Beiträge von Ernst Juergen Ridder im Thema „22.05.-28.05.2023“

    Archibald Tuttle zu Viticulture/Tuscany


    Daumen hoch für deinen Bericht, trotz der Kritik an Viticulture.

    Aber was heißt hier "trotz"? Kritik muss man ja äußern können. Obwohl ich das anders sehe, verstehe ich die Kritik in Bezug auf die Karten sogar, aber:

    In einem Spiel, bei dem es auch und gerade auf die Nutzung der Karten ankommt, ist Zufall zwangsläufig, wenn die Karten von gemischten, verdeckten Stapeln gezogen werden müssen. Totale Planbarkeit kann es dann per se nicht geben und das finde ich persönlich auch gut so. Thinking on the Fly ist angesagt.

    Außerdem ist man doch gerade bei Tuscany gar nicht so abhängig von dem Zufall beim Kartenziehen, da gibt es mehr Möglichkeiten zum Gegensteuern als im Grundspiel.

    Und ja, man kann bei Viticulture so manches Mal nicht machen, was man gerade möchte. Flexibilität schadet da nicht.

    Aber wem sage ich das, du hast ja Viticulture oft genug gespielt.

    Stattdessen lieber Fresco zu spielen, käme mir eher nicht in den Sinn, auch wenn ich Fresco durchaus mag.

    Wenn du damit Spaß hast, ist das Ja auch OK. Für mich setzt das Gefühl etwas hausregeln zu müssen gleichzeitig auch die Qualität des Produkts herab, denn ich möchte ein funktionierendes Produkt haben. Ich kaufe auch kein Auto, dem ich selbst erstmal die Türen auswechseln muss, damit es nicht mehr reinregnet.

    Nicht so einfach dieser Vergleich.

    Du musst ja nicht gleich die Türen auswechseln. Wie wäre es aber damit, aus Klimaschutzgründen sich selbst die Regel zu setzen, das Auto grundsätzlich nicht mit mehr als 100 km/h zu fahren, ganz egal, was Hersteller und Konstrukteur als höhere Geschwindigkeit "eingebaut" haben.


    Und zum Spiel nochmal:


    Evergreen ist, so wie es ist, ein schönes und "funktionierendes" Spiel/Produkt. Trotzdem gefällt es mir solo besser, wenn ich die Punktwertung durch zu erreichende Ziele ersetze. Das ist kein Mangel des Spiels an Qualität; die hat es ja, zumal man die Regeln sogar abändern kann und das Spiel dann trotzdem funktioniert, nur halt anders.

    Ich verstehe ja durchaus, dass man „richtig“ spielen möchte; die Frage ist nur immer, was denn „richtig“ eigentlich ist.

    Kurze Antwort: So, wie es der Autor beabsichtigt und in vielen vielen Playmats entwickelt hat, damit alle Möglichkeiten möglichst ausgeglichen sind. :)

    Kann man so machen, klar. Für mich sehe ich das anders. Meine oberste Instanz in Fragen der Spielregelanwendung bin ich. Nur ich kann entscheiden, wenn ich denn überhaupt eine Regelunklarheit sehe, was für mich richtig und gut ist. Für mich steht zum Beispiel Thementreue der Mechanik über Ausgeglichenheit, wenn ich im thematischen Kontext mit einem gewissen Ungleichgewicht leben kann, weil das nun mal thematischer ist.

    Selbst klare Regeln ändere ich ungeniert ab, wenn mir ein Spiel dann besser gefällt.

    So ist etwa Evergreen ein schönes Spiel, so wie es ist. Es hat für mich nur den Nachteil, dass es auf Punkte geht. Punkte mag ich eher nicht, ich mag Ziele. Also definiere ich solche und schon macht mir Evergreen wirklich Spaß (solo).

    Der Daumen hoch gibt es explizit nicht für den letzten Absatz.

    Och

    Bei einem Abenteuerspiel habe ich auch wenig Hemmungen, unspezifizierte Situation spontan zu regeln.

    Gut so


    Aber bei nem Eurogame will uch klar definierte Regeln

    Verstehe ich, geht mir ähnlich.


    und bei Fragen ne Antwort vom Autor oder Redakteur. Anders geht das bei mir nicht.

    Gegen eine solche Antwort habe ich nichts. Bei mir geht es aber auch anders.

    In den letzten Tagen gespielt:


    Würfelwelten (1x zu zweit, 3x solo)


    Muss man nichts zu sagen. Macht ab und zu Spaß.


