Beiträge von velvre im Thema „Civolution / Deep Print Games / Stefan Feld“

    Vorweg: Das auf den Fotos gezeigte Material ist noch nicht zu 100% final. Mein Bericht basiert auf das uns erklärte und vollständig durchgespielte Civolution, d. h. ich habe die Regeln nicht gelesen, weshalb die von mir verwendeten Begriffe von denen der Regel abweichen können.


    Erfahrungsbericht
    Meine Liebste und ich waren zu einer Testpartie bei Brettspielpoesie und BSer eingeladen. Vielen Dank an dieser Stelle, für die großartige und schöne Gelegenheit, ein Spiel von einem unserer Lieblingsautoren vorab kennenlernen und spielen zu dürfen.

    Ich bin mir nicht sicher, ob ich es schon einmal mit einem Spezialistenspiel zu tun hatte. Zuvor war ich jedenfalls noch nicht über diesen Begriff gestolpert.
    Für Civolution wird ein großer Tisch benötigt. Alle haben ein relativ großes Spieltableau, dass eine Konsole darstellen soll. Wir sitzen quasi als „göttliche Programmierer und Schöpfer“ vor unserer Konsole und erschaffen eine neue Welt.


    Grob gesagt, ist unser Konsolenbord zweigeteilt. Auf der linken Seite halten wir fest, welche der 18 (!) Ressourcen wir im Spiel haben, sowie den Bestand an Gold und Nahrung. Weiterhin ist zu erkennen, welche Gebäude und auch Schiffe aus dem persönlichen Vorrat heraus gebaut werden können, d. h. diese beiden sind limitiert und der Einsatz will gut überlegt sein. Relativ zentral befinden sich Fokussteine und Ideenmarker. Dazu später mehr.

    Auf der rechten Seite befinden sich zahlreiche Aktionsmöglichkeiten, für die jeweils 2 passende Würfel benötigt werden. Darunter befinden sich Ablagefelder für Würfel, nach den jeweiligen Würfelaugen von 1-6. Am unteren Rand werden Fähigkeiten markiert, die ein wenig an Rollenspielattribute erinnern. Im Spiel kommen Konstitution, Intelligenz, Nervenstärke, Geschicklichkeit, Ausdruckskraft und Weitsicht vor.

    Die Aktionsmöglichkeiten erinnern an einen Techtree und man kann den Aufbau durchaus ein wenig damit vergleichen. Abweichend zu einem Techtree müssen wir keine vorangehenden Felder freischalten und können jedes Aktionsfeld nutzen, sofern wir zwei dafür passende Würfel haben, die keinen Pasch bilden. Mit einem Pasch können wir eines der 6 Attribute erwerben, wobei jedes Attribut einem konkreten Pasch zugeordnet ist (wie man unterhalb der Würfelablagefelder sehen kann). Würfel lassen sich dabei mit Ideenmarker manipulieren und zwar um +1 / -1 und das auch übergreifend von 6 zu 1. Damit es nicht zu einfach ist oder positiv ausgedrückt: Um mehrere strategische Ansätze zuzulassen, können alle 16 Aktionsfelder zweimal aufgewertet und somit in Stufe 2 und 3 verbessert werden.

    Im Verlauf des Spiels wird die eigene Konsole mit erworbenen Karten, Einkommensplättchen und erfüllten Zielplättchen im oberen Bereich ausgebaut. Dort befinden sich Ausbaustufen von 1 bis 5, die vom Zentrum der Konsole nach links und rechts stufenähnlich angeordnet sind. Hier ergibt sich ein kleines Dilemma, da wir einerseits mit voll ausgebaute Stufen einen Belohnungseffekt erhalten, höhere Stufen in der Endwertung jedoch mehr Siegpunkte bringen. Jedes Element darf dabei nicht in der „Luft schweben“ und muss von unten nach oben auf einer Stufe gebaut werden. Weiterhin dürfen nur Karten derselben Farbe übereinander abgelegt werden.

    Wir haben noch gar nicht über die Welt, den Rundenablauf und die merkwürdigen Leisten gesprochen! Stimmt, dazu kommen wir jetzt. 😊

    Eine Runde besteht aus 9 Phasen, die sehr übersichtlich auf einem Bord abgebildet sind. Daran kann man sich sehr gut entlang hangeln. Kernstück ist dabei die Aktionsphase, in der mehr oder weniger die größten Einflussmöglichkeiten und Entwicklungen im Spielverlauf ausgeführt werden. Etwas Salz in der Ursuppe unserer Zivilisation können Ereignisse, Wetter, Orte und die Ernährung unserer Figuren im Spiel sein, wobei wir grds. alle gleichermaßen darunter leiden oder im Idealfall profitieren.

