Beiträge von LemuelG im Thema „Interaktion und Planbarkeit“

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    Original von Warbear
    Und übrigens: mit meiner Frau und mir könntest Du problemlos jedes Brettspiel (auch in einer 3er-Runde) mitspielen, da gibt's keinen "Schätzchen-Bonus", eher das Gegenteil.


    Geht mir auch so. Für wobo bin ich der Benchmark, den sie zu übertreffen gedenkt. Jedes Mal. :aufgeb: :blumen2:

    Die zunächst zu klärende Frage ist doch: Was ist eine Strategie?


    Für mich verbindet sich da eine (relativ allgemeine) Zieldefinition [Ich will gewinnen oder zumindest möglichst viele Punkte machen] mit einer grundlegenden Handlungsskizze zur Zielerreichung. Diese zeigt im Idealfall den präferierten sowie mögliche alternative Wege zum Ziel auf (also ganz banal bei Agricola: setze ich am stärksten auf Hausbau oder auf Viehzucht oder auf Ackerbau). Eine Strategie existiert auch bei glückslastigen Spielen, wenn auch natürlich auf wesentlich niedrigerem Einflussniveau. Bei Coloretto gibt sie mir z.B. vor, in welchen Situationen es für mich in Frage kommt, auch nicht vollständige Kartenreihen zu nehmen. Hier ist das dann wohl am ehesten Reaktionsstrategie auf mögliche Umweltausprägungen zu nennen, im Gegensatz zu einer Aufbaustrategie bei Spielen mit geringen Glückselementen.


    Dabei ist Strategie niemals statisch, sondern bezieht immer 1. die sich verändernde Umwelt (= Aktionen der Mitspieler) in die folgenden Strategieiterationen mit ein und wird erst 2. mit sich näherndem Zielzeitpunkt (= Spielende) zunehmend konkret.

    Zitat

    Original von Eduard Zuhorstrapadse
    Ich finde, ein Brettspiel muß beides beinhalten. Ohne Interaktion setze ich mich lieber an den Computer und ohne Planbarkeit gehe ich lieber ins Casino.


    Deshalb ist Dominion beispielsweise für mich ein totaler Flop, völlig uninteressante Zeitverschwendung. Agricola kenne ich gar nicht, schreckt mich aber aus den gleichen Gründen ab.


    Gib Agricola eine Chance, es ist um Längen besser als Dominion, und durch die Ressourcenkonkurrenz ergibt sich auch echte Interaktion - wenn auch kein Hauen und Stechen.

    Um mal den Wirtschaftswissenschaftler raushängen zu lassen: Im richtigen Leben funktioniert es doch auch mit beidem simultan. Unternehmen interagieren im Wettbewerb, während sie natürlich dennoch zugleich ihre mittel- und langfristigen Pläne verfolgen. Dies beinhaltet natürlich auch, einerseits durch eigene Aktionen die Konkurrenz dazu zu bringen, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen, während man andererseits auch die Aktionen der Konkurrenz mit den eigenen Plänen vereinbaren muss. Interaktion erfordert eben ein stetiges Modifizieren und Anpassen von grundlegenden Plänen, ohne diese dabei ganz über den Haufen zu werfen.


    Auf Brettspiele übertragen ist es in gut konzipierten Spielen sicher möglich, ebenfalls beides zu vereinbaren. Wenn es in einem Spiel möglich ist, mit einem einzigen Zug, de facto aus dem Nichts, eine komplette langfristige Strategie eines Gegners ganz und gar zu zerstören, dann ist wohl am ehesten das Spiel nicht gut konzipiert. Umgekehrt ist es selbst bei Agricola möglich, durch Beachten der gegnerischen Strategie und geeignetes Unterbinden von Zugmöglichkeiten (man denke nur an ein entscheidendes Brot backen oder Zäune bauen in einer späten Runde, wo das beträchtliche Punkteunterschiede ausmachen kann) imperfekten Plänen Klötze zwischen die Beine zu werfen.


    Also: Ohne die interaktionsbedingte Anpassungsnotwendigkeit der Strategie wäre die ganze schöne Planbarkeit auf die Dauer dann doch reichlich öde. Besonders stark sind dann Spielzüge, die in unterschiedlichen Strategievarianten nützlich sein können.