RANT: Die ideologische ETF-Heiligsprechung in diesem Thread geht mir so langsam auf den Zeiger.
Sorry, musste mal raus.
Ich möche mal näheres zum Thema ETF sagen.
Wie ich weiter oben schon geschrieben habe, war die die ursprüngliche Bedeutung von ETF („exchange traded fund“) ein an der Börse gehandelter Fonds. Man kann diese Fonds also nicht direkt von einer Investmentgesellschaft (z.B. DWS, Deka, Union Invest,...) kaufen, sondern muss sie an einer Börse kaufen. Die allermeisten dieser ETF sind Indexfonds (d.h. Fonds, die einen Index abbilden, z.B. Dow Jones, DAX, MSCI World, REX,…). Daher wird in der Fachpresse der Begriff ETF inzwischen synonym für Indexfonds verwendet.
Neben Aktien-Indexfonds gibt es auch noch andere Indexfonds, z.B. Immobilien-Indexfonds oder Renten-Indexfonds (d.h. Index für festverzinsliche Wertpapiere, wie z.B. Staatsanleihen). Wenn von ETF die Rede ist, spricht man in der Regel meistens von Aktien-Indexfonds.
Die Haupt-Vorteile von Aktien-Indexfonds:
- Da Aktien-Indexfonds an der Börse gekauft werden, fällt kein Ausgabeaufschlag an (übliche Größenordnung ca. 5%).
- Die laufenden Kosten sind relativ gering (jährlich ca. 0,2 bis 0,3%). Bei üblichen Aktienfonds sind dies jährlich meist ca. 1,5 bis 2%.
- Die meisten üblichen Aktienfonds entwickeln sich langfristig schlechter als der Vergleichsindex (z.B. bei globalen Aktien der MSCI World oder bei deutschen Aktien der DAX). Wobei es aber auch Ausnahmen gibt.
Der entscheidende Vorteil von Aktien-Indexfonds gegenüber festverzinsliche Wertpapieren (z.B. Staatsanleihen) ist, dass man damit langfristig(!) eine höhere Wertentwicklung erzielt. Der MSCI World z.B. entwickelte sich in der Vergangenheit durchschnittlich mit jährlich ca. 6 bis 7%. Das ist deutlich mehr als man derzeit als Zinsen erhält.
Der entscheidende Nachteil von Aktien-Indexfonds gegenüber festverzinsliche Wertpapieren ist natürlich, dass man mit Aktienfonds Geld verlieren kann. In manchen Crash-Jahren waren dies oft mehr als 20-30%. Man sollte also kein Geld in Aktienfonds anlegen, das man die nächsten 5 bis 10 Jahren benötigt (z.B. für ein neues Auto oder ein beabsichtiger Kauf einer Wohnung). Die Vergangenheit zeigte aber dass man in Zeiträumen von über 15 Jahren mit Aktien-Indexfonds (z.B. MSCI World) kein Geld verloren hat. Aus diesem Grund sind Aktien-Indexfonds für die Altersvorsorge sehr geeignet.
Anders sieht es aus, wenn man regelmäßig Geld aus seinem angesparten Vermögen entnimmt. Zum Beispiel als Rentner, wenn man höhere Ausgaben als die staatliche Rente hat. Firkin z.B. hat hier vorgeschlagen, dass man einem ETF problemlos regelmäßig 2% bis 3% entnehmen kann, da ein MSCI World ETF in der Vergangenheit eine durchschnittliche Wertentwicklung von 6% bis 7% hatte. Das hört sich zunächst mal auch plausibel an. Das Risiko hierbei besteht darin, dass man länger lebt, als das Geld reicht, sprich dass das Vermögen irgendwann aufgebraucht ist.
Wir haben in der Firma, für die ich tätig bin, für einen Kunden hierfür Berechnungen durchgeführt. Die Frage hierfür war, ob man einem durchschnittlichen Aktienfonds regelmäßig Geld einer bestimmten Höhe entnehmen kann, so dass das angesparte Vermögen bis zum Tod nicht aufgebraucht ist.
Laut statistischem Bundesamt hat ein 65 jähriger Mann noch eine durchschnittliche Rest-Lebenserwartung von derzeit 19,4 Jahren, also bis zum Alter 84,4. Seine Chance, 90, 95 oder gar 100 Jahre alt zu werden beträgt aktuell 30,0%, 12,4% bzw. 3,0%. Eine 65 jährige Frau hat noch eine durchschnittliche Rest-Lebenserwartung von derzeit 22,6 Jahren, also bis zum Alter 87,6. Ihre Chance, 90, 95 oder gar 100 Jahre alt zu werden beträgt aktuell 43,9%, 21,8% bzw. 6,3%.
Wir haben mit Hilfe einer stochastischen Simulation Wahrscheinlichkeiten berechnet, dass das angesparte Vermögen bei einer regelmäßigen Geldentnahme bis zum Tod nicht aufgebraucht ist. Hierfür haben wir für einen Aktienfonds eine langfristige Rendite von 6% unterstellt bei einer angenommen Volatilität von 20%. Als Sterbewahrscheinlichkeiten haben wir die veröffentlichen Werte des statistischen Bundesamtes verwendet.
Die Ergebisse waren für eine 65 jährige Person:
- Bei einer regelmäßigen Kapitalentnahme von 5% des Anfangskapitals ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von 17,0%, dass man länger lebt, als das Geld reicht.
- Bei einer regelmäßigen Kapitalentnahme von 4% des Anfangskapitals ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von 9,8%, dass man länger lebt, als das Geld reicht.
- Bei einer regelmäßigen Kapitalentnahme von 3% des Anfangskapitals ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von 3,9%, dass man länger lebt, als das Geld reicht.
- Bei einer regelmäßigen Kapitalentnahme von 2% des Anfangskapitals ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von 1,0%, dass man länger lebt, als das Geld reicht.
Das heißt, man kann sich durchaus überlegen, ob man einen Aktien-Indexfonds benützt, um einem angesparten Vermögen regelmäßig zu entnehmen. Wieviel Geld man dabei regelmäßig entnimmt, muss sich jeder selber überlegen.
Wer auf der sicheren Seite stehen möchte, kann sich überlegen, Geld in eine sofortbeginnende Rentenversicherung (bei einer Lebensversicherung seiner Wahl) einzuzahlen. Aktuell bekommt man dafür derzeit eine garantierte lebenslange Rente in der Größenordnung von derzeit jährlich ca. 3,5% des eingezahlten Kapitals. Inklusive Überschüsse derzeit sogar jährlich ca. 4,8%. Dieser Wert kann allerdings auf den garantierten Wert zurückfallen. Nachteil gegenüber einem Fonds: das eingezahlte Geld ist weg. Erben würden also hier leer ausgehen. (Bei manchen Produkten bekommt man im Todesfall das eingezahlte Geld abzüglich ausgezahlter Renten wieder zurück, dafür bekommt man aber eine niedrigere Rente).