Beiträge von Imagine im Thema „15.04.-21.04.2023“

    Zwei lange Spielewochenenden in drei Wochen boten tolle Gelegenheiten für spielerische Leckereien, von denen ich wieder eine kleine Auswahl präsentieren möchte. Praktischerweise passen sie auch super in das Oldie-Goldie-Newie-Surprise-Format der letzten Kurz-Kritiken, daher setze ich es einfach nahtlos fort.


    Als Oldie kämen zwar mehrere Spiele infrage, aber da die beiden anderen auch in eine weitere Kategorie passen, sortiere ich hier mal #UltimateScheme ein: Ein Kickstarter von 2017, den ich seinerzeit aufgrund der hohen Versandkosten nicht mitgemacht hatte, aber Jahre später nochmal günstig ergattern konnte. Als Dr.-Evil-Aspiranten machen wir uns daran, genug bösartige Pläne (“Schemes“) umzusetzen, um schließlich unser großes Ziel (mehr oder weniger die Weltherrschaft) zu erreichen. Die kurzweilige Mischung aus einfachem Minions-(Worker)-über-die-Weltkarte-Bewegen und Ressourcen-Umtauschen bekommt hier durch die herrlich trashig-humorvolle Gestaltung und den deftigen Ärgerfaktor so viel Drive, dass das Spiel es schafft, auf eine alberne Weise Spaß zu machen, ohne dabei allzu banal zu wirken. Obendrein ist es angenehm kurz, besonders weil es zwischendrin immer etwas zu lachen oder zu fluchen gibt. Sicherlich nichts, was man unbedingt haben muss, aber ein überraschend cleveres Kuriosum mit Kultfaktor.


    Der Goldie ist dieses Mal keine Untertreibung, denn Gold ist neben Silber und Edelholz nur eine von vielen exklusiven Materialen, die zur (Hand!-)Fertigung von #DieOperDerSchwarzenSpiegel herangezogen werden – ein Spiel aus der Feder und der Manufaktur von Thomas Fackler, dessen außergewöhnliche und nur auf Bestellung angefertigte Einzelexemplare die Grenze zwischen Spiel und Kunstwerk verwischen. Ein Phantom hat die Opernsängerin entführt und hält sie in einer der vielen Säulen des Gebäudes gefangen. Während die übrigen Spieler nur vier Nächte/Runden à vier Spielzüge Zeit haben, um sie zu finden, lauert ihnen das Phantom immer wieder auf und nimmt sie ihrerseits gefangen oder zwingt sie, zum Eingang zurückzukehren. Das Ganze passiert mittels geheimer Zugprogrammierung, wobei das Phantom zu Spielbeginn die Felder festlegen muss, auf denen es erscheinen kann, während die Verfolger immer vom letzten Standort aus weiterziehen. So ist Die Oper nicht nur ein optischer, sondern auch ein deduktiver Leckerbissen; ein schnell gelerntes, aber extrem taktisches und kurzweiliges Katz-und-Maus-Spiel mit durchaus überraschenden Wendungen – und eines der wenigen Dutzend Grail Games, die diesen Namen wahrlich verdienen.