    Triqueta (3x zu zweit)


    Kleines Spiel. Man sammelt Drillinge von Tieren, hat man mehr als 3 einer Art, gibt es Minuspunkte. Nichts Aufregendes, wäre da nicht der kleine Can‘t-Stop-Effekt. Für meine Frau war es aber doch ein Aufreger, warum bloß?


    Cribbage (1x zu zweit)


    Nettes Kartenspiel. Viel Zufall, aber nicht nur.


    U.S. Telegraph (2x zu zweit, 1x zu dritt)


    Das ist ein Remake des alten Attika, thematisch verlagert von der Antike in die USA zur Zeit des Baus der Telegraphen-Fernleitungen.

    Mechanisch ist das Spiel aber völlig abstrakt. Trotzdem mag ich es, wie ich auch schon das alte Attika mochte.

    Man hat 30 Gebäude, die man auf einem im Verlaufe einer Partie wachsenden Spielplan bauen kann. Wann man welches seiner Gebäude zur Verfügung hat, unterliegt dem Zufall, weil sie von verdeckten gemischten Stapeln gezogen werden. Es gibt sieben Gruppen von Gebäuden. Innerhalb einer Gruppe kann man entsprechend der Reihenfolge der Gebäude bauen, dann ist das sehr viel weniger aufwändig. Man kann aber jedes Gebäude auch unabhängig davon bauen, kostet aber mehr.

    Es gibt keine Punkte. Es gewinnt, wer zuerst entweder zwei Städte mit seinen Gebäuden verbindet, oder alle seine 30 Gebäude gebaut hat.

    Gegenüber dem alten Attika gibt es eine wichtige Regeländerung, die man natürlich auch im alten Attika anwenden könnte. In Attika bekommt man eine Amphore, wenn man eine Gebäudegruppe komplett und zusammenhängend gebaut hat. Mit der Amphore kann man entweder eine zusätzliche Aktion spielen, oder eine zusätzliche Karte ziehen.

    Die Funktion der Amphore übernehmen in U.S. Telepgraph Arbeiterfiguren. Diese bekommt man, wenn man eine Gebäudegruppe vollständig gebaut hat, es ist aber egal, ob diese Gebäude zusammenhängen, oder nicht.


    Evergreen (1x zu dritt)


    Schönes Spiel. Die Spielerzahl hat auf das Spielgefühl aber auch gegenüber 1 oder 2 Spielern keinen Einfluss. Mit Ausnahme der Kartenwahl spielt man halt komplett solitär.


    Waste Knights 2nd Ed.


    Das will ich erst noch spielen, heute stand Regelstudium an. Und was liest man da in der Einleitung der Chronik unter Regelpriorität?:


    „Findet ihr auch dann keine Lösung, könnt ihr ins FAQ schauen oder einfach euren gesunden Menschenverstand nutzen. Wichtig ist, die Geschichte am Laufen zu halten. Waste Knights: Zweite Edition ist vor allem ein Abenteuerspiel - lasst euch nicht von Regeln den Spaß verderben.“


    „Die“ machen es sich aber einfach, könnte man da sagen. Statt erschöpfende und klare Regeln zu schreiben, raten die doch tatsächlich zur Nutzung des eigenen gesunden Menschenverstandes. Wenn das alle so machen, nimmt die Flut von Regelfragen (die oft gar keine sind, man müsste nur lesen) unaufhaltsam zu.

    Man kann aber auch sagen: Super, mal ein Regelschreiber, der sein Arbeitsergebnis nicht für eine Art „Gesetz“ hält, sondern dem selbständig denkenden Menschen angemessenen Spielraum lässt.

    Das kommt meiner Art des Umgangs mit Spielregeln sehr entgegen. Sehe ich eine Regelunklarheit, entscheide ich nahezu immer einfach selbst, was für mich richtig ist. Ich verschwende so wenig Zeit wie möglich damit, im Internet nach einer Lösung zu suchen, die ich auch selber finden kann. Ich gehöre auch nicht zu denen, die bei Regelunklarheiten in einem Forum um eine möglichst „offizielle“ Antwort auf ihre Fragen bitten. Ich verstehe ja durchaus, dass man „richtig“ spielen möchte; die Frage ist nur immer, was denn „richtig“ eigentlich ist. Klar, regelkonform spielen möchte ich schon, habe aber keinerlei Hemmungen, es anders zu machen, wenn mir das besser gefällt.