Beiträge von Archibald Tuttle im Thema „26.08.-01.09.2024“

    Ich war nach längerer Zeit mal wieder auf Boardgamearena und habe mir verwundert die Augen gerieben was es da alles neu gibt:

    #Glasstrasse Das perfekte Spiel für BGA. Schnell gespielt, die Spielemente nehmen nicht zuviel Platz auf dem Bildschirm ein, eher multiplayer-solitär, aber dennoch ordentlich komplex und spannend. Rosenbergs eignen sich irgendwie sehr gut für digitale Adaptionen, so auch dieses Spiel hier (das ja auch analog einen eher geringen Platzbedarf hat). Hat mal wieder großen Spaß gemacht, auch wenn ich gegen einen Crack mit ELO >300 klar den Kürzeren gezogen habe.

    #Distilled Positiv: Ich weiß jetzt, WIE viele Fehler wir damals in unserer Erstpartie gemacht haben. Und: Die Übersichtlichkeit ist auch hier hervorragend gelöst. Negativ: Ich fand das Spiel nach den korrekten Regeln sehr viel dröger und restriktiver als nach den falschen. Und es dauert selbst auf BGA noch ewig.

    #PathofCivilization Mal wieder ein Euro, der so tut als wäre er ein 4x-Spiel. Die Regelerklärung dauert länger als das Spiel selbst. Das simultane Spielen funktioniert auf BGA nicht wirklich, daher will ich kein abschließendes Urteil abgeben, aber überzeugt hat mich das Spiel nicht. Alles am Spiel hat man schonmal gesehen, es wirkt wie ein wilder Mix aus Im Wandel der Zeiten, 7 Wonders Duel und den üblichen 5-Leisten-Euros, aber in der Hälfte der Zeit und auf dem Komplexitätsgrad eines Kennerspiels. Die ersten drei Züge sind die wichtigsten, so dass jemand der das Spiel gut kennt einen massiven Vorsprung vor den Mitspielern hat. Meins war es nicht, und das obwohl ich ja eher Euro- als 4x-Spieler bin. Ich fürchte allerdings, dass keine von beiden Seiten da besonders glücklich mit wird. Ach ja Das AI-Design ist schrecklich.

    #Hochsaison Hier muss ich mich Aleo und anderen anschließen: Das nimmt wirklich den uninteressantesten Teil von Grand Hotel Austria und verwadelt just den in ein Roll&Write. Öde ist hier gar kein Ausdruck. Meine Exceltabellen zu führen ist spaßiger.

    #StuporMundi ist Nestore Mangones Version von #Trajan , eine ganze Reihe von Subspielen integriert in eine gemeinsame Spieloberfläche, in diesem Fall ein Rondell. Entsprechend ist hier auch viel los, zu viel fürs Tablet, da braucht es schon den großen Monitor oder zwei. Auf dem Tisch wird das garantiert ein schlimmerer Table Hog als Darwin's Journey. Aussehen tut das Spiel wie ein Euro aus dem Jahr 2010, persönlich nichts dagegen, aber ich kenne Menschen die da sehr kritisch mit der Augenbraue zucken würen. Ansonsten ein typischer Italo-Euro mit kleineren Überraschungen (die Aktionswahl ist eine davon), der sich total nach Feldschem Punktesalat mit italienischen Spielelementen anfühlt. Hart restriktiv ist es nur anfangs, später wird man von Möglichkeiten erschlagen. In Sachen Spielgefühl hat es mich stark an Darwin's Journey erinnert. Also alles in allem sehr gutes Design, ein wenig bedaure ich nicht im KS dabei zu sein, andererseits sind 120 Euro für das Gebotene schon eine Ansage. Ich glaube, ich will das erstmal in Echt auf dem Tisch sehen.
    Kleine Frage nebenbei: Warum um Gottes Willen bringt man das Spiel mit diesem Thema raus? Ich hab nix gegen Aufbauen im Mittelalter, aber weißgott, ich hab echt genug Spiele im Schrank, die das machen. Ist denen wirklich nichts Originelleres eingefallen? Gerade für so ein "großes" Spiel?

