Gestern noch ein paar "Regalleichen" entstaubt und ausprobiert:
#JetSet Zufallskauf bei gab62 , ein schönes Flugzeugroutenbauspiel aufbauend auf dem ZuZ-Grundprinzip, trotz einfacher Regeln absolut kein Familienspiel, da man sich sehr leicht schon in Runde 1 völlig rausschießen kann. Hat man das eher abschreckende Cover überstanden, hat das eine tolle Tischpräsenz, bei dem sehr viele kleine Plastikflugzeuge auf die eigenen und die Routen der Mitspieler eingesetzt werden. Anders als bei ZuZ ist bis auf den Schlussbonus (der allerdings entscheidend sein kann) alles im Spiel offene Information, und allein das schafft eine viel größere taktische Tiefe und auch negative Interaktion - ich entscheide mich für die Erfüllung bestimmter Ziele, die allen zur Verfügung stehen, und verfolge zugleich gegen Spielende auch mein Privatprojekt. Warum aber kann ich das in der Gelegenheitsspielerrunde nie wieder auf den Tisch bringen? Weil es sich für den AP-Spieler der Runde als reinstes Kryptonit erwiesen hat. Ich habe schon oft erlebt, wie er in Wasserkraft 20 Minuten für den letzten Zug gebraucht hat (und spiele deshalb derart komplexe Spiele nicht mehr mit ihm), aber Jet Set hat das gestern tatsächlich getoppt. So wird dann aus einem 90-Minuten-Spiel eine 3-Stunden-Denkpause, und das war kaum auszuhalten. Dafür kann aber das Spiel nicht viel, wer also ein gutes Routenbauspiel ohne Aktien haben will, dem kann ich Jet Set nur empfehlen. Schade dass man so schlecht an die Erweiterungen rankommt.
#Solaris von Queen Games ist so ein typisches "Das Cover sieht aber nett aus, wollen wir nicht das mal spielen?"-Spiel. Leider taugt das fertige Spiel dann aber erstaunlich wenig, Solaris wirkt, als wolle ein Feldfan sein eigenes "Hauptsystem mit Subsystemen"-Feldspiel basteln: Hier manipuliert man über das Ausspielen von Karten vier Leisten, die dann ihrerseits wieder Schritte auf der zentralen Leiste erlauben. Laut Anleitung aktiviere ich damit den Laser meiner Raumstation, aber es könnten auch Reissäcke in China sehen, deren Masseverdrängung wir zugunsten ihres Umfallens manipulieren sollen. Endgültiger Todesstoß für das Spiel ist der Kartenklau, mit dem ich jede Idee von Planbarkeit aus dem Fenster werfe. Das ist in einem Chaosspiel wie Isla Dorada oder Hoftheater lustig, aber doch nicht in einem klassischen und ziemlich grübellastigen Leisten-Ressourcenschubser, wo ich mein Vorankommen langsam vorbereite und der Spielsieg klar aufs Rennen ausgelegt ist. Schade ist das vor allem, weil es ein paar kluge Ansätze gibt - so darf ich das Energielevel auf den einzelnen Leisten nie völlig ruinieren, sondern muss eine Basis halten, sonst erlebe ich unweigerlich eine Ausfallrunde.
Ich konnte mich nicht erinnern, ob ich es schonmal gespielt hatte, daher kam es auf den Tisch, aber jetzt kommt es in den Giftschrank - wenn ich mich langweilen will, kann ich auch Marvelserien gucken.
#RomaetAlea Hach ja, das wollte ich lange schon wieder auf den Tisch bringen, und sollte eigentlich den dank Solaris etwas vermurksten Spieleabend positiv abrunden. Hat nicht sooo gut geklappt, da ich unterschätzt habe, wie gehirnschmelzend dieses als Roll&Write getarntes Würfelziehen sein kann. Das kratzt schon fast an Hadrianswall, was man hier alles gleichzeitig beachten muss, allein beim Bauen muss ich mir gleich zu Anfang überlegen, wie ich weiterbaue. Zugleich ist es nicht schnell gespielt, sondern ein Vollzeit-Euro über 9 Runden, der gleichzeitig mit "Ich teile, du wählst" einen meiner absoluten Lieblingsmechanismen integriert, den man sonst eher in kleineren Spielen wie Fist of Dragonstones oder Inseln aus 1001 Nacht findet. Das Upgrading (Engine Building) durch Berater ist zwar unglaublich wichtig, aber anfangs auch völlig undurchschaubar. Mir macht das Spaß, aber meine Mitspieler (die das Spiel genauso wie ich letztes Jahr zweimal gespielt haben) fanden es diesmal überfordernd und wenig reizvoll, und so wurde es vor Spielende aus Zeitgründen abgebrochen. Muss ich aber unbedingt in der Expertenrunde nochmal unterbringen, bis auf Aleo sollten da alle Spaß mit haben.
#Vejen Neuanschaffung aus dem Mai, die beim ersten Mal keinen guten Eindruck hinterlassen hatte, aber die Freundin wollte es dann auch nochmal ausprobieren. War Solars ein seltsamer Stefan-Feld-Klon, so ist Vejen offensichtlich, von der Grafik bis hin zu den Mechanismen, von Uwe Rosenberg inspiriert. Nur leider ist es in keiner Weise redigiert oder aufgeräumt worden, viele Ideen stehen einfach nebeneinander, was bei einem Handelsspiel einen sehr chaotischen Eindruck hinterlässt. Dazu passt, dass die Schriftart grausam gewählt ist, und wie bei manchen Rosenbergs liegen überall Informationen auf dem Tisch, die man kaum lesen, aber ganz gewiss nicht überblicken kann. Zu zweit ist Vejen mit etwas Einübung deutlich besser spielbar, und auch der Glücksfaktor ist niedriger als zu vieren (wo man nichts vorplanen kann). Weiterhin gut austariert ist die Zahl der Spielrunden und das Ressourcenmanagement, dass sich genau zum richtigen Zeitpunkt öffnet und einem eine fulminante Endrunde ermöglicht. Dafür spielt Interaktion zu zweit keine Rolle mehr, was schade ist. Vejen ist ja der Vorgänger von Pest, und manche der Dinge, die mich an Pest gestört haben, findet man hier auch, aber Pest ist deutlich runder ausgefallen und hat innovativere Ideen als Vejen, das genau so auch 2010 hätte erscheinen können (und in die damalige Landschaft auch besser gepasst hätte). Schade um das wirklich schöne Thema.