Tom13,
Du argumentierst mit Emotionen. Wie soll ich sachlich darauf eingehen? Wenn ich es tue, stehe ich außerdem noch als kaltherziger Technokrat da, der Spiele um der Spiele willen spielt, und nicht wegen der Geselligkeit...
Tue ich es nicht, bleibst Du in Deiner Ecke und wirst überrollt von der Zeit.
Ein anderes Beispiel, Videospiele. Verschrien als das perverse Hobby von angehenden Amokläufern, die nachts allein vor dem PC die ganze Welt vernichten.
Bis die Wii kam.
Mit der spielt wohl niemand allein, dafür sind die "Spielchen" zu langweilig, aber sie hat dafür gesorgt, daß so manche Mitmenschen einen Abend mit viel Spaß zusammen verbracht haben, die sonst auch nur wieder in die Disko gefahren wären...
Oder was ist mit diesen ganzen Singspielen wie Guitar Hero oder Sonys Singstar? Klar, Karaoke gibt es schon lange, aber so macht es einfach Spaß und gibt Anlaß, mal wieder alte Freunde zu einem guten Essen einzuladen, mit anschließendem Gröhlen um die Wette...
Ein anderes Beispiel: CDs. Was haben die Musikliebhaber Zeter und Mordio geschriehen, weil digitale Musik herzlos sei usw. usf. Und nun? Digitale Musik hilft, das beinahe unbekannte Bands ohne Chance auf einen Plattenvertrag innerhalb von Tagen die iTunes-Hitparade stürmen! Erfolg auch ohne großes Musiklabel, das ist mit LPs einfach nicht möglich gewesen.
Elektronik an sich fühlt sich heute neu, ungemütlich, kalt, bedrohlich an. Aber so haben sich auch die ersten Radios angefühlt - heute dagegen ist ein guter alter Radio-Holzkasten der Inbegriff der Nostalgie, weil sich unsere Großeltern daran erinnern, wie sie damals im Kreis um den Lautsprecher saßen und gemeinsam ein Konzert angehört haben.
Vielleicht kommt nach dem elektrischen Spieltisch dann die virtuelle Massenhaluzination, das heißt, wir bekommen alle nur suggeriert, es gäbe ein Spiel, das physisch gar nicht existiert. Wenn diese Technologie kommt, werden aber auch wieder viele Leute sagen, daß sie es schade finden, nicht mehr mit den Fingern über Touchpads gleiten zu dürfen, und wie sie das Gefühl vermissen werden, gemeinsam um den Holotisch zu sitzen...
Etwas konkreter zu Deinem Beitrag: Für mich steht beim Spielen tatsächlich das Spiel im Vordergrund. Ich mag deswegen auch keine abstrakten Spiele à la GIPF, sondern liebe Wirtschaftsspiele à la AUTOMOBILE oder die tollen Rumflaschen bei CUBA. Details wie Karten, die man unter Pappscheiben verstecken muß, die dafür zu klein sind, oder Kramerleisten, deren Felder so klein sind, daß die Pöppel nicht darauf passen und man nie sieht, auf welchen Feld der Pöppel denn nun steht - das lenkt alles vom Spiel ab. Ich bin dann plötzlich kein kubanischer Plantagenbesitzer mehr, sondern wieder Tommy, der mit Spielmaterial kämpft. Das finde ich schade, und bin froh um jede Idee, wie man das begrenzt. Eine Zeitlang habe ich z.B. Kramerleisten durch Casinochips ersetzt, aber da muß man dann immer wieder wechseln, was auch zeitraubend ist.
Ich fände z.B. auch im Spiel integrierte Schachuhren toll, die auch mit wechselnder Spielerreihenfolge zurecht kommen (wir hatten diese Diskussion im Downtime-Thread).
Und, ganz offen gesagt, Du polemisierst. Die hypothetischen elektronischen Helferlein in zukünftigen Gesellschaftsspielen würden Dinge wie sich-Regeln-aneigenen, das Auspacken oder das Schwachen-unter-die-Arme-Greifen natürlich nicht verhindern, zumindest nicht, wenn sie gut gemacht sind! Selbst ganz frühe Schachcomputer haben von Anfang an die Möglichkeit vorgesehen, gemachte Züge auch wieder zurück zu nehmen...
Auch Deine rhetorische Frage, was denn von einem Spiel noch übrig bliebe, wenn die stupiden Verwaltungsaufgaben (z.B. zu Beginn einer neuen Runde bei AGRICOLA das Brett zu befüllen) irgendwie anders gelöst werden würden, als das erwachsene Menschen viel Zeit damit verbringen müssen, orangefarbene Holzscheiben zu anderen orangefarbenen Holzscheiben zu legen, damit andere erwachsene Menschen diese dann wieder auf ihre eigene Papptafel umschichten können, obwohl die eigentlich interessante "Aufgabe" nur wäre zu entscheiden, welche der möglichen Aktionen ich mit meinem Familienmitglied durchführen will...
Wenn das "spielen" für Dich ausmacht, dann lade ich Dich herzlich ein, in meinen Spielrunden Deine Zeit damit zu verbringen, diese Dinge für uns zu erledigen. Selbst mitspielen mußt Du dann ja nicht, um Freude zu haben, richtig?
Mit [Tom], der ein elender Tabletopper ist, hatte ich die Diskussion auch schon: Er würde ein TT auch nie mit Pappcountern oder "anderen" Minis spielen, weil es ihm nicht (nur) um das Spiel als solches geht - um die Essenz sozusagen - sondern für ihn das stundenlange Minibasteln und -bemalen "dazu" gehört; Aspekte, die ich mit Freuden durch schöne Hologramme von Raumschiffen ersetzen würden, wenn ich diese bequem über eine schwarze Matte, die das Weltall darstellt, verschieben kann. Dann tippe ich auf Hologramm A, wähle im Kontextmenü "Breitseite abfeuern", alle möglichen Ziele werden automatisch hervorgehoben, in einer schwächer werdenden Tönung, welche die abnehmende Trefferwahrscheinlichkeit darstellt; ich tippe auf das gewünschte Ziel, Laserstrahlen zucken über den Spieltisch und mit einem gewaltigen Krachen und einer Computerstimme, die mit Grabesstimme "Critical Hit!" verkündet, vergeht das Zielschiff in einem Feuerball... Diese Soundeffekte sind natürlich frei konfigurierbar und können auch ganz abgeschaltet werden.
Jedenfalls, ICH will mich auf die taktischen Entscheidungen konzentrieren und nicht auf das herumschieben von Schadensmarkern.