    Civolution hält für uns 5 Leisten bereit, deren Fortschritt belohnt wird. Während des Spiels bekommen wir Belohnungen, wenn wir bestimmte Linien mit unserem Marker überschreiten. Am Spielende wird der Fortschritt auf jeder Leiste in der Endabrechnung belohnt, wobei die Leisten unterschiedlich ertragreich sind. Auch hier zieht sich der rote Faden der hohen Varianz durch das Spiel, da die Gewichtungen in jedem Spiel anders sein werden. Neben den Leisten liegen Zielplättchen, Einkommensplättchen und Attributsfähigkeiten aus, die die eigene Spielweise begünstigen können, wenn man diese erwirbt.

    Karten dürfen in diesem Spezialistenspiel natürlich nicht fehlen. Diese gibt es aus 5 verschiedenen Kategorien (Farben). In unserer Partie hatten wir zu Beginn von jeder Farbe eine Karte auf der Hand. Durch ausgespielte Karten erhalten wir verschiedene Vorteile, wie Fortrschritt auf den Leisten, Attribute, Stufenupgrade von Aktionen, Siegpunktwertung für das Spielende oder auch Fähigkeiten, die es sonst nicht im Spiel gibt. Mir gefiel beispielsweise die Karte „Pfeil und Bogen“ sehr gut, da ich bei jeder Jagd 2 Siegpunkte und +1 Nahrung bekommen habe. Außerdem lege ich Karten in meiner Konsole ab, was mir, wie weiter oben schon einmal erwähnt, ebenfalls Siegpunkte in der Endwertung beschert.

    Unsere Welt, auf der wir alle gemeinsam spielen, sieht für meinen Geschmack ziemlich eckig, kantig und dadurch modulartig aus. Sehr gut gefällt mir, dass Gebirge auf einer zweiten Ebene aufgeklebt und somit etwas erhöht ist. Auf dem Foto oben sieht man den Aufbau für das Einstiegsspiel. Es lassen sich auch andere Weltaufbauten abbilden, obwohl die Landschaftsteile unterschiedliche Formen haben.

    Bevor ich Civolution spielen konnte, war ich etwas verunsichert, ob es mir aufgrund einer erwähnten Kleinteiligkeit gefallen würde. Das liegt primär an der Handhabung der Ressourcen. Zunächst einmal will eine Ressourcenquelle gefunden werden, damit diese dann mit einer entsprechenden Aktion abgebaut werden kann. Das wiederum bedeutet jedoch noch nicht, dass ich mit dieser Resssource auch arbeiten kann, da diese erst noch in meinen Spielbereich transporiert werden muss. Als ich das las, ließ mich das etwas ernüchternd zurück. Im Spiel fand ich das allerdings gar nicht weiter schlimm, sondern vielmehr konsequent. Bei elektronisch gesteuerten Civspielen benötigt man häufig eine Abbauquelle, Arbeiter für den Abbau und Transportwege oder weitere Arbeiter und Lagerkapazität um mit Ressourcen arbeiten zu können.

    In Civolution sind Ressourcen wertvoll und es ist aufwendig, Ressourcen gezielt zu bekommen. Es kostet jeweils eine Aktion und somit 2 passende Würfelergebnisse, um an die benötigten Ressourcen zu gelangen. Dafür muss ich mindestens eine Figur im Spiel haben. Diese muss in das Abbaugebiet der gewünschten Ressource bewegt werden. Dann benötige ich die Aktion für den Abbau und eine weitere Aktion für den Transport. Wenn mir das Würfelglück nicht hold ist, kostet mich das Ideensteine, um Würfel so zu manipulieren, bis das Ergebnis zu der Aktion passt.
    Wenn es für eine Ressource noch kein Abbaugebiet gibt oder ich keine Figur dorthin entsenden mag, besteht immerhin die Möglichkeit, über eine Handelsaktion die Ressource für standardmäßig 4 Münzen zu kaufen. Ressorucen lassen sich mit der Aktion Handel auch in Münzen oder Siegpunkte umwandeln. Eine kleine Handelstabelle befindet sich auf unserer Konsole.


    Fazit: Civolution hat uns sehr gut gefallen. Ja, es dauert eine knappe Stunde bis alles erklärt worden ist. Obwohl das viele Informationen sind, die man aufnimmt, ist doch alles sehr eingängig, einprägsam und nachvollziehbar. Wir hatten während der gesamten Partie nur sehr wenige und auch nur sehr kleine Detailfragen. Civolution sollte „unbedingt“ mit einem Warnhinweis 😉 versehen werden, denn wer zu AP neigt, könnte deutlich länger als „ein paar Stunden“ mit dem Spiel verbringen.

    Die Möglichkeiten sind riesig und alle durchzurechnen dürfte sehr lange dauern. Ich spiele gern aus dem Bauch heraus und habe große Lust, verschiedene Strategien und Möglichkeiten von Civolution zu entdecken. Ich sehe hier den Sweetspot vor allem bei 2 Spielern eventuell auch noch bei 3. Zu viert dürfte es vielen zu lange dauern, aber das ist natürlich Geschmackssache. Alles ist hervorragend miteinander verzahnt und fügt sich harmonisch zusammen.

    In meinen Augen ist, sofern ich das nach nur einer Partie beurteilen kann, Civolution ein herausragendes, eingängiges und vor allem extrem vielseitiges Spiel.