Beiträge von PeterRustemeyer im Thema „Der große "Warum sind Rabattschlachten (k)ein Problem für die Brettspielbranche"-Diskussionsfred“

    Ungeachtet der Tatsache, dass es ungerecht ggü Gehältern anderer wichtiger Branchen wäre, so empfinde ich es eben als befremdlich, dass man fürs Erschaffen eines Luxushobbies unterbezahlt ist.

    "Luxus" sind Brettspiele eigentlich aber auch nur, wenn man die Definition so weit fasst, dass alles, was nicht zum Überleben gebraucht wird, Luxus ist. In dieser riesigen Spannbreite ist das dann aber am absolut untersten Ende.


    Wenn ich nicht gerade Spiele kaufe wie ein Bekloppter, ist das ein megagünstiges Hobby. Ich krieg mit rund 50 Euro (zwei kleine und ein mittelgroßes Spiel) viele Abende Unterhaltung für mehrere Personen geboten.

    Ich zahle alleine schon 50 Euro im Monat, dass mich die Boulderhalle 3mal rein lässt.


    Meine komplette Sammlung kostet Neupreis weniger als meine Couch (reduziertes Ausstellungsstück)!


    Am Ende ist so ein Brettspiel immer noch ne halbwegs billige Schachtel voller bunter Pappe und Holzteilchen, und der Preis wird leider eher am Material als am Entwicklungsaufwand festgemacht.


    Edit: Ninja'ed von danom, der lustigerweise auch überteuerte Kletterhallen frequentiert. :)

    Die ganze Entwicklung zeigt meiner Meinung auch, wie mittelmäßig viele von den vermeintlichen Toptiteln eigentlich sind.

    Man kann Spiele nicht wirklich qualitativ bewerten.

    Man kann das statistisch machen, zb über Verkaufszahlen oder BGG Rankings, aber erstere kennen wir in der Regel nicht und zweiteres ist hochgradig verzerrt.


    Und: was für den einen Mittelmaß oder gar eine Gurke ist, kann für den anderen das Lieblingsspiel sein.


    Sogar für mein albernes Barbaria (BGG ca. 20000, deutsche Auflage 2000) erreichen mich hin und wieder Nachrichten, dass das ein hundertfach gespieltes Dauerbrennerlieblingsding ist.

    Mein Paleo ist seit 2 Jahren bubbletechnisch tot, die Verkaufszahlen sind aber immer noch hübsch und wir haben auf BGG konstant seit 2020 1000 geloggte Partien im Monat.

    Eines meiner eigenen Lieblingsspiele ist Dynasties (BGG 2000+, kommerziell iirc ein Flop).


    Was also ist dieses Mittelmaß?

    Das sind aber keine "Probleme" sondern genau die informationserzeugende Wirkung des freien Marktes. Erst dadurch dass sich bestimmte Spiele gut oder schlecht verkaufen werden die Präferenzen der Konsumenten offenbart. Erst dadurch setzen sich gute Geschäftsmodelle und schlechte gehen unter. Wenn man alles konservieren will egal ob nachgefragt oder nicht, verschwendet man Ressourcen und alle werden ärmer.

    Wenn man das kalt und emotionslos betrachtet, klar.


    Vielleicht finde ich es aber toll, wenn es eine deutsche Auflage von einem obskuren japanischen Spiel gibt, weil ich das spielen will, aber kein japanisch kann.

    Vielleicht fände ich es toll, wenn derjenige, der sich die Mühe macht, das nach D. zu bringen, auch davon leben könnte (sonst hört er nämlich damit auf).

    Vielleicht tut es mir ein bisschen in der Seele weh, wenn ich Neuheiten von letztem Monat auf dem Ramschhaufen finde.

    Vielleicht ist es schön, dass wir als Gesellschaft in manchen Bereichen, zB in der Kunst und Kultur, der freien Marktwirtschaft Einhalt gebieten, dass zB eine Bibliothek kein "gutes Geschäftsmodell" haben muss.


    Natürlich darf man am Markt auch scheitern, wenn man ein unwirtschaftliches Geschäftsmodell, keine gescheiten Produkte und/oder einfach Pech hat. Das heißt aber nicht, dass das für die Beteiligten kein "Problem" ist.

    Der Plan ist ja eigentlich ungefähr so:


    40€ UVP werden angesetzt, weil das der Preis ist, den man dem Kunden zutraut.

    Das Spiel kostet den Verlag 5€, 4€ für Produktion und 1€ für den Autor (der berechnet sich anders, aber es kommt aufs selbe raus).

    Der Verlag verdoppelt das und verkauft es an den Vertrieb für 10€, verdient also 5€.

    Der Vertrieb verdoppelt nochmal und verkauft es für 20€ an den Händler, verdient also 10€.

    Der traditionelle Händler verdoppelt nochmal (inkl USt) und verkauft es für 40€, verdient also 12€.

    Der Onlinehändler zahlt weniger Pacht und/oder setzt viel mehr Stückzahlen um, er bietet es dann halt direkt für 35€ an.


    Der Händler braucht seine Marge, weil die Pacht in der Innenstadt sauteuer ist und er halt eher 50 als 500 Spiele am Tag verkauft.

    Wenn er will, kann er seine Marge reduzieren und den Kampfpreis des Onlinehändlers mitgehen, das ist allen anderen in der Kette erstmal egal.

    Der Handel kann auch sagen "Ich nehme mehr, dafür zahl ich dem Vertrieb aber weniger", das ist für alle erstmal gut, auch wenn dieser verringerte Preis die komplette Kette durchgereicht wird (so lange es im Rahmen bleibt). Wenn der Handel richtig viele Spiele nimmt, sinkt sogar der Produktionspreis, und die "3xVerdoppeln"-Formel geht dann wieder auf (sieht man zB an den SdJ, die nach dem Preis flächendeckend deutlich günstiger werden).


    So lange es aber ungefähr dabei bleibt, sind alle weitestgehend glücklich. Reich werden Autoren, Händler und Verlage damit nicht wirklich, aber es passt schon. Und die Produzenten, Vertriebe und Großkunden können (im Gegensatz zu den anderen) BWL, die werden schon ihren Schnitt machen. ;)


    Probleme kommen zB auf, wenn ...

    - der Kunde die 40€ nicht ausreichend oft bezahlen will (zB weil das Spiel nicht sonderlich ankommt oder in einer Flut von Neuheiten untergeht).

    - der Großhändler so niedrig geht, dass die Händler keine Marge mehr haben.

    - das Spiel - weil Kleinauflage oder Importspiel oder beides - deutlich mehr als 5€ kostet bzw der Verlag mit seinen 5€ Umsatz die eigenen Kosten nicht decken kann, der Kunde aber auch nicht mehr als 40€ zahlen will.