Beiträge von malzspiele im Thema „Habe ich ein Problem, wenn mich die Neuheiten auf der SPIEL nicht (mehr so) interessieren?“

    Nachtrag für: Tja, was ist für mich ein richtig gutes Spiel?

    Für die Kategorie der Füller / Absacker / Aufwärmer, also Spiele mit Spieldauer von wenigen Minuten bis höchstens eine Stunde zu mehreren sieht das bei mir ganz anders aus.

    Hier zählt für mich vor allem der Unterhaltungswert für die Gruppe. Da können gerne mal die Emotionen hochkochen. Oder das Getriebe im Gehirn auf Hochtouren laufen. Bei solchen Spielen bin ich auch bereit, kooperativ zu spielen und in dem Fall sogar auch unter (gemeinschaftlichem) Zeitdruck.

    Solche Spiele dürfen brutal glücksabhängig sein (solange es sich über mehrere Partien ausgleicht), das Material muss nicht sonderlich hübsch sein. Beispiel: Krass kariert.

    Da in einer derart kurzen Zeit nichts sinnvoll aufgebaut werden kann, benötigt solch ein Spiel eigentlich überhaupt kein Thema. Meist wirken die Versuchen, ein solches überzustülpen, für mich sogar hilflos bis lächerlich. Oftmals sogar störend. Beispiel: Die Crew. Ein tolles Spiel, mit den passenden Mitspielern gerne stundenlang gespielt. Aber wozu benötigt es dieses aufgepfropfte Weltraum- oder Tiefseethema?

    (Es gibt aber auch Ausnahmen, beispielsweise das geniale Guillotine :guillotine:, wo eigentlich nur das Thema den Spaß ausmacht.)

    Wichtig ist nur, dass die Regeln überschaubar und schnell erklärt sind, dass man ohne großen Aufbauaufwand losspielen und Spielspaß haben kann. Und natürlich muss wie immer das Spielmaterial das Spielerlebnis optimal unterstützen.

    Wenn dann aber alle still am Tisch sitzen und jeder vor sich hin grübelt, ist das Spiel für mich als Absacker raus. Für so etwas habe ich die großen Spiele (siehe oben)!

    Hui, da wäre ich tatsächlich mal an ein paar Hintergründen /Ausführungen (Stichworte genügen) - auch gerne per PM - interessiert! 😊

    Nachdem ich den Text fertig hatte, dachte ich mir: Warum eigentlich nicht für alle sichtbar? Deshalb also doch hier:


    Tja, was ist für mich ein richtig gutes Spiel? Das ist natürlich getrennt nach Spielkategorie zu betrachten. Für den Fall eines großen Spiels, also einem Spiel, dass vorwiegend mit mehreren Spielern gespielt wird und 60 Minuten oder länger dauert:

    Ich möchte in einem Spiel wirklich das Gefühl haben, zu spielen. Nicht zu arbeiten. Nicht zu rätseln. Kein Gedächtnistraining. Sondern bei jeder Partie relativ frei und entspannt etwas anderes ausprobieren zu können. Das bedeutet für mich, dass das Spieldesign:

    1) ... mir viele unterschiedliche Wege bietet, die ich ausprobieren kann. Es muss also mehr als ein oder zwei Hauptwege zum Sieg geben. Plus möglichst viele Mischformen. Und keiner davon darf dauerhaft besser sein als die anderen.

    2) ... mir nicht vorschreibt, was ich zu tun (und zu lassen) habe. Negativbeispiele:

    - Spiele, für die am Anfang zufällige Endwertungen gewählt werden, die später einen Großteil der Gesamtpunkte ausmachen. Oder Zwischenziele, die (zu) mächtige Boni geben. Ich werde also genötigt, auf genau diese Ziele zu spielen. In Maßen ist das okay, beispielsweise die Meilensteine bei Terraforming Mars, die sich aufteilen und bei vielleicht 10-15 Punkten pro Spieler nur einen Bruchteil der erzielten Gesamtpunkte von vielleicht 80-90 ausmachen.

    - Spiele, bei denen die Aktionen der Mitspieler mir vorschreiben, was ich zu tun habe. Im Sinne von: Wenn der Mitspieler den ersten Weg geht, musst Du den anderen gehen, weil du sonst keine Chance hast. In solchen Fällen ist dann oft schon die Spielreihenfolge entscheidend dafür, welche Wege erfolgreich sind. Schrecklich!

    - Spiele, in denen Umstände es unmöglich machen, bestimmte Wege zu probieren. Beispielsweise: Nur ein Spieler pro Runde kann Aktion X ausführen. Als Zweiter kann ich es dann nicht versuchen. Natürlich soll es Interaktion geben, aber nicht in Form von "gar nicht mehr möglich", sondern bspw. es wird teurer oder langwieriger, aber bleibt möglich. Oder aber: Um einen bestimmten Weg zu versuchen, benötigt man zwingend bestimmte Karten, die man anfangs (zufällig) einfach nicht hat. Beispiel: Die Ratten von Wistar.