    Am Sonntag gab es hier erstmals

    #Hegemony Das isser also, der zweite dicke 2023'er Brocken für genau vier Spieler und für viele der Weimar-Killer. Nüchtern ist die Grafik des Spielbretts, nüchtern ist auch auf den ersten Blick der Spielablauf: Tatsächlich hat Hegemony trotz des vom Postmarxisten Gramsci geprägten Namens eher was von "freie Marktwirtschaft - das Brettspiel". Und zwar weniger aus der Perspektive des Marktes selbst, wie viele andere Brettspiele zuvor, sondern aus der makroökonomischen Perspektive der abstrakten Marktaktanten. "Der Kapitalist", "der Mittelstand", "der Arbeiter" und "der Staat" agieren hier abstrahiert mit- und gegeneinander. Dass Hegemony ursprünglich als Wirtschaftspolitik-Lehrspiel konzipiert wurde, merkt man an jeder Ecke, und ich gebe gern zu, dass das meinen Einstieg ins Spiel etwas getrübt hat - ich weiß schon, warum ich BWL NICHT studiert habe. Nach Sehen eines Regelvideos hatte ich fast schon keine Lust mehr zu spielen. Aber ist man erst mal drin, lassen sich viele Ideen des Spiels realpolitisch leicht nachvollziehen, und tatsächlich lädt es im Spielverlauf überraschend stark zu Trashtalk ein. Mein Staat waberte wild zwischen neoliberalem Marktmissbrauch und linker Hochsteuersozialpolitik hin und her, während die Arbeiter überraschend den Kapitalisten nicht nur überholten, sondern fast schon entmachteten. Am Ende hätten sie fast gewonnen, nur durch mehrere glücklich gezogene Karten zum Gelderwerb konnte sich der Staat noch halten und schlussendlich die Macht behalten.

    So, was denke ich jetzt zu dieser 6-Stunden-Partie (ohne Regelerklärung)? Es hat definitiv Spaß gemacht, und erinnert in mehr als nur einer Hinsicht an Weimar. Was dort aber wirklich politische Simulation ist, mit konkretem historischen Hintergrund, ist hier sehr abstrahiert und konzentriert sich fast ausschließlich auf Finanzpolitik. Da liegt mir Weimar trotz aller "in Runde 2 vorbei"-Anfälligkeiten insgesamt etwas mehr. Hegemony ist wahrscheinlich das bessere, rundere Spiel, Weimar das für mich unterhaltsamere und spannendere. Aber ich vergleiche hier durchaus sehr große Kaliber miteinander und würde beide immer sofort mitspielen. Nur so weit zu gehen wie Kapitän Haddock und beide "zu den besten Spielen die ich kenne" zu zählen, so weit würde ich dann selbst doch nicht gehen. Dafür fehlen mir hier ganz klar innovative Ideen im Spielablauf, man kennt alle einzelnen Bestandteile gut aus anderen Spielen (die großen Ähnlichkeiten zum alten Klassiker Republic of Rome kamen für mich ziemlich überraschend).

    #Rondo ging diesmal als Absacker völlig unter, ich muss noch besser lernen welche Spiele zusammenpassen. Das war hier deutlich zu antiklimatisch nach dem Großevent.

    An den Tagen davor gab es mit den Kindern noch ein paar Runden #Downforce auf der Wild Ride-Karte, und ich gebe es ja zu, mir macht das harmlose Familienwettrennen (Neuauflage von Kramers Top Race) deutlich mehr Spaß als etwa Heat (Ketzerei!). Es spielt sich viel schneller und unkomplizierter runter, die Optik ist genauso toll und die zusätzlichen Karten sind super.

    Und auf der Arbeit gab es eine Runde #Shark, was ich gern als Acquire mit Zähnen und Würfeln vorstelle. Shark ist toll, wenn alle Beteiligten wissen, was für ein wilder Ritt das werden kann. Nichts ist einfacher als kontinuierlich die Aktienkurse ungeliebter Aktien in den Keller rasen zu lassen - aber das können alle anderen eben auch. Umso wichtiger, sich selbst zu diversifizieren, nur allzu beliebig darf es am Ende auch nicht sein. Die Würfelei bringt einen hohen Glücksaspekt rein, der das Spiel noch am meisten vom durchrechenbaren Acquire unterscheidet. Haben alle Beteiligten Spaß an Chaos und Take-that-Elementen, dann kann das hier das perfekte Stock-Trading-Spiel sein. Für Planer und Langzeitstrategen ist es wohl eher ein einziges Haifischbecken.