sondergebäude erfordern öfters mal einen Blick in das gut dokumentierte Regelheft der Gebäude. Die massig vorhandenen Handlungsmöglichkeiten minimieren den stragiezerstörenden Effekt besetzter Gebäude, wieder sehr zur Freude meiner Freundin, und erinnern eher an Caylus als an Agricola. Dass man die Karten der Spielgegner gegen Gebühr mitbenutzen kann verhindert außerdem den bei Agricola gerne gehörten, allgemein in den Raum gestellten Vorwurf, man hätte anfangs nicht die richtigen Karten zugeteilt bekommen. Man bekommt zwar keine Holzsteinchen und die Gebäudekarten lassen auch nicht unbedingt das Flair einer selbstgebauten Stadt aufkommen, wie der Agricola-Bauernhof, aber die Unmengen an Warenplättchen, das Weiterverarbeiten, Verheizen und Verschiffen und der nicht zu
unterschätzende Belohnungseffekt großer Geldmengen, geben dem Spiel eine Dynamik, die Möwen-, Schiffsmotor- und Hafengeräusche im Kopf entstehen lassen. Das einzig wirkliche Problem, dass ich mit dem Spiel habe, ist die immens lange Aufbauzeit auf Grund ebendieser Plättchen.
Für mich ist Le Havre in sich geschlossener, besser strukturiert und weniger bestrafend als Agricola. Es bietet mehr Optionen und wesentlich mehr Waren als Caylus. Das wichtigste ist jedoch, dass es meiner Freundin gefällt, die es gleich beim ersten Spiel in den Bereich 250-300 Punkte schaffte.