    Der Newbie ist zumindest in seiner vorliegenden Deluxe-Ausgabe neu; das Spiel selbst gibt es zwar bereits seit einige Jahre, es hat aber bis heute nie den Weg auf den deutschen Markt gefunden und ist hierzulande komplett unbekannt: #RumbleNation. Das Angebot von kurzen strategischen Eroberungsspielen ist ja ziemlich überschaubar, und Rumble Nation muss sich unter seinen Gleichgesinnten nicht verstecken, denn es wartet mit zwei Mechaniken auf, die es überaus interessant machen. Zum einen wäre da die Art und Weise, wie wir in der ersten Spielhälfte unsere Armeen auf den japanischen Inseln verteilen: Es gibt 11 Gebiete, die zu Beginn jeder Partie zufällig von 2-12 durchnummeriert werden; in seinem Zug wirft jeder drei Würfel, von denen er zwei beliebige zu einer Gebietsnummer zusammenzählt, während der dritte abgerundet die Anzahl Armeen bestimmt, die der Spieler dort einsetzen kann. Alternativ kann man in seinem Zug einmalig eine der fünf ausliegenden Taktik-Karten verwenden. Sind alle Armeen verteilt, beginnt die zweite Phase: Beginnend mit dem Gebiet #2 und dann aufsteigend werden nach einem simplen Mehrheiten-Prinzip die Kämpfe abgehandelt, wobei der zweite Kniff ansetzt: Der Gewinner erhält (neben den Siegpunkten, die der Nummer des Gebietes entsprechen) je zwei Verstärkungs-Armeen in allen angrenzenden Gebieten, wo er eigene Armeen stehen hat! Durch diesen Kaskaden-Effekt können sich die Mehrheiten in den späteren (wertvolleren!) Gebieten massiv verändern. Cleveres kleines Ding, was durch die zufällige Gebietsnummern-Verteilung und immer andere Taktikkarten-Auslage einen hohen Wiederspielreiz hat und durch die Würfelmechanik einen fein abgestimmten, beeinflussbaren Zufallsfaktor einbringt. Karten und Anleitung sind in der (obendrein sehr schicken) Deluxeausgabe zwar auf Japanisch, aber englische Paste-Ups finden sich auf Boardgamegeek; das Spiel selbst kann in dieser Ausgabe aktuell nur über das japanische Amazon (Suchbegriff „天下鳴動“) bezogen werden, ist aber mit ~40 EUR inkl. Versand nicht übermäßig teuer.


    Für den abschließenden Surprise muss ich etwas ausholen: Autor Dieter Zander hat bis vor ca. 10 Jahren in Essen und auf Mittelaltermärkten seine handgefertigten Holzspiele angeboten. Eins der beliebtesten – „Kosakenschubsen“ – wurde vor zwei Jahren unter dem vermeintlich politisch korrekteren Titel „Schnipp&Weg“ von Gerhards Spiel und Design neu aufgelegt. Dabei handelt es sich um ein extrem kurzweiliges Schnippspiel, bei dem man versucht, mit seinen Holzscheiben die gegnerischen Scheiben vom Sanduhr-förmigen Spielbrett zu schubsen; wem das zuerst gelingt, der startet die nächste Runde eine Reihe weiter vorne und mit einer Scheibe weniger; wer so bis zur vordersten Reihe vorrückt, gewinnt. Vom alten Kosakenschubsen gab es kurzzeitig auch eine Version für 3 („Koschupa“) und sogar 4 Spieler – und um diese soll es hier gehen, denn die ist der absolute Knaller: #VonDerErdenscheybe heißt sie, und ihr Spielbrett besteht quasi aus zwei um 90 Grad zueinander verdrehten Sanduhr-Brettern (wobei es optisch eher an einen übergroßen Ninjastern erinnert), in deren Mitte ein Holzzapfen eingesetzt wird, der verhindert, dass man immer nur sein direktes Gegenüber ins Visier nimmt. Ansonsten ist das Spielprinzip dasselbe, jedoch führen die beiden zusätzlichen Mitspieler dazu, dass auch weniger Schnipp-Begabte hier eine Chance haben, weil sich oft erstmal die „Profis“ gegenseitig dezimieren, bevor sie sich der vermeintlich weniger gefährlichen Konkurrenz widmen – die zu diesem Zeitpunkt oft noch mehr Scheiben übrighat. Dazu ist es praktisch selbsterklärend: Auf den letzten Spielewochenenden musste ich es einfach nur aufgebaut auf einen Tisch stellen (ohne Stühle drumherum, die sind hier nur hinderlich), und je länger die Veranstaltung ging, umso höher war die Einsatz-Frequenz… auch weil es nach einem längeren Brainburner den perfekten Kontrast bildet, um den Kopf wieder freizubekommen. Bleibt zu hoffen, dass sich die Firma Gerhards davon überzeugen lässt, dass diese Version mindestens genauso viel Potential hat wie der kleine Bruder (zumal Von Der Erdenscheybe auch auf Familienfeiern ein Hit werden könnte).