    3) ... mir keinen komplexen Zug- oder Rundenablauf aufdrückt, den sich kein normaler Mensch merken kann (oder will). Negativbeispiel: La Granja.

    4) ... mich nicht ständig dazu zwingt, exakt zu rechnen. Ist zwar kein Problem für mich, im Kopfrechnen war ich schon immer gut, aber das hat mit Spielen nichts zu tun! Negativbeispiel: Funkenschlag.

    5) ... mir viele kleine Entscheidungen ermöglicht. Ich möchte also lieber 30 oder 40 ganz schnelle Aktionen als 10 große Aktionen mit Monster-Kettenzügen. Negativbeispiele: Die weiße Burg, Tiletum.

    6) ... mich zeitlich nicht unter Druck setzt. Also weder mittels Zeitlimit pro Aktion / Zug / Runde, noch indem ein Spieler mit seinen Aktionen dafür sorgen kann, dass ich mich beeilen muss, weil ein variables Spielende getriggert wird. Ich brauche (entgegen der üblichen Sichtweise vieler Redakteure / Verlage) keinen Spannungsbogen, der bei Spielende auf dem Höhepunkt ist. Ich möchte in Ruhe spielen und versuchen, damit ein (mein) Ziel zu erreichen. Negativbeispiele: Galaxy Trucker, Arche Nova.

    7) ... optisch das Spiel maximal unterstützt, also:

    - grafisch in sich schlüssig wirkt (nicht so, also ob mehrere Grafiker unabhängig verschiedene Teile gestaltet haben und irgendwer das dann mehr schlecht als recht zusammengestückelt hat). Negativbeispiel: Die Blumenstraße. Cover, Spielplan und Kartenillus haben drei völlig verschiedene Stile.

    - alle benötigten Informationen auf dem Spielmaterial, möglich symbolisch, dargestellt werden. Das sollte auch Startausstattung, Rundenwertung, Rundeneinkommen, Endwertung, etc. umfassen.

    - keine winzigen oder verschnörkelten Schriften und Symbole benutzt, sondern Nutzinformationen deutlich erkennbar darstellt. Negativbeispiel: Everdell.

    - auf platzraubende Riesenillustrationen und für den Spielablauf unnötige Flavour-Texte verzichtet.

    8) ... thematisch sinnvoll sein. Ich möchte das Gefühl haben, dass die Abläufe thematisch zumindest weitestgehend schlüssig sind. Und das Thema an sich muss auch passen. Sobald es in den Bereich "Dark Fantasy" oder Horror geht, bin ich raus. Also bitte keine Monster, Magier, Cthulhu. Feen und Waldelfen sind grenzwertig. Dafür ließe sich doch sicherlich auch ein realeres Thema finden, oder?

    9) ... auf unnötigen Schnickschnack verzichtet, vor allem auf 3D-Elemente, die das Spiel nicht braucht. Die nur Platz in der Schachtel und auf dem Tisch wegnehmen. Oder die Übersichtlichkeit behindern. Negativbeispiele: Everdell, Tapestry.

    Und wenn das ganze dann noch in einer Standardschachtelform daherkommt und in meine Spieletaschen passt, ist alles gut!

    (Fairerweise sollte ich sagen, dass in unserem Regal derzeit kein einziges Spiel steht, das alle dieser Kriterien erfüllt... ;))

    Mich interessieren die Neuheiten auf der Messe grundsätzlich nicht, weil ich noch nie ein Spiel spontan auf der Messe gekauft habe. Wenn ich dort bin, dann, um Spiele kennenzulernen und anzuspielen, Leute zu treffen, spezielles Zubehör zu kaufen, und mich zu informieren.

    Davon abgesehen: Je länger ich in dem Hobby drin bin, desto präziser wird meine Vorstellung von dem, was für mich ein wirklich gutes Spiel ist. Ein solches zu finden, wird allein schon deshalb, aber auch durch die immer größer werdende, ständig hinzukommende Menge an Neuerscheinungen, zunehmend schwierig. Zumal viele meiner Kriterien für ein wirklich gutes Spiel sich erst nach zahlreichen Partien zeigen können.

    Spontankäufe gibt es vielleicht noch 1-2 mal im Jahr bei Spielen, die zumindest in Hinsicht auf Thema, Optik und Mechanik passen könnten. Zusätzlich eventuell mal ein Spiel, welches anderweitig mehrfach getestet und für gut befunden wurde. Und da unser Speicherplatz für Spiele auf den vorhandenen Regalplatz beschränkt ist (und bleiben soll), wird gnadenlos wieder ausgesiebt. Letztlich gibt es so im Schnitt ein bis zwei Spiele pro Jahr, welche neu einziehen und damit ebenso viele obsolet machen.

    Insgesamt scheint dieses Prinzip für mich gut zu funktionieren, da ich noch nie das Gefühl hatte, ein Spiel, welches ich mal besessen und wieder abgegeben habe, später zu vermissen oder gar neu kaufen zu wollen.